Aktionswochenende gegen KbOs: Soziale Lösungen statt Polizei
Das Bündnis „Ihr seid keine Sicherheit“ organisiert an diesem Wochenende Protest gegen so genannte „kriminalitätsbelastete Orte“.
Berlin taz | In Berlin gibt es sieben sogenannte „kriminalitätsbelastete Orte“, kurz KbOs genannt. Das seien sieben zu viel, findet das Bündnis „Ihr seid keine Sicherheit“ und veranstaltet aus diesem Grund das Aktionswochenende „KbOs abschaffen“. Zum Start gab es am Freitagnachmittag eine Kundgebung am Alexanderplatz – einer der sieben KbOs in Berlin.
Laut Polizei sind es sind rund 80 Personen, die sich dazu vor dem Fernsehturm versammelt haben. Ein junger Mann trägt entschlossen die Forderung des Bündnisses vor: die sofortige Abschaffung aller KbOs. Denn diese seien Treffpunkte für Wohnungslose, Drogenkonsument*innen und andere marginalisierte Gruppen, die durch diese Bezeichnung „immer und überall als Gefährder*innen markiert“ würden. Es sei ein großes Unrecht, dass die Polizei an diesen Orten das Recht habe, Personen verdachtsunabhängig zu kontrollieren: „Um wessen Sicherheitsgefühl geht es und wer wird hier als Bürger*innen gelesen und wer nicht?“ Die Teilnehmer*innen applaudieren.
Einer davon ist Cena, aus Angst vor Repressionen durch die Polizei möchte er seinen vollständigen Namen nicht nennen. Er sei heute hier, weil er an der U-Bahnstation Görlitzer Bahnhof wohne und täglich sehe, „wie People of Colour und Wohnungslose von der Polizei schikaniert und verhaftet werden“. Sie würden „einfach aufgrund ihres Erscheinungsbildes kontrolliert“, kritisiert Cena. Auch er ist POC und fühlt sich durch die erhöhte Polizeipräsenz in seinem Kiez nicht sicherer. Zwar wurde er selbst noch nicht kontrolliert, das sehe er aber nur als eine Frage der Zeit.
Neben „Ihr seid keine Sicherheit“ sind auch andere Bündnisse und Vereine auf der Kundgebung vertreten. So gibt es Redebeiträge von BVGWeilWirUnsFürchten und der Küfa der Berliner Obdachlosenhilfe sowie einen Talk mit der Initiative „Leerstand Hab-ich-saath“. Man wolle damit zeigen, in wie vielen Bereichen des öffentlichen Lebens marginalisierte Gruppen Repressionen durch Polizei und private Sicherheitsdienste erfahren, sagt Luka, eine der Organisator*innen. Sie glaube nicht, dass erhöhte Polizeipräsenz zur Sicherheit beitrage und fordert „mehr soziale Lösungen statt noch mehr Polizei“.
Weitere Kundgebungen an „kriminalitätsbelasteten Orten“
Für das Wochenende sind noch weitere Aktionen an verschiedenen KbOs in Berlin geplant. Am Nachmittag finden mehrere Konzert- und Infoveranstaltungen am Görlitzer Park, dem Kottbusser Tor sowie dem Hermannplatz statt. Sein Ende findet das Aktionswochenende am Sonntag um 13 Uhr am Lausitzer Platz, mit einer Demonstration gegen die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor.
Leser*innenkommentare
tomás zerolo
@RERO, @RENATE WOLFF
Also: ich habe jetzt zehn Jahre in Berlin verbracht. Kotti kenne ich gut, ich habe mitten in Neukölln gelebt.
Unsicherheit? Ja, gewiss, immer wieder wenn ich zuschauen musste, wie die Polizei einer Nazidemo den Weg freiprügelt.
Ich habe den Eindruck, dass "law and order" nur ein billiger Marketingtrick im Bermudadreieck Politiker-"BILD"-Polizei ist.
(Nein, ich will nicht behaupten, in Berlin gebe es keine Kriminalität: für eine 3.5 Mio-Stadt steht es aber nicht so schlecht dar).
Ach, @RENATE WOLFF: In Mitte [1] hätten Sie sich unsicher fühlen müssen, nicht am Kotti.
So viel dazu, was so ein "Bauchgefühl" wert ist.
[1] www.tagesspiegel.d.../13910442-all.html
rero
@tomás zerolo Ich habe die letzten 50 Jahre in Berlin verbracht, kenne ebenfalls den Kotti gut, und ja, Berlin steht auch aus meiner Sicht nicht da.
Aber der Kotti steht schlecht da.
Tut mir leid, ich glaube Ihnen nicht, dass Sie den Kotti gut kennen.
Ich kenne mehrere persönlich erlebte Beispiele, wo ich sage:" Krasse Ecke!"
Ihr Gerede vom "billigen Marketingtrick" ist einfach Quatsch.
Nicht mal die Grünen und die Linke behaupten, dass dort alles ok wäre.
Und die sind dafür als Bezirksamt verantwortlich und würden es deshalb eher schönreden.
Rudolf Fissner
@tomás zerolo Klar Nazis sind fürn Arsch und ich kann auch nachvollziehen, dass Sie das Demonstrationsrecht ab Wutbürger rechtswärts eingeschränkt bzw. nicht geschützt haben wollen.
Aber was haben Demonstrationen nun mit Kriminalität am Kotbusser Tor zu tun?
Wenn ich mich da informiere, dann lese ich Überschriften wie "Jeden Tag eine Körperverletzung oder ein Raub am Kottbusser Tor".
Wie können Sie sich da sicher fühlen? Ok, vielleicht als junger Mann oder wenn man in der besten Lage Neuköllns wohnt. Aber als Frau, alter, behinderter oder POC Mensch würde ich mich dort nich wohl fühlen.
rero
"Soziale Lösungen" gab es doch in den letzten 20 Jahren noch und nöcher.
Dem Bezirksamt unter Führung der Linken und der Grünen kann man nicht vorwerfen, dass sie nicht vieles probiert hätten.
Lief doch alles nicht.
Renate Wolff
Ich bin mehrfach im Jahr in Berlin - geschäftlich. Letzt musste ich am Kottbusser Tor vorbei - Himmel hilf - Kulturschock für mich als Bayerin. Und ja - ICH hätte mich mir mehr Polizeipräsenz dort deutlich sicherer gefühlt!