Aktion vor dem BBC-Gebäude in London: Hammer und Statue
In London hat sich ein Mann zehn Meter hoch begeben, um eine Prospero-Skulptur zu beschädigen. Grund dürfte der Schöpfer des Werks sein.
Ein hydraulischer Lift holte den Mann mit dem Hammer schließlich von der Statue herunter. Die Polizei nahm ihn wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung mit.
Seit 1933 schmückten Prospero und Ariel aus dem Shakespearestück „The Tempest“ (Der Sturm) den Eingang der BBC. Ariel, ein Luftgeist, der Prospero dient, war, für den Radiosender ein symbolisches Wortspiel auf aerial, dem englischen Wort für in der Luft, synonym für Antenne.
Die Statue empörte bereits nach ihrer Enthüllung, weil das Glied Ariels einigen zu lang war: Der Bildhauer musste es nach Beschwerden kürzen. Eric Gill (1882–1940) galt als einer der anerkanntesten britischen Bildhauer seiner Zeit – bis 1989 seine Biografin Fiona MacCarthy auf Aufzeichnungen stieß, die klar machten, dass Gill seine Kinder vergewaltigt sowie auch seinen Hund missbraucht hatte.
Immer wieder flammten seitdem Diskussionen über die Entfernung von Gills Werken auf. Sie bezogen sich nicht nur auf Prospero und Ariel, sondern auch auf Arbeiten, die in Kirchen hängen.
Auch in Künstler:innenkreisen gab es solche Querelen: Der 58-jährige Londoner Textilkünstlerin Holly Searle etwa missfielen Prospero und Ariel so, dass sie der BBC schrieb. Die antwortete ihr, dass das Unternehmen mit Hinblick auf den Denkmalschutz nicht daran denke, die Statue zu entfernen – man sich aber über die Lebensgeschichte des Bildhauers im Klaren sei.
Der taz sagte Searle, dass sie ihre Beschwerde im Zusammenhang mit der #MeToo-Bewegung sehe. Sie gehöre einer Generation an, „wo Frauen von Männern noch an den Hintern gelangt wurde“. Dazu gehöre auch die Tatsache, dass jahrzehntelang Pädophile wie der BBC-DJ Jimmy Savile gedeckt wurden, sagt Searle. Savile hatte einem Untersuchungsbericht zufolge mindestens 120 Vergehen in seiner fünfzigjährigen beruflichen Laufbahn begangen.
In den vergangenen Jahren hatten auch Gruppen, die nach britischen Medienberichten der QAnon-Bewegung nahestehen sollen, immer wieder den Fokus auf die Statue gelegt. Die rechtsextreme Bewegung glaubt an eine Verschwörung durch eine satanistische Organisation von Pädophilen, der demokratische US-Politiker, der Milliardär George Soros sowie diverse Hollywoodstars angehören sollen. Der britische rechtsextreme Aktivist und Streamer Tommy Robinson hatte die Statue britischen Medien zufolge ebenfalls oft kritisiert.
BBC: Diskussion ist richtiger Schritt, nicht die Beschädigung
Über den Mann mit dem Hammer sowie mutmaßliche Mittäter:innen war bis Redaktionsschluss nichts Näheres bekannt. In einem Statement sagte ein Sprecher der BBC: „Wir stimmen mit den Ansichten und Taten Eric Gills nicht überein. Es ist klar, dass es eine Debatte darüber gibt, ob das Werk von Künstler:innen von ihrer Person getrennt werden kann.“ Der richtige Schritt nach vorne sei die Diskussion darüber: „Aber wir glauben nicht, dass es richtig ist, ein Kunstwerk selber zu beschädigen.“
Der Youtuber, der die Aktion vor dem BBC-Gebäude livestreamte, beruft sich in seinem Video auch auf den Sturz der Statue des Sklavenhändlers Colston. Während eines Black-Lives-Matter-Protests hatten die Demonstranten am 7. Juni 2020 die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston (1636-1721) umgeworfen und ins nahe gelegene Hafenbecken geworfen. In der vergangenen Woche sind vier Verantwortliche für den Denkmalsturz vor Gericht freigesprochen worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative