Aktion für Geflüchtete in Hamburg: Spuren legen verboten
Die Polizei verbietet in Corona-Zeiten Demonstrationen. Um trotzdem Solidarität mit Geflüchteten zu zeigen, greifen Aktivist*innen zu Kreide.
„Das Verbot ist inakzeptabel, inhaltlich unbegründet und verfassungswidrig“, sagt der Anmelder und Aktivist der Hamburger Seebrücke, Christoph Kleine. Die Aktivist*innen hatten im Vorfeld betont, dass sie den Infektionsschutz ernst nehmen und die Gesundheitsstandards einhalten würden. „Es wäre nicht gefährlicher gewesen, als einkaufen zu gehen“, sagt Kleine. Trotz des Verbots kamen am Sonntag mehrere Menschen am Fischmarkt auf St. Pauli, in Ottensen und in Wilhelmsburg zusammen und stellten Schuhe auf die Straße oder umrandeten ihre Fußabdrücke auf dem Boden mit Kreide.
Mehrfach kam es dabei zu Diskussionen mit der Polizei. Die BeamtInnen sammelten die Schuhe ein und verstauten sie in Müllsäcken, nahmen Personalien der Protestierenden auf und bedrohten sie mit Bußgeldforderungen. Am Fischmarkt sprachen sie gegenüber einer Demonstrantin eine Ordnungswidrigkeit aus, weil diese mit Kreide auf den Boden gemalt hatte. Einem Mann, der die Szenen mit seinem Handy gefilmt hatte, nahmen sie das Telefon weg. In Ottensen bekam eine Frau einen Platzverweis, weil sie „Griechische Lager sofort evakuieren“ mit Kreide auf den Spritzenplatz gemalt hatte.
In Berlin mussten die Protestierenden ähnliche Repressionen über sich ergehen lassen. Auch dort nahm die Polizei Personalien auf und drohte mit Anzeigen.
Ein Hotel steht bereit
Die Petition Leave No One Behind hat in etwa zwei Wochen fast 300.000 UnterstützerInnen erreicht. Den bundesweiten Aktionstag unterstützten Gruppen wie Ende Gelände, Fridays For Future, der Flüchtlingsrat und die Interventionistische Linke. Ihnen geht es vor allem um die Situation in Flüchtlingslagern wie Moria auf Lesvos, wo 20.000 Menschen unter katastrophalen hygienischen Bedingungen ausharren. „Um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, muss die deutsche Regierung jetzt handeln“, fordern sie. Wie viele deutsche Städte hat sich auch Hamburg vor rund einem Jahr zum „sicheren Hafen“ erklärt – also bereit dazu, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.
Dass das schnell passiert, fordern auch die Initiator*innen der Kampagne „Open the Hotels“, die von der Gruppe Lampedusa in Hamburg und der Flüchtlingsberatungsstelle Café Exil unterstützt wird. Ihr Ziel ist es, dass während der Coronakrise leere Hotelräume als Unterkünfte für Wohnungslose genutzt werden können.
„Die Notprogramm-Unterkünfte sowie die Flüchtlingslager an der EU-Grenzen haben dasselbe Problem: Sie sind überfüllt“, sagt eine Aktivistin von „Open the Hotels“. „Dagegen sind leere einzelne Hotelzimmern perfekt um die Menschen aufzunehmen.“ Nach Angaben der Initiative hat sich ein Hamburger Hotel schon bereit erklärt, Obdachlose aufzunehmen. Ende der vergangenen Woche habe sich die Initiative mit dem Angebot des Hotels an die Sozialbehörde gewandt, die ihr „Okay“ geben müsste. Die Antwort stehe noch aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind