Proteste für Geflüchtete: Schuhe dürfen nicht demonstrieren

Eine Aktion für die Geflüchteten in den griechischen Lagern wird in Berlin und anderswo polizeilich unterbunden. Das pauschale Verbot wird kritisiert.

Schuhe und Schilder liegen auf dem Boden

Schuhe vor dem Brandenburger Tor, bevor die Polizei kam Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Am Ende war es weder für die Polizei noch die Gerichte zu verhindern: Das Zeichen der Solidarität für die in griechischen Lagern eingesperrten Flüchtlinge – und für die Versammlungsfreiheit in Zeiten von Corona-Ausnahmeverodnungen. Trotz Demonstrationsverbot und starkem Polizeiaufgebot verteilten eine Handvoll AktivistInnen am Sonntagmittag Punkt 12 Uhr vor dem Brandenburger Tor leere Schuhe, dazu Forderungen auf Schildern und Plakaten – etwa: „Open the borders.“

„Wir hinterlassen Spuren – #LeaveNoOneBehind“ heißt die u.a. von der Seebrücke initiierte und von Fridays for Future unterstütze bundesweite Aktion. Die Schuhe erfüllen dabei eine symbolische Doppelfunktion: Sie stehen für die ProtestteilnehmerInnen, denen eine gemeinsame Aktion derzeit untersagt ist und für die Geflüchteten in den Lagern, die weiter auf ihre Rettung warten müssen.

Die Polizisten, die sich vor dem Hotel Adlon versammelt hatten und schon vorsorglich drei potentielle Demonstrantinnen zur Personalienfeststellung abgeführt hatten, kamen mit Verspätung dazu. Wohl mangels auszumachender Protestler widmeten sie sich den zahlreichen FotografInnen, von denen einige ihre Daten abgegeben mussten. Bei mindestens einem entschuldigten sich ein Beamter kurz darauf. Ein Missverständnis mit Aufklärungsbedarf.

Fast unbemerkt kommen in den folgenden Minuten weitere Schuhe hinzu. Ein junger Mann mit schwarzem Basecap stellt im Vorbegehen ein Paar alte Sneaker auf den Platz. Ein Polizist eilt ihm hinterher und hält ihn an. „Ich habe doch nur Schuhe abgelegt und gehe jetzt wieder“, so der Angehaltene. Der Beamte hat kein Erbarmen und verlangt den Ausweis. Es drohen Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung und das Versammlungsgesetz.

Streit über Verbot

Schon im Vorfeld war die angekündigte und angemeldete Aktion zum Politikum geworden – denn sie wurde polizeilich untersagt; nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg. Die Veranstalter hatten vor den jeweiligen Verwaltungsgerichten dagegen geklagt – und verloren. Ein Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, am Freitag angekündigt und noch am Samstagabend eingereicht, blieb bis zur Aktion am Sonntagmittag unbeantwortet.

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Alina Lyapina, Sprecherin der Seebrücke, kritisierte vor dem Brandenburger Tor das Verbot und die Auflösung des Protests als „Schikane“. Das Bündnis habe angekündigt, „alle gesundheitlichen Regeln zu respektieren“. Laut dem Anwalt Ralph Monneck habe die Polizei ein Gesprächsangebot der Organisatoren über die geeigneten infektionsschutzrechtlich gebotenen Bedingungen für die Aktion nicht wahrgenommen. Monneck kritisierte das Verbot scharf: „Die Verfassung wurde durch die Pandemie nicht außer Kraft gesetzt. Es ist verfassungsrechtliche Aufgabe des Staates die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und der Meinungskundgabe jederzeit zu gewährleisten, also auch jetzt.“

Vor Ort sah die Realität dann aber anders aus: Mindestens eine zweistellige Zahl Protestler wurde polizeilich überprüft, die Schuhe und Schilder wanderten in große Müllsäcke der Polizei. Doch ganz so schnell war die Lage nicht unter Kontrolle. Bis in den Nachmittag hinein wurden immer wieder Spruchbänder entrollt und erklungen Sprechchöre über den Platz. Derweil wurden in Berlin auch an vielen anderen Orten Schuhe, Transparente und sonstige Spuren hinterlassen.

Während auch in Hamburg Personalien von Menschen aufgenommen wurden, die Forderungen mit Kreide auf den Boden malten, und ein Protest in Frankfurt/Main trotz Mindestabstand unterbunden wurde, ist etwa in Münster der Umgang mit demokratischen Grundrechten weniger restriktiv. Eine Mahnwache gegen einen Transport mit Uranmaterial darf am Montag stattfinden – mit Mundschutz und Mindestabstand.

Warum das in Berlin nicht möglich ist, ist auch für Ronja Weil, Sprecherin vom ebenfalls an den Protesten beteiligten Bündnis Ende Gelände, nicht nachvollziehbar. Sie erinnert die Berliner Regierungsparteien daran, die Stadt zum „Sicheren Hafen“ für Geflüchtete erklärt zu haben: „Nun ist es an der Zeit, dass auf Worte auch Taten folgen.“

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