Ai Weiwei im Gespräch: „Ich will meinen Pass!“
Er darf nicht aus dem Land, also öffnete er sein Studio. Ai Weiwei erklärt, warum er sich nicht für politisch hält. Als Geschenk gestaltete er den Titel der taz.
Der chinesische Künstler Ai Weiwei glaubt nicht, nächste Woche bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Berlin dabei sein zu können. „Schön wär's“, sagte Ai der taz.am wochenende.
Er hat bisher keinen Pass ausgehändigt bekommen und beklagt, dass ihm von den Behörden auch kein Grund dafür genannt wird. „In anderen Ländern würde man mir zumindest einen rechtlichen Grund nennen“, sagt der Künstler. „Aber nicht in China.“
Ai Weiwei gilt als wichtigster Gegenwartskünstler der Welt. Für das Gespräch lud er die taz.am wochenende in sein Studio in Peking ein. Außerdem gestaltete er die Titelseite der aktuellen Ausgabe.
Nach einem Aufenthalt in New York lebt er seit 1993 in der chinesischen Hauptstadt und hat die kommunistische Führung wiederholt für die gesellschaftlichen Missstände in China kritisiert. 2011 wurde er wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen und für 81 Tage an einem unbekannten Ort festgehalten. Unter strengen Auflagen und scharfer Beobachtung darf er sich heute in Peking zwar wieder bewegen, eine Ausreise wird ihm aber verweigert.
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Chinas berühmtester Künstler darf sein Land nicht verlassen, aber seine Kunst reist um die Welt. Wie Ai Weiwei die taz-Titelseite gestaltet, sehen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. März 2014 . Außerdem: Welchen Wert hat das Geheimnis in Zeiten von NSA? Mit Geheimnis-Psychotest: Sind Sie eher Angela Merkel oder Hans-Peter Friedrich? Und: Wie ist die Lage in Zentralafrika, ein Jahr nachdem muslimische Rebellen die Macht übernommen haben? Ein Besuch in Bangui. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Der Künstler sieht seine Lage zwar als seltsam, aber nicht als außergewöhnlich an. „Sie spiegelt bloß die Lage des gesamten Landes wieder“, sagte er der taz.am wochenende.
Er begründet, warum er sich den Auflagen und Verboten der Behörden weiterhin widersetzt, in dem er ausländische Journalisten empfängt oder sich immer wieder im Internet meldet: „Ich bin die Verbotsliste durchgegangen. Eigentlich haben sie ja recht: Ich bin kein Politiker und nicht in der Position, die Probleme dieses Landes zu lösen. Doch in den meisten Punkten geht es unmittelbar um mich und vieles bedingt sich. Wenn sie mir eine Strafe von 15 Millionen Yuan aufbürden wollen und mir Steuervergehen unterjubeln, muss ich das doch richtigstellen dürfen.“
Staatschef Xi Jinping ist ein „mutiger Mensch“
Die Frage, ob seine Kunst politisch ist, weist Ai zurück. Die Unterteilung in politisch und unpolitisch sei fehl am Platz. „Ich versuche eine Art der Kommunikation zu finden, die meine Gefühle zu unserer Zeit in unserer Welt zum Ausdruck bringt“, sagt er. „Es geht mir darum, mein wahres Ich zu zeigen.“ Er versuche nur, in einem politischen Umfeld mit Würde zu überleben. „Wenn das politisch ist, ja, dann bin ich politisch.“
Chinas Staatspräsident Xi Jinping, der eben zu Besuch in Deutschland ist, bezeichnet Ai Weiwei als „mutigen Menschen“. Er lobt, dass Xi die Bekämpfung der Korruption angestoßen hat, „die in China tief verwurzelt ist“. Aber Ai hat auch Zweifel, ob das reicht. „In China ist es selbst für einen Staatschef nicht möglich, eigene politische Visionen zu entwickeln.“
Am kommenden Mittwoch wird im Berliner Martin-Gropius-Bau die bislang größte Einzelausstellung Ai Weiweis geöffnet. Viele Werke werden erstmals gezeigt, sie sind erst jüngst entstanden. Der Künstler erklärt, warum er der Ausstellung den Titel „Evidence“, zu deutsch Beweis, gegeben hat. „Ich befinde mich auf ständiger Wahrheitssuche. Die nun ausgestellten Stücke sind eine Auswahl meiner Beweise.“
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