Afghanistan-Demo in Berlin: „Holt sie raus“
Mehr als 2.000 Menschen fordern vor dem Bundestag eine Luftbrücke für Menschen in Afghanistan: Nicht nur für Ortskräfte, sondern für alle Gefährdeten.
Die Menschen, die am frühen Dienstagabend vor das Reichstagsgebäude in Berlin gekommen sind, fordern von der Bundesregierung mehr Einsatz für die Menschen in Afghanistan. Laut Veranstalter*innen sind es rund 3.000 Personen; die Polizei spricht in der Spitze von 2.200 Menschen. Sie wollen eine Luftbrücke, um die in Afghanistan verbliebenen, gefährdeten Menschen – Ortskräfte der Bundeswehr, aber auch Frauenrechtler*innen, queere Menschen oder Demokratieaktivisti*innen – schnell und unbürokratisch aus dem Land zu bringen.
Unter dem Motto „Schafft sichere Fluchtwege aus Afghanistan“ hatten verschiedene Akteure erst am Morgen zu der Demonstration aufgerufen. Beteiligt waren unter anderem die Initiativen Seebrücke, Migrantifa und der Verein der afghanischen Diaspora in Berlin, Yaar.
Es sind mehr Menschen gekommen als erwartet. Irgendwann reicht der gepflasterte Vorplatz nicht aus und die Demonstrierenden müssen auf die Wiese vor dem Bundestag ausweichen. Auch von der Klimademo in Nähe, die gerade vorbei ist, sind einige weitergezogen.
„Man fragt sich, wo die Prioritäten sitzen“
Redner*innen wie Besucher*innen stehen unter dem Eindruck der Bilder der vergangenen Tage. Am Morgen war bekannt geworden, dass ein Transportflugzeug der Bundeswehr gerade mal sieben Leute evakuiert hatte. Eine 26-jährige Demoteilnehmerin, die sich Len nennt, regt das auf: „Bundesinnenminister Seehofer freut sich an seinem 69. Geburtstag, dass 69 Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden, und dann heißt es, dass jetzt sieben Personen ausgeflogen wurden. Da fragt man sich, wo die Prioritäten sitzen.“
Parallel zum Demoaufruf war auch eine Petition online gegangen, „Rettung aller gefährdeten Menschen jetzt“ ist ihr Titel und zugleich die zentrale Forderung. Rund 30.000 Unterschriften sind innerhalb von 24 Stunden zusammengekommen. Dazu aufgerufen – und die Demonstration mitorganisiert – hatten der Jurist Tilmann Röder sowie Kava Spartak, Geschäftsführer von Yaar.
„Wir sind eine Initiative aus Menschen, die das gleiche Problem haben: Alle haben eine Riesenliste an Leuten in Afghanistan, die uns seit Monaten kontaktieren und sagen: ‚Ihr lasst uns im Stich. Wir kommen hier nicht raus‘“, sagt Spartak. Er sei permanent in Kontakt mit Menschen vor Ort. „Deutschland sollte eine Vorbildrolle übernehmen und darf sich nicht rechter Rhetorik beugen. Jetzt von ‚Flüchtlingskrise‘ zu sprechen ist eine Farce.“ Mehrere CDU-Politiker*innen hatten am Dienstag gefordert, dass sich 2015 – das Jahr, in dem sehr viele Geflüchtete nach Europa kamen – „nicht wiederholen“ dürfe.
Viele Exil-Afghaner*innen sind gekommen
Auch viele Mitglieder der afghanischen Diaspora sind zu dem Protest vor dem Sitz des Bundestags gekommen. Mashallah etwa: Er ist 15 Jahre alt, wurde im Irak geboren, wohin seine Eltern geflüchtet waren, und ist in Berlin aufgewachsen. Dies ist die zweite Demo in seinem Leben. In Afghanistan war er noch nie, auch wenn er es sich wünscht: „Mein Traum ist es, mein Land in Frieden zu sehen.“
Sala Mohammedi hingegen hat bis 2015 in Afghanistan gelebt. „Ich habe gesehen, was die Taliban machen: Frauen dürfen nicht rausgehen, Frauen dürfen nicht zur Schule gehen“, erzählt die 33-Jährige. Dass eine Generalamnestie wirklich geben werde, die die Taliban wenige Stunden zuvor verkündet haben, glaubt sie nicht: „Jetzt sagen sie zwar, es ist okay. Aber später machen sie alles kaputt.“
Um die Dringlichkeit zu verdeutlichen, fanden in sieben anderen deutschen Städten am Dienstagabend Demos mit den gleichen Forderungen stattgefunden. Hunderte Menschen haben etwa in Potsdam an einer Kundgebung teilgenommen. Sie hielten am Landtag Plakate mit Aufschriften wie „Verantwortung & Humanität statt Bürokratie“, „Save Afghanistan“ und „Luftbrücke jetzt“.
Der Kreisvorsitzende der Linken Potsdam, Roland Gehrmann, die die Kundgebung organisiert hatten, sprach von etwa 350 Teilnehmern – deutlich mehr als die ursprünglich erwarteten 200. In Köln kamen laut der Veranstalter etwa 1.000 Menschen – ebenfalls deutlich mehr als erwartet. Am Mittwoch sind sechs weitere Demonstrationen angekündigt.
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