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AfD in ThüringenToleranz für Rechtsextreme

Die AfD schlägt eine Brücke zwischen „besorgten Bürgern“ und Rechtsextremen. In Thüringen treibt das ihr Fraktionschef Björn Höcke voran.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende für Thüringen, Björn Höcke, spricht in Erfurt auf der Demonstration gegen Asylpolitik Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Grenzen zwischen „besorgten Bürgern“ und bekennenden rechtsextremen Akteuren verwischt zunehmend. „Die als vermeintlich bürgerlich und rechtskonservativ wahrgenommene AfD schlägt hierbei eine Brücke“, sagt Sandro Witt, Vorsitzender der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit). Das befeuere militante Aktionen.

Auch an diesem Wochenende gab es eine Vielzahl von Angriffen: In Cottbus musste die Polizei am Freitag ein Willkommensfest bei einer Flüchtlingsunterkunft vor 400 Asylgegnern schützen, die Parolen skandierten und Flaschen warfen. Mit so vielen Personen hatte die Polizei in der brandenburgischen Stadt nicht gerechten.

Zum Teil wären sie „mit Kind und Kegel und Hund“ gekommen, sagte Polizeisprecherin Indes Filohn dem RBB. Am Freitag störten Anwohner in Dresden-Prohlis eine Willkommensaktion. Die Polizei war genötigt rund 120 Asylgegner, die Flaschen, Steine und Böller warfen, wegzudrängen. In den mecklenburg-vorpommerschen Städten Stralsund und Neubrandenburg schlug jeweils ein Mann auf Flüchtlinge ein.

In der Nacht zum Samstag griffen in Chemnitz Asylgegner Sympathisanten der Flüchtlinge in einer neuen Unterkunft an, verletzten zwei. Am Morgen zuvor war in der sächsischen Stadt das Gebäude einer Kirchengemeinde attackiert worden, die Flüchtlinge aufgenommen hatte. Die Täter hatten Scheiben eingeschmissen, eine Frau wurde dabei im Haus verletzt.

In Sachsen stellt sich die AfD den auch vor die Asylgegner, die gegen Unterkünfte in Chemnitz und Dresden auf die Straße gegangen sind. Denn die „Sorgen dieser Anwohner“ würde durch die Staatsregierung „nicht erstgenommen“. Aus dem Grund alleine, so der AfD-Landtagsabgeordnete, Carsten Hütter drohe eine „Eskalation der Gewalt“.

Die Mittwochsaufmärsche in Erfurt

Allein durch diese Vorfälle fühlt sich der Rechtsextremismusexperte und Mitarbeiter von „Miteinander e.V.“, David Begrich, schon bestätigt: „Die AfD bewirkt die Entgrenzung zum militanten Rechtsextremismus mit.“ Die Auseinandersetzung würde jetzt erst beginnen, so Begrich. In Thüringen treibe diese Entgrenzung vor allem der AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke voran.

„Ich befürchte, dass, je mehr sozialen Spannungen auftreten wie durch Belegungen von Turnhallen, sodass der Sportunterricht ausfällt, die Stimmung weiter kippen kann“, fügt Begrich hinzu. Nach Heidenau hatte er bereits im August gewarnt, dass diese Geschehnisse ein „Adrenalinkick für die Szene“ seien, die „zum Nachmachen ermutigen“.

Bei den Mittwochsaufmärschen in Erfurt, sagt Sandro Witt, würde die AfD das militante Auftreten von Rechtsextremen tolerieren. „Menschen mit bürgerlichem Selbstverständnis und rassistischen Positionen, die mit Kundgebungen und Demonstrationen aus dem erkennbar extrem rechten Lager nicht mobilisiert werden können, demonstrieren bei der AfD Seite an Seite mit erklärten Neonazis“, stellt der Geschäftsführer von Mobit fest.

Angriffe auf Gegendemonstranten

Die Aggressivität der „Demonstrationen der AfD und der rechten Geister, die sie riefen, ist auch körperlich spürbar“, meint Astrid Rothe-Beinlich, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion der Grünen in Thüringen. Sie erinnert daran, dass aus diesen Demonstrationen bereits Gegendemonstranten – darunter auch Frauen und Kinder – angegriffen und Journalisten geschubst wurden. Immer wieder sei „Volksverräter, Judenhure, schwule Säue und Grundrechtsschänder“ skandiert worden.

Die Reden von Höcke erinnerten an den NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, sagt Rothe-Beinlich. Besonders „perfide“ seien die über das Mikrophon gebellten Rufe „Wir sind das Volk“. Diese kamen während der friedlichen Revolution niemals von der Bühne und richteten sich vornehmlich gegen den Alleinvertretungsanspruch der SED, sagt Rothe-Beinlich, die 1989 die Stasi-Zentrale in Erfurt mitbesetzte.

„Derzeit ist ein Radikalisierungstrend durch die Demonstrationen von Neonazis und AfD, wie sie auch anderen Städten stattfinden, zu beobachten“ sagt auch Katharina König, Landtagsabgeordnete der Linken. Die Folgehandlungen reichten von Schmierereien bis Übergriffe. „Frau K. in den Ofen“ wurde in Anspielung auf NS-Vernichtungslager in Rudolstadt gesprüht.

Dass Agieren von Höcke wird längst von der Bundesführung unterstützt. Am vergangenen Mittwoch sprach der stellvertretende AfD-Bundessprecher Alexander Gauland auf der AfD-Kundgebung in Erfurt vor rund 8000 Asylgegnern. „Es wird Zeit, dass wir das Schicksal des deutschen Volkes, damit es ein deutsches Volk bleibt, aus den Händen dieser Bundeskanzlerin nehmen“ sagte er. „Wir befürchten, dass Neonazis diese Entwicklungen als Rückenwind für zunehmend militantere Aktionen interpretieren“ sagt Sandro Witt.

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4 Kommentare

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  • DER BESORGTE NAZI

    Mitleid Genossen, Mitleid. Die lieben AFD-Nazis wollen ja nur unser Bestes. Im Umgang mit Nazis sollten wir viel entspannter sein. Und dass sich die AFD-Nazis Sorgen machen ist doch ganz o.k. Und mal ganz ehrlich. Der moderne Nazi ist doch kein Unsympath, oder? So in Anzügen und mit Dr-Titeln und so. Die haben sich ja auch gewandelt, irgendwie demokratisch geworden, gehen sogar zu Wahlen und so. Am Besten ich reserviere mir schon mal einen Platz im AFD-Straflager, mal so ganz vorsorglich. Wer sich selbst einweist kriegt weniger Kloppe. Und auf Kloppe stehen die Nazis irgendwie...

  • Die AfD hat, ganz im Sinne der Strategien der neuen Rechten, eine Türöffner-Funktion für rechtsextremistische Positionen in die Gesellschaft. Sarrazin hat es vorbereitet, die AfD ist der nächste Schritt.

  • Ich teile die Einschätzung von Sandro Witt. Leider wollen das selbst "gemäßigte" AFD´ler nicht wahrhaben. Spätestens nach der Abspaltung von Lucke & Co. ist die AFD noch ein ganzes Stück weiter nach Rechts gerückt und macht gezielt Stimmung gegen Flüchtlinge. Schade, dass zu wenige Menschen dieses Spiel durchschauen.

  • Ich betone erneut, dass es keinerlei Rechtfertigung für Gewalt geben kann; ebensowenig dafür, Flüchtlingen ihre Rechte abzusprechen, wie das die Rechten zunehmend tun. Es reicht jedoch nicht, hier mit Worten entgegenzuhalten. Vor allem müssen wir die zunehmende Ungleichheit der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums in Angriff nehmen. Das ist das Einzige, was die Macht der Rechten, die immer weiter in die gesellschaftliche Mitte hinein ausstrahlt, langfristig beschränken kann.

     

    Wenn breite Bevölkerungsschichten durch eine verfehlte Wirtschaftspolitik zunehmend verarmen, dann werden Demonstrationen zunächst aggressiver, wie es hier geschieht. Schließlich kommt es zu Unruhen, wie in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern, die sich den Bedingungen der IWF-Wirtschaftspolitik unterwerfen mussten (Joseph Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung). Wenn wir dem nicht engagiert entgegensteuern, wird das bei uns auch immer schlimmer werden.

     

    Reiche werden höhere Steuern zwar als unangenehm empfinden. Im Vergleich mit gesellschaftlichen Unruhen sind sie aber auch für sie und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sicherlich das geringere Übel. Und was den Begriff Neiddebatte betrifft: Wer ist hier eigentlich neidisch auf wen? Die Armen auf die Reichen? Oder doch eher die Reichen auf die geringen Steuersätze, die die Armen zahlen müssen?