AfD-Wahlkampf im Saarland: Am liebsten als Alterspräsident
Josef Dörr ist Spitzenkandidat der saarländischen AfD, im März will er in den Landtag einziehen. Seine Chancen stehen gut.
Das Ziel ist klar. Der Mann, der zuvor bei der CDU und sogar bei den Grünen sein Glück versucht hatte, will im März in den Landtag einziehen, am Liebsten als Alterspräsident. Laut Umfragen hat er gute Chancen, auch wenn die AfD an der Saar stets schwächer bewertet wird als die Bundespartei.
Die hatte Dörr im vergangen Jahr noch loswerden wollen – mit einem Parteiausschlussverfahren wegen des Vorwurfs, er habe mit Neonazis gemeinsame Sache gemacht. Doch Dörr und sein Landesverband haben sich erfolgreich gewehrt.
Der Mann mit den leicht eingesackten Schultern des Alters wird gerne unterschätzt. Mit wachen Augen mustert er sein Gegenüber, leicht spöttisch, weil er ja mit der „Lücken- und Lügenpresse“ spricht. Er meint es aber bitter ernst.
Bis zur letzten Minute
In Neunkirchen, beim offiziellen Wahlkampfauftakt Mitte Februar, beschwört Dörr seine Partei, bis zur letzten Minute zu kämpfen, gegen die „Altparteien“ und das angeblich feindliche „Medienkartell“. Er erinnert seine Parteifreund*innen daran, dass die Behörden der AfD im November 2015 eine Demonstration vor dem Saarbrücker Landtag verboten haben, wegen der Bannmeile. Was er nicht sagt: Damals sind zahlreiche Rechtsextremisten mitmarschiert, darunter neben NPD-Mitgliedern auch deren Landesvorsitzender sowie Aktivsten der rechtsextremen „Saarländer gegen Salafisten“ Sagesa. Unter anderem wegen der zahlreichen Kontakte in die rechtsextreme Szene hatte der Bundesvorstand hat den saarländischen Landesverband auflösen wollen.
Nun verspricht Dörr, dass die AfD in den Saarbrücker Landtag einziehen wird: „Doch am Abend des 26. März sind wir drin, drin, drin!“, ruft er mit sich überschlagender Stimme: „Wir kämpfen nicht um 5 und auch nicht um 10, sondern um 51 Prozent“.
Auf den Tischen im Karchersaal des Gutshof Furpach, in einem ländlichen Vorort Neunkirchens, sorgen bei diesem Wahlkampfauftakt Primeltöpfe für Farbtupfer. Darin stecken Wimpeln in den Nationalfarben. Man gibt sich hier „bürgerlich freiheitlich“, nicht radikal. Die Wände sind mit Plakaten voll gehängt.
Ganz viel „Volkswillen“
Es sind die üblichen Parolen: „Politik für das eigenen Volk!“, „Meister statt Bachelor“, „Mut zur Wahrheit“, aber auch „Russland-Sanktionen kippen“. Weil es im Saarland stets auch ums gute Essen geht, zeigt ein Motiv einen Schwenkbraten auf einem Grillrost über dem offenen Feuer. „Zeit zum Umschwenken“ steht auf dem Plakat. Aktivisten der „jungen Alternative“ verkaufen Bier und Bretzel.
Man begrüßt vom Podium „den Armin und den Lutz“, „der Peter“ ist der Gastredner aus Hessen, sie feiern ihn als „unseren Stargast“ und heißen auch „den Josef, das Urgestein der AfD“ willkommen. Sogar JournalistInnen werden geduldet. Alle RednerInnen berufen sich ausdrücklich auf die Meinungsfreiheit, aber eben auch auf den „Volkswillen“.
Es sind nur rund 50 ParteifreundInnen zum offiziellen Wahlkampfauftakt gekommen, deutlich mehr Männer als Frauen, mehr Alte als Junge. Es gibt nicht mal eine Gegendemonstration. Rudolf „Rolf“ Müller, der Spitzenkandidat der AfD für den Landtag, macht den Anfang.
Gute alte Zeit
Er, der in Neunkirchen aufgewachsen ist, gerät ins Schwärmen: „Damals kamen die Fußballer aus Hamburg, Köln und Dortmund hierher und mussten Punkte lassen“, erinnert er an die gute alte Zeit, als man im Saarland noch in der ersten Liga mitmischte. „Die Schornsteine haben geraucht und dem Saarland ging es gut“, so Müller. Doch der Bergbau ist abgewickelt und die Stahlindustrie kämpft mit dem Strukturwandel.
Schuld am Niedergang sind in seiner Lesart die „Altparteien“. Müller polemisiert gegen den „maßlos übertriebenen Brandschutz, der vernünftiges Bauen unmöglich macht“. Der Klimaschutz ist für ihn ein „Modethema“. Der „Unsinn vom menschengemachten Klimawandel“ verhindere Wachstum und koste Arbeitsplätze.
Er plädiert für ein Europa der Vaterländer, fordert „raus aus dem Euro und raus aus der EU!“. US-Präsident Donald Trump, die Front-National-Chefin Marine Le Pen und sogar Russlands Präsident Wladimir Putin sind für ihn Vorbilder.
Schuld sind die Fremden
Den größten Beifall gibt es an diesem Abend immer dann, wenn ein Redner auf die „unkontrollierte Masseneinwanderung“ zu sprechen kommt. Auch Müller klagt beredt über die Fremden, die nach seiner Überzeugung auf Kosten der Allgemeinheit leben und für die steigende Kriminalität verantwortlich sind.
Er sei neulich bei einer arabischen Familie zu Gast gewesen; „das war alles ganz schön, freundlich und sympathisch“, beginnt Müller im Plauderton, als habe er sich nett mit den Gästen unterhalten. Doch dann ändert sich die Tonlage: „Diese ganze vielköpfige Familie lebt auf Kosten der Steuerzahler“, ruft Müller empört in den Saal und fügt hinzu: „Dieser Familienvater wird es nie und nimmer schaffen, die Familie mit seiner eigener Arbeit zu ernähren!“ Müllers Konsequenz: „Obergrenze Null“ für den Flüchtlingszuzug. Die Regierung mache sich schuldig, weil sie „die von uns erarbeiteten Sozialkassen plündert.“
Es ist alles ganz einfach: „Das Geld muss für uns ausgegeben werden!“, fordert Müller.
Unbedingt mehr Kontrollen
Auf Nachfrage erläutert der AfD-Spitzenkandidat später, wie er den Zuzug stoppen will: An den deutschen Außengrenzen müsse man zwar nicht eine Mauer bauen, es müssten aber unbedingt wieder Kontrollen durch Polizei und Grenzbeamte eingeführt werden, „wie in den 90er Jahren“.
Auf den Einwand, dass im Dreiländereck inzwischen Hundertausende Berufspendler täglich die Grenzen zwischen dem Saarland, Frankreich und Luxemburg in alle Richtungen passieren, antwortet Müller: „Die Sicherheit geht vor!“
In seinem erlernten Beruf, als Gymnasiallehrer, arbeitet Müller nicht. In Saarbrücken betreibt er zusammen mit seiner Ehefrau, die ebenfalls bei der AfD ist, ein Antiquitätengeschäft. Im vergangenen Jahr hatten Journalisten herausgefunden, dass es bei Müllers auch KZ-Geld und Naziordnen mit Hakenkreuzen zu kaufen gab.
Frage nach den Geschäften
In Neunkirchen, nach den offiziellen Reden, bittet die Partei zu einer „Fragestunde“. Ein selbsternannter „radikaler Freidenker“ mit langen Haaren und Rauschebart meldet sich zu Wort. Er fragt nach den Geschäften der Müllers mit KZ-Geld und Naziorden. Ein bisschen verlegen antwortet Müller, er würde gerne ausführlich zu den Vorgängen Auskunft geben, doch man habe ihm dringend geraten, dazu zu schweigen.
Im Gespräch mit Journalisten gibt sein Landesvorsitzender Dörr später eine Ehrenerklärung ab: Die Vorwürfe, Müller handle mit Nazi-Devotionalien, seien haltlos.
Eine grauhaarige Frau ärgert sich darüber, dass sie sich im Freundeskreis für ihre Parteimitgliedschaft rechtfertigen muss; sie fragt, warum es „die Medien“ geschafft hätten, die AfD im Saarland als braune Partei zu brandmarken.
Zu weit gegangen
Allerdings sind auch der AfD-Bundesspitze die Kooperationsbemühungen zwischen dem Landesverband mit rechtsextremen Splittergruppen – wie der „Freie Bürger Union“, den „Pfälzer Spaziergängern“, der Sagesa und mit NPD-Funktionären – zu weit gegangen.
Neben den Kontakten zu Rechtsextremisten hatte die Bundespartei Dörr„monatelange Vetternwirtschaft“ und die „Manipulation von Mitgliederlisten“ vorgeworfen.
Beim Landesparteitag im vergangenen April, bei dem sich Dörr nach seiner Absetzung erneut den Landesvorsitz sichern konnte, hat er von der AfD als „Bewegung“ gesprochen und wörtlich gesagt: „Wir spüren eine tiefe Glut in uns. … An ihr werden wir das Feuer entfachen. Die Missstände in unserem Land sind der Wind, der diese Glut entfacht… Die Flammen wachsen zu einem Flammenmeer und schließlich zu einem Feuersturm. Dieser Feuersturm wird alles hinwegfegen und vernichten, was schlecht ist.“
Und was ist mit Höcke?
Auch das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke, dem umstrittenen AfD-Chef in Thüringen, ist in Neunkirchen erst in der Fragestunde Thema. Die Saar-AfD will sich dazu aber lieber nicht äußern.
Stattdessen bezieht schließlich der Gastredner Stellung: Ausdrückliche Rückendeckung gibt der hessische Landessprecher Peter Münch dem Parteifreund in Thüringen: „Wir sollten Streitigkeiten intern lösen“, sagt Münch und bewertet das Ausschlussverfahren gegen Höcke als „überzogene Reakton“. Da spricht er der saarländischen AfD aus der Seele und erntet viel Applaus.
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