piwik no script img

AfD-Politikerin bei PodiumsdiskussionVolksverhetzung am Holocaust-Gedenktag

Bei einer Podiumsdiskussion vor Schü­le­r*in­nen wiederholte Marie-Thérèse Kaiser eine rassistische Aussage, für die sie bereits verurteilt worden ist.

Ist vom Landgericht Verden verurteilt worden: Marie-Thérèse Kaiser Foto: Instagram

Tarmstedt taz | Kein Sitzplatz war mehr frei: Knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl organisierten Schülerinnen des Politik-Leistungskurses der Kooperativen Gesamtschule Tarmstedt eine Podiumsdiskussion mit den Direktkandidatinnen des Wahlkreises „Stade I – Rotenburg II“. Besonders umstritten war die Teilnahme eines Podiumsgastes: Marie-Thérèse Kaiser von der AfD, verurteilt wegen Volksverhetzung.

Vor der Schule in der niedersächsischen Gemeinde fand eine Kundgebung gegen die Einladung statt. Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ kritisierte, dass Kaiser ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag eine Bühne geboten bekam. Nicht erst seit den Wahlerfolgen der AfD wird über die Beteiligung von Kan­di­da­t*in­nen von extrem rechten Parteien bei Schulveranstaltungen diskutiert. Bühne bieten, ja oder nein? Greift der Gleichheitsgrundsatz, ja oder nein?

Die einladenden Schü­le­r*in­nen hatten sich sehr gut vorbereitet. Ein Faktencheck-Team verfolgte die Diskussion mit Frauke Langen (SPD), Jan Bauer (CDU), Joachim Fuchs (Grüne), Jan Koelke (FDP), Christoph Pod­stawa (Die Linke) und Kaiser.

Die AfDlerin ist Mitarbeiterin der AfD-Bundestagsspitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel. Getreu der Parteilogik wollte sie sich als ausgegrenzt inszenieren, da ihre Teilnahme vorab diskutiert worden war.

War Hitler Kommunist? Ich finde, dass man darüber eine offene Debatte führen muss

Marie-Thérèse Kaiser, AfD

Seit 2017 ist Kaiser Parteimitglied und sitzt im Kreistag Rotenburg/Wümme. Kaiser pflegt einschlägige Kontakte. Ihre Hamburger Kampagne „Merkel muss weg“ trugen Rechtsextreme mit. Der Videokanal „Wir klären das“, in dem sie auftritt, gehört zum rechts­extremen Verein „Ein Prozent für unser Land“.

Auf Schüler-Nachfrage musste Kaiser einräumen, im Kreistag kaum präsent zu sein. Schuld wären aber die anderen Kreistagsmitglieder, die die Termine ausgerechnet auf die Sitzungstage des Bundestags legen würden. Da müsse sie an der Seite ihrer „Chefin Dr. Alice Weidel“ sein. Lachen aus dem Publikum folgte auf die Ausrede.

War Hitler ein Kommunist?“, fragte jemand von den Zuhörer*innen. „Ich persönlich finde, dass man darüber eine offene Debatte führen muss, die nicht unterdrückt wird“, antwortete Kaiser. Das Publikum reagierte entsetzt. Kaiser aber hielt sich weiter auf Parteilinie. Die Kritik an „unserem Remigrationskonzept“ sei unberechtigt, die AfD wolle nur geltendes Recht wieder zur Rechtmäßigkeit kommen lassen.

Der Kandidat der Grünen, Joachim Fuchs, warnte vor dem Versuch, „Remigration positiv zu framen“ und wies auf weitere Umdeutungsversuche der AfD hin.

Strafbewährter Post ist immer noch online

Eine Schülerin fragte Kaiser nach ihrer Verurteilung wegen Volksverhetzung. Kaiser, die durch Modeltätigkeit und Omnipräsenz für die AfD zur Szene-Influencerin geworden war, hatte 2021 in einem Post bei Facebook afghanische Ortskräfte der Bundeswehr in Verbindung mit Gruppenvergewaltigungen gebracht. Ihr Post bezog sich auf eine Aussage des Hamburger Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD), der für die Aufnahme von 200 in Afghanistan gefährdeten Mitarbeitern der Bundeswehr geworben hatte. Das Originalzitat von Kaiser lautete: „Willkommenskultur für Gruppenvergewaltigungen?“

Im Schulsaal räumte sie nun ein, die Verurteilung durch das Landgericht Verden mittlerweile angenommen zu haben. Die Strafe von 6.000 Euro sei bezahlt. Auf X hatte sie noch angekündigt, das Urteil nicht zu akzeptieren.

Vor den Schü­le­r*in­nen führte sie aus: „Ich wurde letztendlich verurteilt, weil ich Kritik an der unkontrollierten Massenmigration geäußert habe.“ Sie habe lediglich die Frage gestellt, ob es sinnvoll sei, „Afghanen, die bereits überproportional straffällig und tatverdächtig geworden sind, wenn es um Sexualdelikte geht, unkontrolliert ins Land zu holen.“ Und sie verwies auf ihren strafbewährten Post, der immer noch online sei. Unwidersprochen suggerierte die Rechte so erneut, Tschentscher wolle „eine Willkommenskultur für Gruppenvergewaltiger“ schaffen.

Der Kandidat der Linken betonte, von der AfD seien grundsätzlich keine sozialen Lösungen zu erwarten. Abschiebungen lösten weder Problemen in der Bildungs- noch in der Sicherheitspolitik.

Die Wiederholung ihrer Aussage bezüglich vermeintlicher afghanischer Straftäter könnte für Kaiser ein juristisches Nachspiel haben. Zwei Juristen merkten gegenüber der taz an, dass eine bereits bestrafte volksverhetzende Aussage bei Wiederholung erneut rechtlich überprüft werden muss. Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Eltern hatten im Vorfeld vor solchen Verhetzungen auf der Schulbühne gewarnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Errichtung eines faschistischen Regimes ist die Verbesserung des Images des Faschismus. Hierzu ist es natürlich hilfreich, aus dem Faschisten und Nationalisten Hitler einen Kommunisten oder jedenfalls einen Linken zu machen. Das wird seit Jahrzehnten von rechtsradikalen Agitatoren versucht. In den USA ist die rechte Propagandistin Candace Owens ein aktuelles Beispiel, hierzulande halten halt andere diese Fahne hoch.

  • Die AfD ist keine reine Männerkrankheit.



    Und Volksverhetzung gehört angeklagt.

  • Sie will einfach lügen, weil die Partei das als ihr effektivstes Mittel zur Machtergreifung erkannt hat. Frei nach Gauland platzieren sie Alternative Fakten (sic!) gemäß der Erwartungshaltung ihrer Fangruppen, warten dann auf die hilflose Empörungswelle ihrer Gegner und verunsichern die zuschauende Mehrheit der Wahlberechtigten Mitmenschen anschließend durch eine klare Unklärung des Gesagten. Im Endeffekt werden die Alternativlinge dadurch zwar nicht unbedingt glaubwürdiger, aber die Glaubwürdigkeit der gegnerischen Argumente leidet leider in der breiten öffentlichen Wahrnehmung fast immer auch. Damit hat die Truppe ihr Ziel erreicht, nicht weniger wählbar zu sein, als der Rest des politischen Spektrums. Mehr Zuspruch brauchen sie nicht um zu gewinnen.

  • Also: Hat sie jetzt die Aussage wiederholt? Wenn ja, wurde deshalb nun von jemandem Anzeige erstattet oder ist die Wiederholung der Aussage nur eine Interpretation, die sich aus dem Verweis auf den früheren Post und die damit verbundene Erklärung ergibt?



    Beides sind zwei verschiedene Dinge. Natürlich wird sie versuchen, ihre Position zu rechtfertigen, das ist aber an sich (wahrscheinlich) noch keine Wiederholung. Eine solche wäre es, wenn man sie gefragt hätte, ob sie auch heute noch zu der Aussage stehe und sie dies bejaht und wiederholt. Ob der Post durch die Verurteilung zu löschen sei, könnte dabei auch geprüft werden, denn, wenn er noch online ist, könnte sie auch hier gegen die Folgen des Urteils verstoßen haben.