AfD-Fraktion besetzt Ausschüsse: Extremist im Verteidigungsausschuss

Die AfD schickt einen als rechtsextrem Eingestuften in den Verteidigungsausschuss. Dort hat Hannes Gnauck Einblick in sensible Vorgänge.

Junger AfD-Abgeordneter mit öligem Fassonschnitt

Darf trotz strammer Frisur nur noch in der Freizeit stramm stehen: Gnauck, extrem rechter AfDler Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck durfte während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr zuletzt keine Uniform mehr tragen oder auch nur Kasernen betreten. Der Grund dafür: Der Militärgeheimdienst MAD stufte den Soldaten wegen Kontakten zu extrem rechten Organisationen als „erkannten Extremisten“ ein – mit der höchste Stufe auf dem Ampelwarnsystem: „Rot“.

Die AfD-Fraktion hat sich nun dafür entschieden, den 30-jährigen Brandenburger in den Verteidigungsausschuss zu schicken. Dort erhält der extrem rechte Politiker Einblick in sensible Hintergrund-Informationen – um Rechtsextreme in Diensten der Bundeswehr dürfte es auch gehen. In Vergangenheit hetzte Gnauck als „Botschafter“ der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ offen gegen Asylbewerber, sprach in Debatten von einer „gesellschaftszersetzenden Asylmaschinerie“ und fantasierte eine „höllische Symbiose aus Wirtschaftseliten, radikaler Linker und Erfüllungsgehilfen der Migrationslobby“ herbei.

Empörung im restlichen Parlament ließ nicht lange nach Bekanntwerden der Personalie auf sich warten: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Verteidigungspolitikerin der FDP, sagte: „Dass die AfD-Fraktion einen Abgeordneten in den Verteidigungsausschuss schickt, den der MAD als Extremist einstuft, verhöhnt nicht nur das Parlament, sondern vor allem die Soldatinnen und Soldaten, denn er bekommt dadurch Zugang zu geheimen und sensiblen Akten, in denen es um ihre Sicherheit geht.“ Zugleich erinnerte sie Gnauck daran, dass er sich bei Geheimnisverrat strafbar mache.

Aber auch weitere Überraschungen hielt die AfD bei der bisher bekannten Auswahl ihrer Personalien bereit: Martin Sichert wird Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit. Aufmerksamkeit hatte der 41-Jährige zuletzt erlangt, als er Desinformationen über die Coronaschutzimpfungen von der Bundestagstribüne aus verbreitete. Auf der Tribüne musste er sitzen, weil er sich weigerte, sich testen zu lassen.

Ausschuss-Vorsitze sind noch offen

Ansonsten ist Martin Sichert großer Fan vom Wehrmachtsgeneral Erwin Rommel, äußerte sich in Vergangenheit rassistisch und verharmloste die Kriegsverbrechen der Nazis. Die AfD wird den für die Pandemiebekämpfung wichtigen Gesundheitsausschuss in dieser Legislatur leiten, eine Entscheidung über den Vorsitz des Ausschusses gab es am Freitag allerdings noch nicht.

Die Wahl des Vorsitz des Innenausschusses hat die AfD ebenfalls auf kommenden Dienstag verschoben. Dass die AfD in diesem sensiblen Bereich den Vorsitz bekommt, haben in erster Linie die Grünen verbockt. Diese hatten sich diese Woche im Vergabeverfahren nach Fraktionsstärke für den weit weniger sensiblen Europa-Ausschuss entschieden und der AfD so den Innenausschuss überlassen.

In ihrer Fraktionssitzung am Freitag hat die AfD weitere Vorsitzende von Arbeitsgruppen und fachpolitische Sprecher ernannt:

Petition: Johannes Huber

Inneres: Gottfried Curio

Außen: Petr Bystron

Recht: Thomas Seitz

Haushalt: Peter Boehringer

Agrar: Stephan Protschka

Familie: Martin Reichardt

Verkehr: Dirk Spaniel

Menschenrechte: Jürgen Braun

Entwicklung: Markus Frohnmaier

Tourismus: Sebastian Münzenmeier

Europa: Harald Weyel

Kultur: Marc Jongen.

Verteidigung: Rüdiger Lucassen

Sport: Jörn König

Den Europaausschuss soll nun der Grüne Anton Hofreiter leiten, nachdem dieser bei den Ministerposten leer ausgegangen war. Als möglicher AfD-Vorsitzender hier wird Gottfried Curio gehandelt, der sich vergangene Legislatur mit islamophober Hetze einen Namen machte und in Reden NS-Begriffe verwendete. Er leitet auch künftig die Arbeitsgruppe Innenpolitik.

In den Ausschüssen findet ein wichtiger Teil der parlamentarischen Arbeit statt. Dort arbeiten die Abgeordneten zumeist nichtöffentlich an Gesetzen, gelegentlich gibt es dort auch öffentliche Anhörungen; Regierung und Opposition arbeiten dort im Idealfall konstruktiv und bürsten Gesetze auch gegen den Strich. Schwierig ist das, wenn dort mit der AfD eine Partei (vor-)sitzt, die systematisch versucht, die parlamentarische Demokratie zu unterhöhlen.

Die Ausschussvorsitzenden sind für die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Sitzungen verantwortlich. Sie legen in der Regel Termine und Tagesordnung fest und erteilen in den Sitzungen das Wort – nach der Geschäftsordnung sollen dabei alle Ausschussmitglieder gemäß ihrer Fraktionsstärke zu Wort kommen. Externe Teilnehmer im Ausschuss, wie etwa Sachverständige zu Rechtsextremismus, unterstehen während der Sitzung der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. Wenn der ordnungsgemäße Ablauf nicht mehr gewährleistet ist, kann der Vorsitzende die Sitzung unterbrechen oder „im Einvernehmen mit den Fraktionen im Ausschuss beenden.“

Vergangene Legislatur wurde der völkische AfD-Abgeordnete Stephan Brandner als Vorsitzender des Haushaltsausschusses abgewählt, nachdem er sich wiederholt rassistisch geäußert hatte – ein Novum in der Bundestagsgeschichte.

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