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AfD-Bundesparteitag auf der KippeStadt Essen kündigt der AfD

Eigentlich will die AfD Ende des Monats in Essen ihren Parteitag durchführen. Doch die Stadt hat den Vertrag nun fristlos gekündigt.

Die Grugahalle im Essener Stadtteil Rüttenscheid Foto: dpa

Berlin taz | Zwei Tage lang will die AfD Ende des Monats in Essen zusammenkommen und dort ihren Bundesvorstand neu wählen. So zumindest war bis jetzt die Planung der extrem rechten Partei. Doch ob der Bundesparteitag stattfinden kann, ist seit Donnerstagabend offen. Die Stadt Essen hat den Mietvertrag für die Grugahalle gekündigt. „Die Kündigung des Vertrags ist in diesen Minuten erfolgt“, teilte eine Sprecherin der Stadt am Donnerstagabend der taz mit.

Zuvor hatte die Stadt von der AfD eine Selbstverpflichtung verlangt, dass während des Parteitags keine strafbaren NS-Äußerungen wie die SA-Parole „Alles für Deutschland“ verwendet werden. Bei Verstößen sollten 500.000 Euro Strafgeld drohen. Für die Abgabe der Erklärung hatte die Stadt der AfD eine Frist gesetzt, andernfalls sollte der Mietvertrag „unverzüglich außerordentlich fristlos“ gekündigt werden. So hatte es zuvor Essens Stadtrat beschlossen. Eingebracht hatte den Antrag Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU).

Die AfD kritisierte dies umgehend als „rechtswidrig“, stellte nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen Kufen und schaltete die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Kommunalaufsicht ein. Der Forderung der Stadt kam sie nicht nach. Inzwischen hat die AfD angekündigt, gerichtlich gegen die Kündigung vorzugehen. „Natürlich werden wir klagen. Und zwar volles Programm. Es wurden bereits alle notwendigen Schritte eingeleitet“, sagte Parteichef Tino Chrupalla der Bild. Die Stadtsprecherin betonte, seitens der Bezirksregierung habe es „keine Beanstandung“ gegeben.

Die Stadt Essen und die Messegesellschaft suchen seit Monaten nach Möglichkeiten, wie sie den Bundesparteitag der AfD Ende Juni in der Grugahalle noch verhindern können – der Vertrag wurde im Januar 2023 geschlossen. Grundsätzlich haben politische Parteien einen Anspruch auf Nutzung kommunaler Räume wie der Grugahalle in Essen. Diesen gebe es nicht, so argumentiert die Stadt, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass es bei der Nutzung zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten kommt.

Die Stadt verweist nun auf die zunehmende Radikalisierung der AfD und „die gehäufte Begehung von Äußerungsdelikten“. Als Beleg dafür dient der Thüringer Parteichef Björn Höcke. Dieser habe bereits im Mai 2014 „die Rückeroberung der Meinungsfreiheit“ als Ziel formuliert und in jüngster Zeit die verbotene SA-Parole nicht nur selbst verwendet, sondern andere Menschen animiert, dies in der Öffentlichkeit ebenfalls zu tun. Das Landgericht Halle hat Höcke wegen der Verwendung inzwischen zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt.

Die AfD hatte bereits 2015 einen Bundesparteitag in der Grugahalle in Essen abgehalten. Damals hatte die Partei ihren Mitbegründer Bernd Lucke abserviert und damit ihre erste Radikalisierungsphase beendet. Frauke Petry und Jörg Meuthen übernahmen gemeinsam die Parteiführung, auch sie sind inzwischen Geschichte. Gegen den Parteitag Ende Juni haben zahlreiche Organisationen Widerstand angekündigt. Die Polizei rechnet bislang mit mehreren Zehntausend Teil­neh­me­r*in­nen bei den Gegendemonstrationen – es wären die größten Proteste in der Stadt seit langer Zeit.

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14 Kommentare

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  • An all die Pessimist*innen hier (oder misinterpretiere ich wieder was?) -- die AfD hätte ja die Selbstverpflichtung unterschreiben können: die haben doch nichts Illegales auf dem Parteitag vor?

    Es ist doch die Pflicht der Stadt, dafür Sorge zu tragen, dass alles mit rechten Dingen zugeht...

    Das wird das Gericht doch hoffentlich nachvollziehen können.

  • Geht vors Gericht und die AfD wird das Verfahren gewinnen. Die Nutzung des öffentlichen Raums steht der AfD genauso zu wie jeder anderen Partei.

    Das Problem sind evtl. nicht unbedingt die Auflagen, sondern die Höhe des Bußgeldes. Zumal es dem Veranstalter kaum möglich sein dürfte, die Auflage durchsetzen zu können, wenn man mal unterstellt, dass der generelle Wille besteht, diese einzuhalten.

    • @insLot:

      "Die Nutzung des öffentlichen Raums steht der AfD genauso zu wie jeder anderen Partei."



      Natürlich selbst unter den Grundsätzen des ja eher zahnlosen 'Rechts'staates nicht! Einer Partei, die Straftaten im öffentlichen Raum ankündigt oder die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass sie Straftaten verüben wird, steht selbstverständlich kein öffentlicher Raum dafür zu.



      Man sollte doch meinen, dass gerade taz-Leser mitbekommen haben, wie weit Polizei und Gerichte bereit sind zu gehen, wenn Straftaten von Linken auch nur im entferntesten zu erwarten sind.

      • @Tiene Wiecherts:

        Hier bei uns in der Gegend hat die AfD gerade erfolgreich die Nutzung von gemeindlichen Veranstaltungsräumen eingeklagt.

  • habe bei dem Vorfall verschiedene Empfindungen - "das ist die Quituung für Höcke, der ganz gezielt am braunen Rand fischt, sehr schön!"



    ist die eine. In Sachen Rechtsstaatlichkeit, Grundgesetz und Demokratie (Gleichbehandlung aller Parteien) erscheint mir das eher wie ein rechtliches Konstrukt.



    Mit solchen Aktionen macht man sich selbst keinen Gefallen, wenn man umkehrt "Mehr Demokratie" proklamieren möchte, selbst aber eben nicht alle Parteien gleichbehandelt und damit gegen die fundamentalen Grundsätze einer Denokratie verstößt. Das muss doch anders und besser gehen.

    • @Werner2:

      Man kann nur gleiches gleich behandeln und da unterscheidet sich eine Partei, die ständig strafbare Inhalte verbreitet eben von solchen, die das nicht tun.



      Würde der hier konstruierte, oberflächlige Gleichbehandungsgrundsatz gelten, gäbe es auch kein Partei-Verbotsverfahren oder vom Verfassungsgericht vorgeschlagene Einschränkungen der Zahlungen an die NPD.



      Oder glaubst Du, das Verfassungsgericht kennt sich mit dem Thema Gleichbehandlung einfach nicht so richtig aus?

  • Ich bin ganz sicher kein Freund der AfDummheit, aber eine nachträglich Änderung eines bestehenden Nutzungsvertrages ist rechtswidrig, und so wird es der Richter auch entscheiden. Den Triumph der AfDummheit nach dem Urteil werden sie Pressewirksam ausschlachten.

  • @DIMA

    Sie zitieren da den einen mit den Schwarzen Koffern?

    Pacta sind Servanda wenn's mir passt in die Agenda.

    So oder ähnlich hiess das Sprüchlein.

    Spass beiseite: dass die Stadt die Erklärung verlangt, nach aktuellen Entwicklungen, ist nachvollziehbar. Dass sie den Vertrag nach Nicht-Unterzeichnung kündigt ist, zumindest, verteidigbar.

    Schliesslich nimmt sich die Polizei auch heraus, eine ganze Demo zusammenzustreichen, wenn "aus der Demo heraus strafbare Handlungen zu erwarten sind".

    Sollen sie doch auf einer Wiese tagen -- das Wetter verspricht besser zu werden.

  • Damit wird die Stadt nicht durchkommen, leider.



    Der Ansatz ist zu konstruiert.

  • Glaube kaum, dass die Stadt Essen hier Recht bekommen wird.

  • Good for you. Danke und Lob an Herrn Kufen.

    Das Chrupalla eine Plattform in der "BILD" erhält... passt.

  • Die Stadt schließt einen Mietvertrag und willmachträglich Änderungen? pacta sind servanda. Hier handelt die Stadt offenkundig rechtswidrig. Man will den Bürgern Aktionismus vorgaukeln und wird vor Gericht verlieren. Das Strafgeld zahlt am Ende die Stadt in Form von Gerichtskosten.

    • @DiMa:

      Schon mal was von Wegfall der Geschäftsgrundlage gehört? Die AfD vom Januar 2023 ist nicht die AfD von heute.

    • @DiMa:

      Die AFD hat uns erst nach Abschluss des Mietvertrags an ihrer (sicher schon vorher vorhandenen) Liebe zu verbotenen SA-Parolen teilhaben lassen. Deshalb hat sie den Grund für die späte Kündigung selbst geschaffen.



      Aber klar. Es kann immer noch so kommen, wie sie sagen. Trotzdem macht die Stadt Essen hier das Richtige.