AfD Berlin und Verfassungsschutz: Hand in Hand mit dem Geheimdienst
Die AfD Berlin attackiert Innensenator Geisel nach einem geleaktem Verfassungsschutzbericht. Das zeigt, wie unbrauchbar der Geheimdienst ist.
D iese Woche hat sich gezeigt, warum mit dem Berliner Verfassungsschutz (VS) kein Demokratieschutz zu machen ist: Offenbar haben Beamt:innen des VS, die eigentlich für die Beobachtung von Rechtsextremismus zuständig sein sollen, einem ihrer Beobachtungsobjekte, der kontinuierlich nach rechts driftenden Berliner AfD, einen vertraulichen Berichtsentwurf zugesteckt.
Das auch der taz vorliegende 43-seitige Dokument liest sich in Teilen wie ein Gefälligkeitsgutachten. Trotz in dem Entwurf dokumentierter menschenfeindlicher Aussagen von AfD-Accounts in den sozialen Medien sowie der Verbreitung von rechtsextremer Ideologie sei die AfD Berlin in der Summe nicht verfassungsfeindlich, heißt es in dem Papier. Verbindungen in die extreme Rechte wurden ignoriert.
Entsprechend hat die AfD die ihr angenehmen Passagen des Dokuments instrumentalisiert und damit den Innensenator Andreas Geisel (SPD) scharf attackiert. Er habe versucht, Einfluss auf den VS auszuüben, um die AfD zu einem Verdachtsfall für den Geheimdienst zu erklären. Sogar einen Missbilligungsantrag gegen Geisel will die AfD nun im Abgeordnetenhaus stellen.
Die Innenverwaltung weist die Vorwürfe zurück. Weder Innensenator noch Staatssekretär hätten Kenntnis von dem Entwurf gehabt. Zudem sei der Zwischenbericht des Rechtsextremismus-Referats nicht abgestimmt, andere Abteilungen hätten methodische Mängel festgestellt, Erkenntnisse des Bundes-VS fehlten. Geisel hat mittlerweile Anzeige wegen Geheimnisverrats gegen Unbekannt erstattet und personelle Konsequenzen gezogen – der Referatsleiter der für Rechtsextremismus zuständigen Abteilung ist seit Freitag freigestellt.
Verfassungsschutz hilft nicht bei Demokratieschutz
Der Angriff der AfD ist dabei eher als verzweifelte Abwehraktion zu werten. Hintergrund ist die laut Sicherheitskreisen unmittelbar bevorstehende Einordnung der bundesweiten AfD von einem rechtsextremen Prüffall zu einem Verdachtsfall. Tritt das ein, darf der Verfassungsschutz geheimdienstliche Mittel anwenden, etwa V-Personen anwerben oder Observationen durchführen. Für Beamt:innen dürfte dann die aktive Mitgliedschaft in der AfD ein Problem sein.
Der Fall zeigt einmal mehr, dass der Verfassungsschutz der Bekämpfung von Rechtsextremismus oft eher im Weg steht. Vielen für Rechtsextremismus verantwortlichen Beamt:innen bei dem Geheimdienst ist nicht zu trauen. Und der Einsatz von V-Personen in der AfD würde wohl nach hinten losgehen, weil am Ende nachrichtendienstliche Informationen an die Partei fließen würden. Die gesellschaftliche Ausgrenzung der AfD sowie die Beobachtung durch antifaschistische Recherche-Kollektive und Journalist:innen haben mehr für den Demokratieschutz getan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin