AfD-Affäre beim Verfassungsschutz Berlin: Referatsleiter abgesetzt
Innensenator Geisel stellt einen Verfassungsschützer frei, nachdem ein Geheimbericht an die AfD gelangt ist. Die nutzt das Dokument zum Angriff.
Berlin taz | Die Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD) hat den Referatsleiter der Rechtsextremismus-Abteilung des Berliner Verfassungsschutzes von seiner Aufgabe freigestellt. Senator Geisel zieht damit Konsequenzen aus einem vom Geheimdienst zur AfD Berlin durchgestochenen Zwischenbericht. In dem vertraulichen Bericht geht es um die AfD selbst, die derzeit rechtsextremistischer Prüffall des Verfassungsschutzes ist.
Das auch der taz vorliegende 43-seitige Papier attestiert der rechten Partei, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unternehmen – mit einer erstaunlichen Argumentation. Es kehrt dabei rassistische und rechtsextreme Äußerungen von AfDler:innen unter den Teppich und verschweigt zugleich Verbindungen in die extreme Rechte.
Wegen des geleakten Dokuments hat die Innenverwaltung nun Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und laut einem Tweet „erste technische Sicherungsmaßnahmen innerhalb der Abteilung II veranlasst“. „Aus Fürsorgegründen“ sei der zuständige Referatsleiter bis auf weiteres „von seiner Dienstverpflichtung freigestellt“. Der Sprecher der Innenbehörde, Martin Pallgen, bestätigte der taz auf Rückfrage, dass nun technische Geräte wie Scanner, Drucker und Computer ausgewertet würden, um festzustellen, wer den als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Bericht an die AfD weitergegeben hätte.
Der Abteilungsleiter des Rechtsextremismus-Referats des Verfassungsschutzes genießt bei Beobachter:innen den zweifelhaften Ruf, ein Beamter vom Kaliber Hans-Georg Maaßens zu sein. Der ehemalige Bundesverfassungschutzchef wurde rausgeschmissen, nachdem er rechte Verschwörungserzählungen verbreitet hatte. Mittlerweile engagiert sich das CDU-Mitglied Maaßen in der so genannten Werteunion der Partei, die in Tonalität häufig schwer von der AfD zu unterscheiden ist.
Ob der Referatsleiter jedoch derjenige ist, der das Papier an die AfD weitergegeben hat, ist unklar. Laut dem geleakten Bericht selbst waren neun Beamte an der Erstellung beteiligt.
Einstufung der AfD zum Verdachtsfall steht wohl bevor
Die AfD instrumentalisierte den Bericht, um Geisel politische Einflussnahme auf ein mögliches Prüfergebnis vorzuwerfen. Die Innenverwaltung wiederum nannte das eine Lüge und betonte, den „Entwurf“ nicht einmal zu kennen.
Andere Abteilungen des Verfassungsschutzes haben laut Innenverwaltung den Bericht zudem als methodisch fragwürdig eingestuft. Er sei ein nicht mit anderen Abteilungen des Verfassungsschutzes abgestimmter Entwurf. Die Prüfung der AfD sei noch nicht abgeschlossen.
Laut Sicherheitskreisen steht eine bundesweite Einstufung der AfD von Prüf- zu Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz unmittelbar bevor. Somit wären nachrichtendienstliche Mittel wie Observationen und der Einsatz von V-Leuten möglich.
Berichtigung: In einer ersten Fassung hatten wir geschrieben, dass der Referatsleiter entlassen wurde. Er wurde aber bisher lediglich freigestellt.
Leser*innenkommentare
Urs Goldberg
---"Der ehemalige Bundesverfassungschutzchef wurde rausgeschmissen, nachdem er rechte Verschwörungserzählungen verbreitet hatte. "----
Irgendwie scheine ich in einer anderen Republik zu leben als der Autor.
Nach meiner Erinnerung wurde Maaßen doch rausgeworfen, weil er die Lüge der Kanzlerin zu "vorliegendem Videomaterial von Menschenjagden in Cheminitz" nicht bestätigen wollte, da ihm solche Informationen nicht vorlägen.
Maaßen hatte bis dahin als korrekter Beamter gegolten, an dessen Verhalten es bisher keinen Grund zu Zweifeln bezüglich der Loyalität zum Rechtsstaat gab.
Kommentar gekürzt. Bitte vermeiden Sie Behauptungen, die bereits widerlegt wurden.
Die Moderation
90564 (Profil gelöscht)
Gast
@Urs Goldberg sie scheinen in einer parallelwelt zu leben, die hetzjagden in chemnitz (plural!) sind belegt
diba71
@Urs Goldberg Also soweit ich mich erinnern kann, wllte Hr.Maaßen einge Sachen durchsetzen ohne Rücksicht auf Menschlichkeit und Verfassung, wobei darauf der Rausschmiss folgte.7
Urs Goldberg
@diba71 Leider kann ich meine Antwort an Sie nicht sehen.
Um es kurz zu machen, was wollte Herr Maaßen "ohne Rücksicht auf Menschlichkeit und Verfassung" durchsetzen? Eine Behauptung ist kein Argument, auch wenn diese auf Ihrer Erinnerung beruht. Herr Maaßen war ja auch nicht in einem politischen Amt, in dem er irgendetwas "durchsetzen" hätte können. Eine Verfehlung in seiner Beamtenpflicht konnte im nicht nachgewiesen werden.
Wenn Sie mehr wissen, dann sollten Sie Quellen nennen.
;-)
Jodok
Leute, tut mir den Gefallen und vereinheitlicht das Genderzeichen. Mal ist ein *, dann wie hier ein :, _ habe ich in der Taz auch schon gesehen. Es macht mir, der Texte wortweise liest, die Sache sehr schwer, ich habe dann meist keine Lust mehr einen Text zu Ende zu lesen.
Gustav Hoch
Gerade wenn die Exekutive, hier Innensenatot Geisel, SPD, selbst Partei ist MUSS sie sich zurückhalten und Distanz wahren. Es ist die Stunde der Fachebene. Den Referatsleiter zu entfernen, weil der Inhalt nicht passt schadet der Demokratie. Und die Behauptung, der Leiter des Amres und der Innensdenator hätten "nie nichts" gewusst und erst recht nicht Einfluss genommen, das hören wir auch in anderen Fällen täglich.
Torsten Pauleit
@Gustav Hoch ....weil der Inhalt nicht passt schadet der Demokratie....
Bitte den Artikel noch mal durchlesen. Berichte, die die AFD verharmlosen müssen (!) korrigiert werden.
Martin Drees
@Gustav Hoch Sehr geehrter Herr Hoch,
wenn ich den Text richtig lese, wurde der Refratsleiter nicht entfernt, weil "der Inhalt nicht passt", sondern weil der als "Verschlusssache" eingestufte Bericht nach außen gegeben wurde. Ihre Argumentation hingegen folgt der AFD.
joba0753
@Gustav Hoch Wenn ein Entwurf durchgestochen wird, dann ist das höchst brisant. Zumal der Entwurf kassiert werden muss, weil er entschiedene fachliche / qulalitative Mängel hat. Herr Geisel ist nicht Partei, sondern verantwortet das Ganze. Entscheidung war also richtig, vermutliche Parteigänger der AfD zu entfernen und eine intensive Untersuchung einzuleiten. Höchte Zeit die AfD zu beobachten, ehe sie weitere Behörden infiltrieren kann.