AfD-Affäre beim Verfassungsschutz Berlin: Referatsleiter abgesetzt
Innensenator Geisel stellt einen Verfassungsschützer frei, nachdem ein Geheimbericht an die AfD gelangt ist. Die nutzt das Dokument zum Angriff.
Das auch der taz vorliegende 43-seitige Papier attestiert der rechten Partei, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unternehmen – mit einer erstaunlichen Argumentation. Es kehrt dabei rassistische und rechtsextreme Äußerungen von AfDler:innen unter den Teppich und verschweigt zugleich Verbindungen in die extreme Rechte.
Wegen des geleakten Dokuments hat die Innenverwaltung nun Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und laut einem Tweet „erste technische Sicherungsmaßnahmen innerhalb der Abteilung II veranlasst“. „Aus Fürsorgegründen“ sei der zuständige Referatsleiter bis auf weiteres „von seiner Dienstverpflichtung freigestellt“. Der Sprecher der Innenbehörde, Martin Pallgen, bestätigte der taz auf Rückfrage, dass nun technische Geräte wie Scanner, Drucker und Computer ausgewertet würden, um festzustellen, wer den als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Bericht an die AfD weitergegeben hätte.
Der Abteilungsleiter des Rechtsextremismus-Referats des Verfassungsschutzes genießt bei Beobachter:innen den zweifelhaften Ruf, ein Beamter vom Kaliber Hans-Georg Maaßens zu sein. Der ehemalige Bundesverfassungschutzchef wurde rausgeschmissen, nachdem er rechte Verschwörungserzählungen verbreitet hatte. Mittlerweile engagiert sich das CDU-Mitglied Maaßen in der so genannten Werteunion der Partei, die in Tonalität häufig schwer von der AfD zu unterscheiden ist.
Ob der Referatsleiter jedoch derjenige ist, der das Papier an die AfD weitergegeben hat, ist unklar. Laut dem geleakten Bericht selbst waren neun Beamte an der Erstellung beteiligt.
Einstufung der AfD zum Verdachtsfall steht wohl bevor
Die AfD instrumentalisierte den Bericht, um Geisel politische Einflussnahme auf ein mögliches Prüfergebnis vorzuwerfen. Die Innenverwaltung wiederum nannte das eine Lüge und betonte, den „Entwurf“ nicht einmal zu kennen.
Andere Abteilungen des Verfassungsschutzes haben laut Innenverwaltung den Bericht zudem als methodisch fragwürdig eingestuft. Er sei ein nicht mit anderen Abteilungen des Verfassungsschutzes abgestimmter Entwurf. Die Prüfung der AfD sei noch nicht abgeschlossen.
Laut Sicherheitskreisen steht eine bundesweite Einstufung der AfD von Prüf- zu Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz unmittelbar bevor. Somit wären nachrichtendienstliche Mittel wie Observationen und der Einsatz von V-Leuten möglich.
Berichtigung: In einer ersten Fassung hatten wir geschrieben, dass der Referatsleiter entlassen wurde. Er wurde aber bisher lediglich freigestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!