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AfD-Abgeordnete in RusslandReiserücktritt bei der AfD

Drei AfD-Abgeordnete machten sich gen Ostukraine auf, nun brechen sie ihre Reise offenbar ab. Die Aktion sorgte auch parteiintern für viel Ärger.

Fährt nun wohl doch nicht ins Kriegsgebiet: Christian Blex (AfD) Foto: Soeren Stache/dpa

BERLIN taz | Von den großspurigen Ansagen der drei AfD-Abgeordneten, die sie bei der Ankündigung ihrer Reise in die von Russland besetzten Gebiete im Donbass machten, ist am Ende wenig übrig. In einer der taz vorliegenden Mail kriecht einer von ihnen, der NRW-Landtagsabgeordnete Christian Blex, zu Kreuze: „Sehr geehrter Bundesvorstand, da ich als einziger Abgeordneter aktuell Internetzugang habe, möchte ich Ihnen den gemeinsamen Beschluss von uns dreien mitteilen, dass wir nicht mehr weiter in den Donbass reisen.“

Die Mail verschickt Blex am Dienstagabend, nachdem es nicht nur viel öffentliche Kritik gab, sondern die nicht abgesprochene Reise auch innerhalb der AfD für Ärger sorgte. Nähere Details zum Abbruch der Reise waren am Mittwochmorgen noch nicht zu erfahren. Ob die Russlandreise komplett ausfallen wird oder nur die in die Ostukraine, blieb offen. Die Partei äußerte sich auf Anfrage der taz zunächst nicht weiter dazu.

Zusammen mit den Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und Thomas Wald aus Sachsen-Anhalt hatte Blex am Montag angekündigt, über Russland in den Donbass reisen zu wollen – und das gewohnt russlandfreundlich mit Schelte an westlichen Medien verbunden.

Die Reise kam für den Bundesvorstand sowie den Landesvorstand Nordrhein-Westfalen komplett überraschend. Der Bundesvorstand um die Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel forderte Aufklärung über die Reise und ging auf Abstand. „Wir unterstützen diese Reise nicht“, sagte Chrupalla. Die Landtagsfraktion NRW missbilligte die Reise gar, verlangte deren sofortigen Abbruch und behielt sich disziplinarische Folgen für Blex vor. Allein die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt scheint die Kritik bislang wenig zu kratzen: Sie soll sogar die Flüge gezahlt haben, wie sie der Welt gegenüber bestätigte.

Höcke-Vertraute auf Tour

Bei der Reisegruppe handelt es sich um Vertraute vom Rechtsextremisten Björn Höcke. Noch vergangenes Wochenende feierten Tillschneider, Wald und Höcke gemeinsam ein von der AfD Saalfeld in Schnellroda ausgerichtetes geschichtsrevisionistisches „Preußenfest“ – gut möglich, dass Thüringen-Chef Höcke in die Reisepläne eingeweiht war.

Die nicht abgesprochene Reise zeigt erneut, dass die Autorität von Chrupalla und Weidel von der völkischen Strömung untergraben wird. Das Höcke-treue Bundesvorstandsmitglied Christina Baum bezeichnete die Angelegenheit beim ZDF dann auch als „aufgebauscht“: „Ich verstehe die Aufregung um die Reise nicht.“

Russland hätte die AfD-Abgeordneten wohl gerne noch ausgiebiger für Propagandazwecke eingespannt. Zum Zeitpunkt der Reise passt, dass am Dienstag kurzfristige „Referenden“ über den Anschluss an Russland angekündigt wurden. Es wäre nicht das erste Mal, dass AfD-Politiker sich zu Putins Propaganda-Gehilfen machen – in der Vergangenheit reisten mehrfach Abgeordnete der extrem rechten Partei als Pseudowahlhelfer nach Russland, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme sogar auf die annektierte Krim.

Auch die Partei-Chefs Chrupalla und Weidel ließen sich bereits in Moskau hofieren und fordern jetzt die Öffnung von Nord Stream 2 und die Aufhebung von Sanktionen. Am Dienstagabend durfte Weidel in der ARD-Talkshow „Maischberger“ behaupten, dass Putin kein Diktator und Massenmörder sei. Es ist nicht das erste Mal, dass AfDle­r*in­nen sich an der Verbreitung von russischen Desinformationen beteiligen.

„Sie können das Dolchstoß nennen“

Besonders schlecht kam die angekündigte Donbass-Reise in Niedersachsen an, wo am 9. Oktober Landtagswahl ist. Der niedersächsische Landes-Vize Ansgar Schledde sagte, er sei fassungslos und nannte die Reise „parteischädigend“: „Sie können das Dolchstoß nennen oder Sabotage. Das schadet uns in Niedersachsen und ich glaube, dass die das bewusst in Kauf nehmen.“ Ähnlich regte man sich Schleswig-Holstein auf, als Höcke kurz vor der Wahl mal wieder seine mögliche Kandidatur für den Bundesvorstand ins Spiel brachte – und die AfD aus dem Landtag flog.

Ganz ahnungslos waren übrigens nicht alle in der Bundestagsfraktion. Zumindest ein Bundestagsabgeordneter der AfD wusste im Vorfeld offenbar von Reiseabsichten von AfD-Politikern: Stefan Keuter, Mitglied des Arbeitskreises der AfD für Außenpolitik.

Auf taz-Anfrage bestätigte Keuter, dass ihn bereits „vor Wochen von russischer Seite die Information erreicht“ habe, „dass eine Gruppe von Politikern meiner Partei darum gebeten hatte“ ins Gebiet Donetsk zu reisen. Laut Keuter sei als Reisezeitraum da noch der Oktober geplant gewesen. Als Keuter davon gehört habe, wollte er intervenieren, wie er sagt. „Ich hatte daraufhin einen Parteifreund, der an der Reise teilnehmen wollte, angerufen und ihm aus verschiedenen Gründen dringend von der Reise abgeraten“, so Keuter. Ebenso habe er „der russischen Seite“ seine Einschätzungen zur Reise mitgeteilt.

Keuter habe gedacht, dass sich die Reise damit erübrigt hätte. Den Fraktionsvorstand habe er deswegen über die Reise nicht informiert, so der Bundestagsabgeordnete. Er bekomme jede Woche ähnlich gelagerte Anfragen und habe keine Pferde scheu machen wollen. Umso erstaunter sei er gewesen, als er am Montag die Information erhalten habe, „dass 3 MdLs die Reise angetreten hatten“, so Keuter. Dass die Reise abgebrochen worden sei, halte er für richtig mit Blick auf die aktuelle Eskalation.

Keuter ist selbst zuletzt 2021 als vermeintlicher „Wahlbeobachter“ nach Russland gereist, ebenso war er 2020 schon mit einer AfD-Delegation unter anderem mit Andreas Kalbitz nach Bergkarabach gereist. Und sogar noch nach Kriegsbeginn schaltete sich Keuter dieses Jahr per Videochat einer russischen Konferenz zu, auf der er die deutsche Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine als „Propaganda“ bezeichnete und sich gegen Sanktionen aussprach.

Hinweis: Der Text wurde aktualisiert.

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