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Ärzteschaft in DeutschlandDie Götter in Weiß und ihre Lobby

Warum gibt es eigentlich so wenig Kritik an Ärztelobbys? Zwei Beispiele, die zu denken geben.

Kasse oder privat? Warten auf Behandlung Foto: Robert Kneschke/picture alliance

Berlin taz | Lobbyvertreter der Ärzteschaft stoßen in den Medien selten auf Widerspruch, wenn sie vermeintliche Missstände anprangern. Das Bild der „Götter in Weiß“ scheint doch sehr wirkmächtig zu sein. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit war die Forderung nach Ausfallhonoraren, wenn Termine von Patientinnen und Patienten nicht wahrgenommen werden.

Es sei mehr als ärgerlich, wenn Patienten Termine einfach verstreichen lassen würden, kritisierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Mitte September. Deren Termine würden dann für andere nicht mehr zur Verfügung stehen. Der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen forderte dann recht medienwirksam eine „von den Kassen zu entrichtende Ausfallgebühr“.

Was dabei in den Hintergrund rückte: Auf welcher dünnen Basis diese Forderung entstand. Bezug genommen wird dabei auf eine Umfrage der Organisation vom Sommer 2023 zu nicht abgesagten Terminen, die über acht Tage lief: 2.218 Personen nahmen teil und beantworteten zwei Fragen: „Haben Sie in Ihrer Praxis Probleme mit unabgesagten Terminen?“, was ungefähr 68 Prozent mit „Ja“ beantworteten. Bei „Falls ja, wie viel Prozent der Termine betrifft dies?“, gaben nur 16 Prozent der Antwortenden einen Bereich von 10 bis 20 Prozent aller Termine an, während eine geringe Minderheit von rund 3 Prozent behauptete, dass mehr als 20 Prozent aller Termine betroffen seien.

Wie aussagekräftig ist die Umfrage?

Dazu noch eine Kennzahl: 168.285 Ärztinnen und Ärzte mit rund 330.000 Fachangestellten waren 2023 tätig. Es ist fraglich, wie aussagekräftig solch eine Onlineumfrage sein kann.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigung ist es, sich mit den Krankenkassen auf die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen zu einigen. Sie teilt auch die Vergütungen, die von den Krankenkassen direkt an die Kassenärztliche Vereinigung gezahlt werden, je nach erbrachter Leistung auf die einzelnen Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auf. Nach eigenen Angaben kämpft sie dafür, den Arztberuf „wieder attraktiver zu gestalten“: „Keine andere Ärzteorganisation kann einen solchen unmittelbaren Einfluss auf Politik und Gesetzgebung geltend machen.“ Und das tut sie auch.

„Die Ärzteschaft versteht es, ihre eigenen Interessen so zu überhöhen, als ob diese Interessen auch im Interesse der Gesellschaft sein würden“, kritisiert Nadja Rakowitz, Sprecherin des Vereins demokratischer Ärz­t*in­nen, der sich vehement gegen die Ökonomisierung des Medizinbetriebs wendet. Ärztelobbys wie Hartmannbund oder Kassenärztliche Vereinigungen seien aber ökonomische Interessenverbände von Kleinunternehmern, weniger medizinische. Sie nutzten die Reputation ihrer Berufsgruppe aus, um ihre privaten, betriebswirtschaftlichen Interessen zu verschleiern und sie zu allgemein menschlichen zu überhöhen. Dies diene laut Rakowitz selten dem Wohl der Patient*innen.

Forderung nach Ausfallhonoraren

Auch die Forderung nach Ausfallhonoraren kann sie nicht nachvollziehen. Um einen Facharzttermin zu erhalten, müsse man monatelang warten. „Und nimmt man ihn dann wahr, hat man in der Praxis immer noch Wartezeiten von zwei Stunden oder mehr“, sagt Rakowitz. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das zu größeren Verwerfungen führt, wenn jemand dann mal nicht kommt.“

Dennoch wurde die entsprechende Pressemitteilung in den meisten Medien ohne kritische Betrachtung übernommen, genau wie eine Meldung über die gestiegene Gewalt in Arztpraxen. Das war bereits Mitte August. Auch dort war die Datenbasis dünn. Erst im Nachhinein machte die KBV eine Onlineumfrage, um diese Aussage mit Zahlen zu belegen.

Natürlich ist Gewalt gegen wen auch immer unakzeptabel. Aber die Botschaften aus der letzten Zeit, die von den einschlägigen Lobbyorganisationen gestreut wurden, prägen die Ansichten von gesellschaftlicher Realität. Es wurde der Eindruck erweckt, dass in den Arztpraxen ein wild gewordener, gewalttätiger Mob zum Alltag geworden ist. Und dass das Blaumachen ebenfalls an der Tagesordnung ist.

Keine gute Versorgung

Mögliche Ursachen dafür – sollten die Beschreibungen zutreffend sein – fehlten aber ganz. „Angesichts der Zustände wird auch die steigende Gereiztheit der Betroffenen sicherlich eine Rolle spielen“, vermutet Rakowitz. Letztlich würden Pa­ti­en­t*in­nen in ihrer Ganzheit diskreditiert: „Aber alle merken, dass keine gute medizinische Versorgung im ambulanten Bereich mehr gegeben ist.“ Dabei sind es die gesetzlich Versicherten, die etwa im Jahr 2023 mit ihren Beiträgen von rund 290 Milliarden Euro maßgeblich zur Finanzierung des Gesundheitssystems beitrugen, sich aber immer mehr als Bittsteller oder Almosenempfänger behandelt fühlen.

„Vor 30 Jahren war es noch undenkbar, dass heute etwa solch eine Ungleichheit zwischen gesetzlich und Privatversicherten besteht“, sagt die Sprecherin der demokratischen Ärzt*innen, es sei „eigentlich berufsrechtlich verboten, dass jemand früher einen Termin bekommt, weil man an ihm mehr Geld verdient“.

Heute ist es auf Apps, mit denen Termine online gebucht werden können, für jeden durch einen Selbstversuch offensichtlich, dass Privatpatienten bevorzugt werden. Es sei auch Aufgabe der Medien, die Verlautbarungen der ärztlichen Lobbygruppen kritisch zu durchleuchten, merkt Rakowitz an.

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19 Kommentare

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  • Diese unzähligen Interessenvereinigungen sind doch wohl auch ein urdeutsches Problem.



    Diese meist Verbände genannten Lobbyvereine sind eine Seuche, da deren Lautsprecher, meist Vorsitzender oder Verbandschef, sehr oft wider besseren Wissens, sehr selektive Narrative in die Welt setzen. Bei den Ärzten sind es die eigene Überhöhung mit Hilfe einer vorgegaukelten pseudo-gesellschaftlichen-Relevanz, bei der Polizei (siehe Herr Wendt, hier heisst es dann Gewerkschaft) war es oft die Notwendigkeit rechtsblinkender Law-and-Order-Politik...



    Im Volksmund nennt man das: Klappern gehört zum Handwerk...

    • @Köppen Robert:

      Das ist nur ein Teil vom Puzzle, denn:



      "Brüssel im Fokus: Wie 29.000 Lobbyisten die EU beeinflussen



      Wer redet mit, wenn in Europa Gesetze gemacht werden? Die EU hat sich für den Umgang mit Lobbyisten strenge Transparenzregeln gegeben. Ob sie ausreichen, ist aber umstritten, denn die Einflussnahme erfolgt oft diskret und es fehlt an Kontrolle."



      Bei br.de

      Antichambrier-Könige d. Pharmaindustrie.



      Und speziell aktuell zu "Lex Lilly"



      www.sueddeutsche.d...ch-scholz-e036761/

  • Telefonische Anfrage in der Facharztpraxis. Ich habe eine Überweisung. "Waren Sie schon mal bei uns?" Nein. "Tut mir leid, wir nehmen keine neuen Patienten mehr auf." Auch keine Privatpatienten? "Naaa guuut - aber erst im Dezember." !!!

    • @henryMann:

      Schon mal was von Budgets gehört? Aber DU würdest sicher gerne jedes Quartal ein paar Wöchelchen umsonst arbeiten, könnte ich mir vorstellen...

  • "Ärztelobbys wie Hartmannbund oder Kassenärztliche Vereinigungen" stimmt nicht. Das ist im Beitrag von Choronyme schon angeklungen. Die kassenärztliche Vereininigung ist keine Ärztelobby sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach §77 SGB V www.gesetze-im-int...de/sgb_5/__77.html , in der alle Ärzte , die an der Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Personen teilnehmen wollen Mitglied sein müssen. Die kassenärztlichen Vereinigungen stellen die Qualität der ärztlichen Leistungen und die flächendeckende Versorgung einschließlich Nacht - und Notdiensten sicher und garantieren andererseits den beteiligten Ärzten ein Honorar. Das war früher nicht so, deswegen hat sich der Hartmannbund als e.V. gegründet. Der Marburger Bund funktioniert bei den angestellten Ärzten als Gewerkschaft. Es wird sich immer mit allem Möglichen wichtig gemacht z.B. ist aktuell der Femzizid, die Rückführung Geflüchteter etc. en vogue. Kurzer Blick in die Bundesärzteordnung sollte als Orientierung reichen : "Der Arzt dient der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf."

  • Die Kassenärztlichen und Kassenzahnäztlichen Vereinigungen (KVen und KZVen) sind Staatsorgane und unterliegen der Aufsicht durch die Sozialministerien der Länder. Wenn dem Minister Aktionen der KVen/KZVen nicht passen, schickt der Anweisungen oder den Staatskommissar, und dann ist die sogenannte Selbstverwaltung nicht einmal mehr ein Feigenblatt. Diese rechtliche Konstruktion haben übrigens die Nazis eingeführt, um die Ärztegewerkschaften beseitigen zu können.



    Für eine gut organisierte Zahnarztpraxis wie meine, Wartezeiten 0-15 min, bedeutet ein Patient, der einen Termin ohne rechtzeitige Ankündigung (mind. 24 h vorher) nicht wahrnimmt, unmittelbar Umsatzausfall. Wie beim Ladendiebstahl müßten solche Ausfälle von den anderen Kunden/Patienten finanziell mitgetragen werden. Ich habe es immer einfacher gefunden, mich von solchen Patienten zu trennen als über Ausfallhonorar zu diskutieren.



    Die Leistung folgt dem Geld. Und wenn Privatpatienten mehr und zuverlässiger zahlen als Krankenkassen, drückt sich das bei zunehmend begrenztem Angebot an Ärzten in entsprechenden Folgen für die Terminvergabe aus. Noch mehr Druck dürfte so enden wie in GB: Mehr reine Privatpraxen.

  • Eine weitere Erzählung der Ärzteschaft: Die schlechte Honorierung!



    Am Beispiel der Knochendichtemessung: Die Knochendichtemessung ist bei vorliegender Indikation eigentlich eine Kassenleistung, wird aber zu gering vergütet. Dann wird eben die Genehmigung zur Osteodensitometrie zurückgegeben und als als besser bezahlte IGeL abgerechnet. Eigentlich müssten die Patientinnen darüber vorher aufgeklärt werden. Sonst ist es ein Verstoß gegen vertragsärztlichen Pflichten. Macht aber nichts! Dieses Verhalten wird auch von Kassenärztlichen Vereinigung gedeckt.

  • Bitte genau differenzieren:



    "Ärztelobbys wie Hartmannbund oder Kassenärztliche Vereinigungen seien aber ökonomische Interessenverbände von Kleinunternehmern, weniger medizinische."



    Da ist etwas sachlich ungerechtfertigt, denn:



    "Kassenärztliche Vereinigungen



    Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und unterstehen der Aufsicht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder (beispielsweise Gesundheits- beziehungsweise Sozialministerien der Länder)."



    Quelle:



    www.bundesgesundheitsministerium.de

  • Also die Kritik an kassenärztlichen Vereinigung als Ärtzelobby kommt hier von einem Berufsverband (Verein Demokratischer Ärzt*innen), welcher selber eine Lobbyorganisation ist. Sehr überzeugend das deren Kritik hier direkt übernommen wird. Insbesondere wenn man bedenkt das die kassenärztliche Vereinigung öffentlich rechtlich ist und ihre Mitglieder in dieser zwangsweise drin sind. Ein solcher Platzhirsch muss natürlich von kleinen Verbänden kritisiert werden. Leider ordnet die Redaktion die Kommentare der demokratischen Ärzte nicht so ein.

    • @Choronyme:

      Bei kbv.de



      "Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zuständige Aufsichtsbehörde ist das Bundesministerium für Gesundheit (Rochusstr. 1, 53123 Bonn)."



      Vielleicht kann hier auch verbal wieder abgerüstet werden, es gibt hier allenthalben gesetzliche Aufgaben und auch Rahmenbedingungen.

  • Das mit der Gereiztheit aufgrund von schlechter Versorgung kann ich zumindest teilweise nachvollziehen.

    Vor 15 Jahren bin ich in einer Arztpraxis mal am Empfang tatsächlich laut geworden weil ich mit Verdacht auf eine Thrombose und mit Schmerzen trotz Notfallüberweisung 5 Stunden gewartet habe während Allergietests an mir vorüberzogen (wusste ich weil ich zufällig zwei Bekannte traf die wegen genau sowas da waren).

    War dann so schlimm dass ich in die Klinik sollte.

    Aber 5 Stunden warten lassen und erst untersuchen wenn der Patient laut wird weil er starke Schmerzen hat und das den friedlichen Eindruck schmälert.

    Nachdem ich das bei meinem Hausarzt geschildert habe meinte der mit dem Verdacht kann man auch direkt in die Notaufnahme, war zweimal noch später der Fall. Da war es dann Gottseidank nix.

  • Hervorragender Artikel. Laut t-online wurden in Hamburg gerade die Zeiten der Notfallpraxen von der Kassenärztlichen Vereinigung eingeschränkt. Grund u. a. Personalnot.

    Im Gegensatz zu t-online benennt Antonia-Luise Ivancovic, Mitglied der Linken in Hamburg-Mitte, in ihrem einem Facebook-Video einen anderen Grund als Personalnot, die Kassenärztliche Vereinigung will keine Sozialversichungsbeiträge für ihre Ärzte zahlen, was sie aufgrund eines neuen Gerichtsurteiles müsste.

    www.facebook.com/D...s/475664654826893/

  • Ärzte machen, wie Bauern, Mieter, Handwerker Lobbyarbeit - wo ist die echte Nachricht?



    Und dass Privatpatienten, die das 2,5-fache an Honorar zahlen, bevorzugt werden, ist für mich als Kassenpatient manchmal ärgerlich, aber nachvollziehbar. Businessclasspassagiere steigen auch vor mir ein und kriegen besseres Essen, zahlen aber mindestens das Dreifache…

  • "Sie nutzten die Reputation ihrer Berufsgruppe aus, um ihre privaten, betriebswirtschaftlichen Interessen zu verschleiern und sie zu allgemein menschlichen zu überhöhen." - Wahrere Worte sind im Bezug auf das Gesundheitssystem selten gesprochen worden. Mir ist es kürzlich passiert: seit Monaten gebuchter Facharzttermin wurde kurzfristig ohne Begründung und ohne Alternativvorschlag abgesagt. Ein anderer Termin wäre über die inzwischen üblichen Portale wiederum nach einigen Monaten verfügbar gewesen. Ich habe mich entschlossen als Selbstzahler zum Arzt zu gehen (mir kamen die Beschwerden zu schwerwiegend vor für noch ein knappes halbes Jahr Wartezeit) - und siehe da: derselbe Arzt, bei dem ich als Kassenpatient hätte über fünf Monate warten müssen, hatte innerhalb von 36 Stunden für mich Zeit. Wahrscheinlich wurde dafür der Termin eines Anderen kommentar- und alternativlos abgesagt. Die Zweiklassenmedizin ist schleichendes Gift für den sozialen Zusammenhalt und trägt zu den Abgründen von Wut und Frust bei, in die wir schauen und die uns politisch gerade ins Gesicht explodieren. Aber einige verdienen gut.

    • @My Sharona:

      Die Standesvertretungen mögen heuchelnd daherkommen und sich damit an die Sprechweisen anpassen, die im öffentlichen Raum üblich geworden sind. Für jeden Firmeninhaber ist klar, daß der Gewinn zunächst einmal die wichtigste Zielgröße ist. Das gilt auch in der Medizin, es sei denn, man ist ein kommunales Krankenhaus, wo der Eigner jedes Jahr die Verluste ausgleicht.



      Ein schlechter Arzt aber guter Betriebswirt wird wirtschaftlich überleben, umgekehrt aber nicht, schon, weil er den wichtigsten Ausgabenposten, das Personal, dann nicht mehr angemessen bezahlen kann und es ihm heute weglaufen wird - das war früher anders.



      Eine Einheitsversicherung mit mickrigen Kassenhonoraren führt in einem Anbietermarkt (Ärztemangel) zu reinen Privatpraxen, die sich aus dem Sozialsystem verabschieden oder zu Schwarzgeldzahlungen unter der Hand. Das läßt sich in anderen Ländern besichtigen.



      Im Kassensystem ist viel Luft. Das Anspruchsverhalten der Patienten ist teils maßlos. Ich wäre für eine sozial gestaffelte Eigenbeteiligung. Was nichts kostet, ist nichts wert, wird verschwendet bzw. verschwenderisch in Anspruch genommen.

      • @jghsr:

        Die Einheitsversicherung haben Sie aufgebracht. Wenn alle einzahlen würden (Beamt*innen, Freiberufler*innen) und Sozialversicherungsbeiträge auf arbeitslose Einkommen (Miet- und Kapitaleinkünfte) erhoben würde, wäre genug Geld da. Was Sie hier an die Wand malen (massenhafter Untergang von Praxen) ist Quatsch. Die Ansprüche der Ärzteschaft an ihre Gehälter sind einfach zu hoch.



        Und die Luft im Kassensystem liegt vor allem in der Verteilung zwischen den Ärztegruppen. Die Unwucht zugunsten von sagen wir mal Radiolog*innen und zuungunsten von Allgemeinmediziner*innen muss ausgeglichen werden, indem man den bevorzugten Ärztegruppen was wegnimmt. Es wird Ihnen immer noch gut genug gehen.

        • @My Sharona:

          Beamte sind eine große Fraktion im Bundestag. Freiberufler in Form von Juristen ebenfalls. Die Vorstellung, daß diese Gruppen Politik gegen sich selbst machen, sich den Status als Privatpatient entziehen und in die gesetzliche KV einzahlen werden, scheint mir fernab der politischen Realität.

          Ebenso ist die Oberschicht im Bundestag überrepräsentiert. Daher keine Sozialversicherungsbeiträge auf Miet- und Kapitaleinkünfte oder auch auf die fiktiven, eingesparten Mieten im Eigenheim, die auch Kapitalertrag sind.

          Ja, die Facharztgruppen verdienen ungerechtfertigterweise sehr unterschiedlich. Kinderärzte notorisch am schlechtesten, weil Kinder nicht wählen, keine Lobby haben. Radiologen oder Orthopäden zu viel. Aber die Politik geht das Problem seit Jahrzehnten nicht an. Warum sollte sich das ändern? Also kämpft jeder Arzt für sich.

        • @My Sharona:

          Ich habe keinen "massenhaften Untergang von Praxen" an die Wand gemalt, bitte nochmals lesen. Wenn eine Dienstleistung stark nachgefragt ist, aber die Preise künstlich gedeckelt werden, finden sich immer Auswege. Die betriebswirtschaftlichen Gesetze gelten auch in der Medizin: Was nicht vernünftig bezahlt wird, wird nicht mehr angeboten/erbracht oder in der Qualität verschlechtert, bis sie zum Preis paßt. Und auch in Deutschland nehmen reine Privatpraxen zu. Die kann dann auch der Kassenpatient aufsuchen, wenn er als Selbstzahler auftritt.



          Ca. ein Drittel der ausgebildeten Ärzte meiner Generation (Jg. 1965) ist m. W. gar nicht in der Versorgung angekommen, sondern in der Medizinindustrie oder in anderen Berufen gelandet, weil die Arbeitsbedingungen für Ärzte in dt. Krankenhäusern seit Jahrzehnten notorisch schlecht sind. Deshalb finden sich dort immer mehr ausländische Ärzte. Eine Freundin von mir aus Studientagen ist nach Jahrzehnten Tätigkeit in der Schweiz (OÄ Uni-Klinik), in die auch viele dt. Ärzte gegangen sind, gerade zurück gekommen und arbeitet jetzt in Deutschland - in der Telemedizin eines Schweizer Anbieters. Ein dt. Krankenhaus war für sie indiskutabel.

  • Kritisiert wird die "dünne Basis", für die Forderung nach Ausfallzahlungen. Ich hab auch keine Ahnung, wie relevant die Terminabsagen sind. Aber: "Es ist fraglich....Ich kann mir nicht vorstellen...Mögliche Ursachen dafür – sollten die Beschreibungen zutreffend sein", das ist die Argumentation des Artikels und die ist ihrerseits mehr als dünn. Und die eingestreuten Fingerzeige auf Debatten um Gewalt und "Blaumachen" sind ebenfalls ziemlich fragwürdig. Genaugenommen wird hier nur die Meinung der Sprecherin des Vereins demokratischer Ärz­t*in­nen geschildert. Einem politisch aktiven "oppositipnellen Berufsverband", der sich in der Friedensbewegung engagiert. Und da würd ich mir schon ein paar mehr Argumente wünschen, als vage Konjunktive.