Änderung des Kartellrechts: Habeck schreckt ab
Die vom Wirtschaftsminister geplante Verschärfung des Kartellrechts greift noch nicht beim Tankrabatt. Doch das Vorhaben hat abschreckende Wirkung.
E in wenig skurril ist es ja schon. Eigentlich war es vor nicht allzu langer Zeit politischer Konsens, dass Benzin wegen der Klimakrise teurer werden muss – aber darüber ist in letzter Zeit wenig zu hören. Egal, ob man nun billiges Benzin in der jetzigen Situation gutheißt oder nicht – der von der FDP durchgedrückte Tankrabatt war ein Scheitern mit Ansage. Expert*innen warnten davor, dass Mineralölkonzerne den Rabatt einfach einstreichen könnten, und das hat sich offenbar bewahrheitet.
Das Sinnvollste wäre eigentlich, eine unsinnige, befristete Maßnahme sofort abzubrechen und sich etwas Besseres zu überlegen, anstatt Milliarden zu verpulvern. Aber Logik hat keinen Platz im politischen Berlin, denn das würde am Grundgerüst der Ampel rütteln.
Also geht man einen viel größeren Schritt: Das Kartellrecht soll verschärft werden. Verkehrt ist das nicht. Nach bisherigem Recht ist es kaum möglich, Mineralölkonzernen Missbrauch nachzuweisen. Man braucht ja nur auf die Tanktafeln zu gucken, um die Preise der anderen zu sehen.
Wenn es nach Wirtschaftsminister Robert Habeck geht, soll das Kartellamt also künftig mehr Eingriffsmöglichkeiten bekommen, um auch ohne einen Nachweis von Marktmissbrauch Gewinne abschöpfen zu können – und notfalls Konzerne zerschlagen dürfen. In den Büroetagen der Ölkonzerne macht sich bestimmt Muffensausen breit.
Doch so löblich dieses Vorhaben ist, eine schnelle Entlastung sollte sich davon niemand erhoffen. Jeder Laie kann sich vorstellen, dass das Kartellamt auch mit geänderter Gesetzgebung künftig nicht einfach so Konzerne zerschlagen kann. Die Umsetzung wird langwierig, es kommt auf Details an. Aber ein verschärftes Gesetz kann ja auch schon eine abschreckende Wirkung entfalten. Überraschenderweise hat auch Bundesfinanzminister Christian Lindner Zustimmung signalisiert, obwohl die FDP ja gerne Vorhaben blockiert – wie etwa die von den Grünen und Teilen der SPD ins Spiel gebrachte Übergewinnsteuer auf Extraprofite von Mineralölkonzernen.
Für die Bevölkerung bleibt die Situation dennoch unbefriedigend. Denn das akute Problem bleibt: Das Geld für den Tankrabatt ist weg. Die Benzinpreise sind trotz Tankrabatts hoch und der Bedarf nach Entlastung auch. Dass sich das nicht ändert, liegt im Grundkonstrukt der Ampel. Sie funktioniert nur, wenn alle Parteien einen Gewinn verbuchen können – egal wie unsinnig er sein mag.
Es drängt sich daher der Eindruck auf: Die Diskussion über eine Kartellrechtsreform ist willkommen, um das koalitionäre Trauerspiel um den Tankrabatt zu beenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist