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Abtreibungsgesetz in TexasEin Herz, das kein Herz ist

Das „Heartbeat“-Bill in Texas verbietet Abtreibungen ab dem ersten Herzschlag. Das soll ab der sechsten Woche sein, doch Embryos haben kein Herz.

Zum Herz formt sich das Zellcluster erst am Ende des ersten Trimesters Foto: Antonio Gravante/imago

D as Herz steht symbolisch für Persönlichkeit und Seele. Schnöd medizinisch betrachtet ist das natürlich Humbug. Aber weil das Herz eben zu spüren ist, wenn’s dramatisch wird, assoziieren wir es mit Gefühlen, Leidenschaften – mit unserem Wesen.

Seit einiger Zeit streiten sich der US-Bundesstaat Texas und die Biden-Regierung über ein restriktives Abtreibungsgesetz. Texas will verbieten, Schwangerschaften abzubrechen, sobald der Herzschlag des Fötus zu hören ist. So jedenfalls steht es im Gesetz – und wird so auch in der Berichterstattung meist übernommen.

Gemeint ist mit dem „Herzschlag des ­Fötus“ ein elektrisches Signal, welches von ­einem Zellcluster im Embryo etwa um die sechste ­Schwangerschaftswoche herum abgegeben wird. Dieses Signal wandeln dann Ultraschallgeräte in ein hörbares Pochen um. Heißt: 1. Es gibt noch kein Herz; 2. Es gibt noch keinen ­Fötus; 3. Das Pochen ist der Soundeffekt einer Maschine.

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen in den USA haben wiederholt auf diese Fehldarstellung hingewiesen. Zu einem Herz formt sich das Zellcluster erst im Laufe des ersten Trimesters. Alles andere ist Projektion.

Das ist Céline Dion, nicht Wissenschaft

Faktisch sind Schwangerschaftsabbrüche in Texas jetzt ab der sechsten Woche verboten. Wenige erfahren rechtzeitig von einer Schwangerschaft, um sie bis dahin abzubrechen. Texas scheint weit weg, aber auch hierzulande gibt es kein Recht auf Abtreibung. Und das Reden vom „Herz“ kann auch schnell hier drüben …, nun ja, … Herzen erweichen.

Bei Abtreibungsdebatten geht es um die Frage, wann die Leibesfrucht aufhört, Bestandteil des Körpers der schwangeren Person zu sein und damit deren Recht am eigenen Körper zu unterliegen. Wann also Embryo oder Fötus eine eigenständige Einheit bildet, dass der Staat mit Gesetzen darauf zugreifen kann, auch gegen den Willen der schwangeren Person. Ein möglicher Ansatzpunkt ist die viability, die Lebensfähigkeit außerhalb des Uterus. Deren Wahrscheinlichkeit steigt um die 24. Woche stark an. Christliche Fundis dagegen werfen ihre Mythologie in die Waagschale und nehmen an, dass ab Empfängnis gottgewolltes Leben existiert.

Und Texas kommt eben mit dem Herz um die Ecke. Welches wie gesagt kein Herz ist. Und selbst wenn es eins wäre: Ein Herz macht keinen Menschen. Das ist nicht Wissenschaft, das ist Céline Dion. Erstaunlich, oder? Dass wir eine Sache technisch so präzise durchleuchten können und sie im selben Moment so archaisch mythologisieren.

Ich weiß, dass es für Schwangere individuell wichtig sein kann, in so einem Zellklumpen Menschliches zu sehen. Politisch aber ist entscheidender, dass hier die Gesundheit und die Rechte von ungewollt Schwangeren auf dem Spiel stehen. Darum ist Wortwahl keine Lappalie und sind Mythen unangebracht. Poesie hat in der Gesundheitspolitik nichts verloren.

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Peter Weissenburger
Freier Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.
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10 Kommentare

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  • Wer verbietet dem Fötus, abzugehen?



    Wer diktiert jeder Frau, 3 Kinder lebendig zu gebären?



    Wer befiehlt jedem Mann, kein Kind zu zeugen?



    Solcherlei wären die absolitistischen Entmündigungen, die der Prohibition gleichgestellt werden.



    Zur Abtreibung braucht es nur ein wenig Intelligenz, um an eine Telefonnummer, an eine indigene Gruppe zu gelangen und ins Ausland, Reservat oder neutrale Zone zu reisen. Das musste man in Deutschland selbst bis vor wenigen Jahren noch tun.

  • Ein Herz ist immer nichts Anderes, als ein Zellhaufen, der sich durch elektrische Impulse zusammenzieht. Auch das Herz eines Erwachsenen ist nicht mehr, als das!

    Die Diskussion lässt sich auf diesem Niveau nicht führen.

    Auch ist die Lebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibes ein schwieriger Ansatzpunkt, denn der ist nicht primär von der Biologie des Menschen, sondern von der medizinischen Versorgung und des medizinischen Fortschritts abhängig. Es ist noch nicht so lange her, dass auch die 24. Woche als viel zu früh für lebenserhaltende bzw. lebensrettende Maßnahmen galt. Und wer weiß, eventuell wird es ja mal die 20.Woche?

    Was bedeutet überhaupt „Lebensfähigkeit?“ Und darf das Recht zu Leben davon abhängen? Ein solches Menschenbild würde die Menschenwürde und das Menschenrecht insbesondere im Hinblick auf Krankheit, Behinderung und Alter massiv verändern.

    Ich bin kein Abtreibungsgegner. Die Debatte aber auf der Basis „ein Zellhaufen ist doch wertlos“ zu führen, wird niemanden weiter bringen.



    Man kann dem Embryo oder Fötus nunmal nicht ab Tag X zusprechen, wertvoll zu sein und davor nicht! Man muss die Diskussion auf der Ebene der Frauenrechte und des Schutzes der Frau führen. Darum muss es gehen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wer wundert sich denn darüber noch?



    Die USA sind in großen Teilen fundamentalistisch geprägt. Selbst an der Ostküste dürfte es schwer fallen, Sonntags nicht in die Kirche zu gehen und trotzdem ein anerkanntes Mitglied der dörflichen/städtischen Gemeined zu sein, sofern man dort wohnt.

    Dieser ganze religiöse Quatsch geht mir wirklich auf die Nerven. Die Kreationisten - also Leute, die die Evolution leugnen - haben mittlerweile viele Anhänger. Auch ist das ein Riesengeschäft! Mit solchen Verblendeten kann man sich doch nur schwer unterhalten.



    Aber auch Menschen, insb. Politiker, die sich gerne in der Kirche sehen lassen, haben gleichzeitig kein Problem damit, mit ihren Hightech-Drohnen andere Menschen umzubringen.

  • Bei dem Thema schwanke ich stark hin und her. Bei Demos könnte ich ständig die Seiten wechseln. Die Worte von JUR haben mit gefallen. Einerseits nehme ich das Recht wahr, über meinen Körper zu bestimmen. Andererseits auch, dass das Wesen in mir gar nicht meines ist. Sondern ein fremder Mensch mit Rechten. Ein Zellklumpen. Ja. Sehr oft wird dieser vom Körper abgestoßen. Aus unterschiedlichen Gründen. So ging es mir einst, Trauer und Erleichterung fühlte ich gleichzeitig, wusste nicht, dass das möglich ist. Genau so zwiespältig bin ich immer noch bei dem Thema. Ich weiß es nicht. Ich finde keine abschließende Meinung dazu. Mein ganzes, inzwischen schon ziemlich langes, Leben nicht.

  • Ich bin durchaus keine Abtreibungsgegnerin.

    Trotzdem muss man einmal darauf hinweisen: dieses Gerede von Zellklumpen ist auch nicht "sachlich". Sind wir nicht alle Zellklumpen? Wandelt Unser Ohr elektrische Signale nicht auch auch in einen "Soundeffekt" um?

    Die Absicht der Abtreibungsgegnerin in Texas ist klar: ihnen geht es nicht um das Wohl von Menschen, sondern um die Dominierung von Frauen. Das darf man nicht zulassen. Aber wir sollten uns nicht aus Gründen der Opposition zu diesem Gesetz dehumanisieren, finde ich. Ein bisschen Sensibilität für alles Werdende ist schon angebracht.



    Das Leben folgt eben nicht einfach den richtig und falsch Kategorien des menschlichen Gehirns. Zwei Körper, die so miteinander verbunden sind wie die der schwangeren Mutter und des werdenden Kindes, stellen Menschen, die in Paragraphen denken, natürlich vor große Probleme. Nicht Ideologisierung kann dabei helfen,. Eine Anerkennung des Werdenden. Aber bis zu einer gewissen Grenze auch eine Anerkennung des Rechts der Stärkeren. Frauen sind keine Gefäße für andere Menschen. Sie verlieren das Recht über ihren Körper nicht plötzlich. Dass sie dieses volle Recht über ihren Körper überhaupt irgendwann verlieren, ist juristisch und von der Menschenwürde her im Prinzip ein Disaster, schon bei einer ganz normalen, glücklichen Schwangerschaft. Das Leben arbeitet hier verdammt "unsauber". Weil es halt mehr ist als ein Haufen Paragraphen.

    • @JuR:

      Ich habe so einen sehr gewünschten Zellklumpen verloren am Anfang dieses Jahres. Und zwei weitere haben sich nicht eingenistet. Ich verstehe die Kritik am Sprachgebrauch, aber persönlich sehe ich das Zellklumpen nicht unbedingt ein abwertender Begriff ist. Es war ein embryo und kein Fötus zu dem Zeitpunkt. Man trauert um das Potenzial und die gewünschte Zukunft nicht um die biologische Gestalt. Ein Verlust ist ein Verlust, und tut nicht ab wann der Verlust war. Aber wenn ich die jetzige Schwangerschaft verlieren würde wäre es eben kein Zellklumpen mehr sondern ein Fötus mit allem drum und dran. Das ist schon anders.



      Zellklumpen klingt vielleicht ein bisschen abwertend für manche, aber nicht für mich. Wenn jemand nicht den Wunsch hat für ein Kind, dann bleibt das biologische. Und das ist sehr treffend. Ich habe die Bilder von allen embryos, und es sind tatsächlich Zellklumpen, anders kann man das nicht sagen abgesehen vom Fachbegriff.



      Und es so biologisch zu sehen kann denke ich auch Frauen (oder Menschen mit einer Gebärmutter) helfen die Entscheidung zu treffen die für sie richtig sind. Das ist keine Abwertung in dem Sinne.

  • Ich würde mir zu dem Thema mehr historische, weibliche Perspektive wünschen.

    Und ja, wenn ein schwuler Mann solidarisch ist, freut es mich. Aber Männer können diesd Problematik nicht vollständig erfassen.

    Entscheiden aber.

    Und da könnte ich echt kotzen. Manche Lebensumstände sind tatsächlich biologisch bedingt.

  • Es muss eben ein Zellklumpen sein, ein herzloser dazu um zu rechtfertigen, ein (entstehendes) Leben zu vernichten.



    Das!! ist das eigentlich herzlose!

  • Also, bei meiner letzten Schwangerschaft wusste ich schon am 3. Tag, dass ich schwanger war... wenn frau ihren Körper beachtet, merkt sie so was. Problem für Frauen, die kein Körpergefühl haben. Oder bei der 1. Schwangerschaft, wenn man noch nicht weiß, wie der eigene Körper reagiert.

    • @Cededa Trpimirović:

      Am dritten Tag der Schwangerschaft oder am dritten Tag nach der Befruchtung? Oder am dritten Tag nach der Einnistung (also etwa 1-2 Tage vor der menstruation?). Nur das letztere ist möglich. In ca. den ersten zwei Wochen der Schwangerschaft (es wird nämlich ab der letzten Menstruation gezählt) ist noch gar kein Einsprung. Nach dem Eisprung und der Befruchtung macht der Körper jetzt auch noch nichts anders als anders. Die ersten Symptome sind vom Progesteron das wird so oder so produziert. Es dauert bis etwa 9-10 Tage nach der Befruchtung bis der Embryo sich tatsächlich einnistet und verbunden ist mit dem Körper. Davor gibt es noch keinen Austausch und gelangt noch kein HCG in die Blutbahn der Mutter (oder des Elternteils dass die Schwangerschaft austrägt). Erst nach der Einnistung ist man dann tatsächlich schwanger.



      Mal abgesehen davon ist es natürlich ein non-argument. Symptome sind nicht für alle Leute die selben, manche Menschen haben Zyklen die mehrere Monate dauern. Wie gesagt die ersten Symptome sind vom Progesteron, welches immer produziert wird und deckungsgleich mit PMS. HCG ist meist erst mit 5 Wochen Schwangerschaft (>1 Woche nach der Einnistung) hoch genug um tatsächlich Symptome zu verursachen.