Abstieg aus Fußball-Bundesliga: Glück auf, Schalke!
Der vielgehasste und heißgeliebte FC Schalke 04 steigt wieder einmal ab. Elf Dinge, die wir ohne den Klub in der Ersten Bundesliga vermissen werden.
Herz und Schmerz
Nirgendwo wird so schön geheult wie auf Schalke. Gern über Niederlagen und Abstiege, selten vor Freude über Meisterschaften und Pokale. Und bisweilen liegen Freudentränen und elendes Geheule ganz nah beieinander. 2001 glaubten Schalker Fans 4 Minuten und 38 Sekunden lang, ihr Klub sei Meister geworden. Dann traf der FC Bayern die Schalker mitten ins Herz. Meister der Herzen wurden sie damals genannt. Heute sind sie Absteiger der Herzen.
Kultur
Das Steiger-Lied, das stets vor dem Anpfiff ertönt, gehört zum immateriellen Kulturerbe Nordrhein-Westfalens. Die Schwingungen haben sich auf Schalke von Anfang an auf den Rasen übertragen: Malocherkultur. All das kann man in der vereinseigenen Knappenschmiede lernen. Das ist und bleibt Kultur erster Güte!
Fleisch
Metzgermogul Clemens Tönnnies gehört zu Schalke, ob er nun offiziell etwas zu sagen hat oder nicht. Lange hatte er zu viel zu sagen und selbst nach rassistischen Entgleisungen hat es der Klub nicht geschafft, sich seiner zu entledigen. Er stand für das schlechte Alte im Fußball. Nach dem Abstieg könnte man glatt vergessen, dass es immer noch zu viele solcher Typen im Fußball gibt. Nicht gut.
Punkte
Schalke 04 hat in dieser Saison etlichen Klubs aus irgendeiner Krise geholfen. Egal wie sehr das Selbstbewusstsein zusammengeschrumpft war, für drei Punkte gegen den Tabellenletzten reichte es immer.
Huub
Trainer gibt es wie Sand am Meer. Jahrhunderttrainer wird in der Bundesliga nur Huub Stevens genannt. Vier Mal ist er auf Schalke als Trainer vorgestellt worden. Zuletzt stets als Interimsnothelfer. Das fünfte Engagement wird leider nur ein zweitklassiges sein können.
Kohle
Kaum einer dealt so verlustreich auf so hohem Niveau. Die Männerfreundschaft zwischen dem Schweinebaron und Wladimir Putin macht es möglich. Die Gazprom-Kohle fließt in großen Strömen. Zeitgleich hat der Klub den größten Schuldenberg in der Liga aufgetürmt. Großes Kino!
Identität
Schalke trägt Königsblau. Welch einzigartige Farbe! Gelsenkirchen trägt Grau und die Fans sind stolz darauf. Auch abseits der glattpolierten Münchner Hochglanzwelt ist ein Leben in Würde möglich. Am besten mit einer Schalke-Fahne im Garten. Ihre Angehörigen können Anhänger auf einem Schalke-Friedhof bestatten lassen. Das ist über den Tod hinaus gelebte Identität.
Hass
„Wir sind Schalker, wir sind Schalker, keiner mag uns, scheißegal!“ Wer diesen Fangesang im Nachtzug immer wieder hört, wird Schalke sein Leben lang hassen. Doch der Fangesang zeigt: keiner lässt sich so gern hassen wie Fans von Schalke 04. Und keiner reagiert so aggressiv auf Kritik wie Schalker. Der Shitstorm, der taz-Autor Ralf Sotscheck ins Gesicht wehte, als er die Nazigeschichte und -gegenwart ein wenig zugespitzt beschrieben hat, sucht seinesgleichen.
Derby
Die wohl emotionalste Begegnung in der Bundesliga wird fehlen. Im Erfolgsfalle für die Dortmunder ein steter Trost für den verpassten Meistertitel.
Karussell
An Schalke darf sich jeder mal ausprobieren. 59 Trainer hat der Klub bereits in seiner Bundesligageschichte entlassen. Spitzenreiter Arminia Bielefeld (61) liegt in Reichweite. Zumal die Resultate des aktuellen Schalker Coachs Dimitrios Grammozis wieder auf eine frühzeitige Vertragsauflösung hindeuten.
Gestern
Früher war alles Schalke. Da wurde der Klub sogar deutscher Meister. Zum letzten Mal 1958. Und selbst die, die geboren wurden, lange nachdem der Schalker Kreisel in den 30er Jahren die gegnerischen Mannschaft alt hat aussehen lassen, wissen alles über Ernst Kuzorra und dessen Schwager Fritz Szepan. Tiki-Taka wurde auf Schalke erfunden. Der Kreisel war One-Touch-Fußball vom Feinsten. Damals – als man Vatta noch mit „Ph“ schrieb und Pimmel mit drei „M“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los