Abstand von Lohn zu Bürgergeld: Arbeiten lohnt sich, auch in Bad Liebenwerda
Eine Alleinstehende, die zum Mindestlohn ackert, hat im Schnitt 557 Euro mehr als ein Bürgergeldempfänger. Es gibt aber regionale Unterschiede.
Hält das Bürgergeld Menschen davon ab, zu arbeiten, erst recht, wenn sie mit ihrer Tätigkeit nur den aktuellen Mindestlohn bekommen? Nein, sagt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Der Lohnabstand ist immer gegeben“, heißt es in der aktuellen WSI-Studie. Doch es gibt regionale Unterschiede.
Die Sozialexperten errechneten an mehreren Haushaltskonstellationen, wie groß der Einkommensunterschied ist zwischen Personen, die nur vom Bürgergeld leben, und solchen, die 38 Stunden die Woche zum aktuell geltenden Mindestlohn von 12,82 Euro die Stunde ackern.
Bei einer oder einem Alleinstehenden, die oder der Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, liegt der Einkommensvorteil im Durchschnitt bei 557 Euro monatlich, so die Studie. So hat ein alleinstehender Mann, der zum Mindestlohn in Vollzeit arbeitet, im Schnitt in Deutschland ein verfügbares Einkommen von 1.572 Euro im Monat. Lebt der Mann nur vom Bürgergeld, hat er lediglich inklusive der Wohnkosten 1.015 Euro zur Verfügung, so die Zahlen in dem WSI-Papier.
Kleine Miete- großer Lohnabstand
Alleinstehende mit einem Kind haben bei Vollzeitbeschäftigung zum Mindestlohn laut Studie 749 Euro mehr zur Verfügung als im alleinigen Bürgergeldbezug. Bei einer Paarfamilie mit zwei Kindern und einer oder einem Beschäftigten in Vollzeit zum Mindestlohn beträgt der Vorteil 660 Euro.
Der Verdienst der Arbeitenden wird dabei je nach Haushaltskonstellation und Miethöhe durch aufstockendes Bürgergeld, Kindergeld, einkommensabhängigen Kinderzuschlag oder Wohngeld erhöht, das wurde vom WSI in das verfügbare Einkommen der Beschäftigen mit eingerechnet.
In abgelegenen Regionen sind die Mieten niedriger, die Arbeitslosen bekommen also weniger Bürgergeld als Empfänger:innen in teuren Regionen, da sich die Leistung auch nach den örtlichen Miethöhen richtet.
Daher beträgt der Lohnabstand in München, wenn hohe Mietkosten vom Jobcenter übernommen werden, nur 379 Euro. Im sächsischen Vogtlandkreis hat eine alleinstehende Mindestlöhner:in hingegen 652 Euro mehr zur Verfügung als eine örtliche Bürgergeldempfänger:in, im Elbe-Elster-Kreis, wo Bad Liebenwerda liegt, 598 Euro.
Auch Wohngeld und Kinderzuschlag zählen
„Die Zahlen dieser Studie zeigen erneut, dass Bürgergeldempfänger:innen unabhängig vom Haushaltstyp und von der Region, in der sie wohnen, weniger Geld haben als Erwerbstätige, die zum Mindestlohn arbeiten“, erklärte die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch am Mittwoch.
Studien des Münchner Ifo-Instituts haben allerdings bemängelt, dass bei noch höheren Einkommen der Wegfall oder das Absinken von aufstockendem Bürgergeld, von Wohngeld und Kinderzuschlag den Anreiz verringere, mehr Geld zu verdienen. So führe eine Erhöhung des Bruttoeinkommens von 2.000 auf 3.000 Euro bei einer Alleinerziehenden mit durchschnittlichen Mietkosten nur zu einem Anstieg des verfügbaren Einkommens von 59 Euro im Monat, hieß es beim Ifo.
Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung ist vorgesehen, die sozialen Leistungen besser „aufeinander abzustimmen“, Wohngeld und Kinderzuschlag sollen „zusammengeführt“, die Hinzuverdienstregelungen „reformiert“ werden. Wie das genau aussieht, ist allerdings unklar. Denn mehr kosten soll es auch nicht.
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