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Abschlussbericht zu Flug MH17298 Tote und kein Schuldiger

Der Bericht zum Abschuss von Flug MH17 über der Ukraine bringt nicht viel Neues. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen gehen weiter.

Tjibbe Joustra, Leiter der Untersuchungskommission, während der Präsentation der Ergebnisse. Foto: dpa

Amsterdam taz | Der Abschuss von Flug MH17 über der Ukraine erfolgte durch eine BUK-Rakete. Das ist das Ergebnis eines Abschlussberichts des niederländischen Sicherheitsuntersuchungsrats, der am Dienstag vorgestellt wurde. Der Ratsvorsitzende Tjibbe Joustra sagte auf dem Luftwaffenstützpunkt Gilze-Rijen, die Rakete sei auf der linken Seite des Cockpits eingeschlagen.

Durch den Einschlag „Tausender kleine Metallobjekte mit sehr großer Kraft“ sei das Cockpit vom Rumpf des Passagierflugzeugs abgetrennt worden. Durch den darauf folgenden Sauerstoffmangel seien die Passagiere so gut wie unmittelbar gestorben. Keiner der 298 Insassen überlebte den Abschuss des Flugzeugs.

Zum Abschussort macht der Bericht keine präzisen Angaben. Laut Joustra kommt ein Gebiet von 320 Quadratkilometern südöstlich des Dorfs Grabovo infrage, in dessen Nähe die Maschine niederstürzte. Für eine genauere Lokalisierung sei eine eingehende forensische Untersuchung nötig. Deutlich wurde der Ratsvorsitzende in einer Frage, die seit der Katastrophe vom 17. Juli 2014 vor allem in den Niederlanden für Aufregung sorgt: der Luftraum über der Ukraine hätte zu diesem Zeitpunkt vollständig geschlossen werden müssen.

Vor der Präsentation des Berichts waren in Den Haag 600 Angehörige der Opfer über die Ergebnisse informiert worden. Mehrere zeigten sich erleichtert, dass die Passagiere offenbar innerhalb weniger Sekunden das Bewusstsein verloren haben und zum Zeitpunkt ihres Todes ohnmächtig waren.Über die Schuldfrage hatte sich indes niemand Illusionen gemacht: Der Untersuchungsrat hatte mehrfach betont, dies gehöre nicht zu seinen Aufgaben. Zuständig dafür ist eine gesonderte strafrechtliche Untersuchung des sogenannten Joint Investigation Team (JIT).

Die niederländische Regierung steht weiterhin mitleeren Händen da

Unter Vorsitz der niederländischen Staatsanwaltschaft sind Experten aus Belgien, Australien, Malaysia und der Ukraine beteiligt. Ein Ergebnis wird frühestens 2016 erwartet. Evert van Zijtveld, Vorsitzender der „Angehörigen-Stiftung Flugkatastrophe MH17“, sagte im Vorfeld der Präsentation: „Es wäre inakzeptabel, dass wer es auch war, weiterhin frei herumläuft.“

Um diesen Punkt hat sich zwischen den Niederlanden und Russland in den vergangenen Monaten ein heftiger Schlagabtausch entwickelt. Während Den Haag mit Nachdruck ein UN-Tribunal fordert, um Verdächtige belangen zu können, lehnt Russland dies als vorschnell ab. Auch wenn die offiziellen Berichte des Untersuchungsrats keinen Verdacht äußern, herrscht in der niederländischen Öffentlichkeit die Meinung vor, russische Rebellen seien für den Abschuss der BUK-Rakete verantwortlich. Russland weist dies strikt zurück.

Resignation in den Niederlanden

Am Dienstag präsentierte der BUK-Herstellerbetrieb Almaz-Antey in Moskau auf einer Pressekonferenz seine eigene Version der Ereignisse: Auch dort ist eine BUK-Rakete für den Abschuss verantwortlich, allerdings sei das fragliche Modell schon seit Jahren nicht mehr in russischem Gebrauch, wohl dagegen in ukrainischem. Von wo die Rakete abgefeuert wurde, könne allerdings nicht gesagt werden.

Die niederländische Regierung steht auch nach dem Abschlussbericht weiterhin mit leeren Händen da. Die vollmundige Ankündigung von Premierminister Mark Rutte unmittelbar nach der Katastrophe, man werde „den untersten Stein nach oben holen“, konnte sie nie einlösen. Resigniert schrieb das NRC Handelsblad schon vor dem Abschlussbericht: „Die Wahrheit liegt im Weizenfeld.“

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22 Kommentare

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  • Unter dem Titel "MH 17, eine Zeitleiste und Logik" hat medienanalyse-international heute Skepsis am gesamten Vorgehen bei dieser Untersuchung angemeldet: http://www.medienanalyse-international.de/index1.html - denn zu viele Informationen, welche bei den weltüberwachenden USA und ihren Verbündeten vorliegen müssen, sind bisher nicht in die Untersuchung einbezogen worden.

    • @Albrecht Pohlmann:

      Echt tolle Rechnungen und Rückschlüsse.







      Punkt C - Aufgrund der Tatsache, dass das Flugzeug in 3 Minuten 40 Kilometer zurücklegt wurde das Flugzeug 40 km vor der Abschussstelle von der BUK erfasst? Woher kommen überhaupt die 3 Minuten? Hier wurde das Pferd falsch herum aufgezäumt! Das Suchradar der BUK hat eine Reichweite von 85 Kilometern! Das sollte der Ausgangspunkt sein! Unter Annahme der vorherigen Angaben (10 Kilometer Weiterflug nach Abschuss + 10 Kilometer Distanz von BUK und Absturzpunkt) würde sich somit eine mögliche zurückgelegte Distanz des Flugzeuges von 64 Kilometern vor dem Ort des Abschusses ergeben, was bei 800 km/h die Zeit für die Besatzung deutlich auf 4.8 Minuten erhöht!







      Punkt D - Hier musste ich echt schmunzeln... der Autor erklärt uns so toll, dass das Flugzeug doch der Physik gehorchen muss... und verrechnet dann erst einmal die Höhen- und Weitendistanzen nicht-vektoriell? Und das Flugzeug kann man bei KLAREM Wetter auf die Entfernung von 70 Kilometern gut erkennen? Das Wetter im Hintergrund des Seperatistenvideos an der Absturzstelle zeigt nur leider alles andere als klares Wetter (bittere insbesondere am Anfang auf den Himmel im Hintergrund achten): Link zum Video entfernt. Die Moderation







      Über den Rest möchte ich nicht spekulieren, würde aber gerne mal erfragen, was man denn so glaubt, auf den US-Satellitenfotos zu sehen? Meine Vermutung: Man sieht einfach nichts aussagekräftiges. Ein Bild von genau den Momenten des Abschusses käme mMn. wahrscheinlichkeitsmäßig einem 6er im Lotto gleich.

      • @aho90:

        "...Aufgrund der Tatsache, dass das Flugzeug in 3 Minuten 40 Kilometer zurücklegt wurde das ..."

         

        Also : 800 : 60 x 3 = 40 ?

         

        Gehen Sie noch mal Ihre Berechnungen durch ?

        • @APOKALYPTIKER:

          1. Die Rechnung wurde von dem Betreiber der Website aufgestellt, dessen Link der Mitforist hier zur Verfügung gestellt hat. Nicht von mir.

           

          2. Die wissenschaftlich korrekte Notation lautet:

           

          (800 : 60) x 3 = 40

           

          Und liefert genau dieses Ergebnis. Bitte nicht folgendes machen:

           

          800 : 60 x 3 = 800 : 180 = 4.4

           

          Das ist falsch, da man hier einfach Faktoren und Divisoren mischt!

  • Übrigens hat Peter Haisenko, jener Putinfan, der 30 Jahre lang Lufthansakapitän war und es nun zu seiner Aufgabe gemacht hat, der Ukraine die Schuld in die Schuhe zu schieben, behauptet, es könne kein BUK-System gewesen sein, es müsse ein ukrainischer Kampfbomber mit Bordkanonen gewesen sein. Er habe das an den Löchern erkannt. Nun, offenbar muß er sich getäuscht haben - oder er wollte damit auschließen, daß es Russen und Prorussen gewesen sein könnten, denn im Abschußgebiet konnten zu dem Zeitpunkt gar keine ukrainischen BUK stationiert gewesen sein, worauf er extra hinwies. Das hieße nunmehr aber, daß es eben doch nur Prorussen und Russen gewesen sein können, die rücksichtslos und feige Unschuldige in der Luft massakriert haben.

  • Hier vollständigshalber der Link zum Abschlussbericht http://mh17.onderzoeksraad.nl/

  • Wie war das noch mal ? Die Leichen der Opfer und Trümmer von MH17 lagen kaum auf dem Boden , da kannte man in Washington schon den/die Schuldigen .

    Nach wie vor bleibt für mich zur Frage , von wem und von wo aus der Abschuss der BUK-Rakete erfolgte , ein , oder besser

    d a s Rätsel : Die USA , die - wie wir inzwischen sehr konkret wissen - alles und jedes auf der Welt "im Blick" haben , sollen gerade bei dem Ukrainekonflikt , bei dem sie nicht bloß Finger , sondern die beiden ganzen Hände im Spiel haben , kein aussagekräftiges Datenmaterial aus der Satellitenüberwachung haben ? Nicht verwunderlich auch , wie brav und zurückhaltend die europäischen Nato-Vasallen offenbar zu dieser Frage ihrem BigBoss nicht allzusehr auf die Nerven gehen wollen . Weil ja unnötig : Putin war's , und/oder die Separatisten . W i r sind die G u t e n !

    Sicher ist : die wahre Wahrheit würde die MH17-Toten auch nicht mehr lebendig machen .

    • @APOKALYPTIKER:

      Die Öffentlichkeit wird die Wahrheit nie erfahren.

  • ich denke, wäre man echt daran intressiert, was man aber nicht ist, wäre der Fal llängst aufeklärt, st doch simple Polizeiarbeit, einfach mal fragen: wo fehlt eine Raketet man kann die Dinger ja nicht im nächsten Laden kaufen

    • @Georg Schmidt:

      "...wo fehlt eine Raketet..."

       

      In irgendeinem Armeedepot.

  • Die "Seperatisten" hatten keine BUK und niemand hatte damit gerechnet, dass Russland seine 53. Luftabwehrbrigade in die besetzten Gebiete schickt, um damit Flugzeuge in großer Höhe abzuschießen. Siehe https://mh17.correctiv.org/#fakt

    • @Hirschelmann Hans-Hermann:

      Welche Belege stehen eigentlich in dem verlinkten Artikel? Im "Vorspann" wird einfach mal eine russische Einheit genannt. Dann folgen ein paar Gemeinplätze. Das war es aber auch.

       

      Und natürlich ist es unverantwortlich, ein Flugzeug über ein Gebiet zu schicken, in dem immer wieder Maschinen abgeschossen werden. Egal in welcher Höhe.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Belege? Wikipedia ich hör dir trapsen.

        Schon gehört dass es eine Untersuchung gab. Nur gut dass Kommentatoren hier keinen Editwar bezügl. der Artikel starten können.

        • @Rudolf Fissner:

          Das bedeutet, für Sie ist Journalismus das verbreiten von Behauptungen? So ganz ohne Wahrheitsnachweis?

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Schon gehört, dass es einen Untersuchungsbericht gibt?

            • @Rudolf Fissner:

              Natürlich. Wenn Sie weiter runter scrollen, werden Sie sehen, dass ich dessen Sachlichkeit gut finde. Er verzichtet nämlich auf die Verschwörungstheorien, die von Herrn Hirschelmann angeführt wurden.

  • Was heißt hier wenig neues? Auch wenn bisherige Vermutungen bestätigt werden. ist dieses Ergebnis sehr aufschlussreich. Selten war der Kommentar dazu aus Moskau so absurd und hilflos.

     

    Dazu gilt es zu bedenken, dass sowohl die US- als auch die Russischen Militärs bereits unmittelbar nach dem Abschuss Details bis zu den Namen des Schützen kannten. Nur wurden diese Informationen unter Verschluss gehalten.

     

    Letztlich ist auch egal, wer den Knopf gedrückt hat, verantwortlich sind die (vermutlich Rebellenführer) die den Einsatz befohlen haben. Andererseits war den ukrainischen Behörden die Gefahr bekannt. Sie hätten den Luftraum schließen müssen.

     

    Da keiner zur Verantwortung steht, wird es bei Legendenbildung bleiben.

  • BUK-Raketen haben nur die Russen und Prorussen.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Das ist Unfug. Buk-Raketen sind in viele Staaten geliefert wurden. Die Ukraine hat als Nachfolgestaat des Entwicklerlandes Sowjetunion bei der Aufteilung der Sowjetarmee auch welche bekommen. Lt. Wikipedia ca. 60 Systeme mit einer großen Anzahl von Raketen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Genau. Und die haben jetzt die Prorussen - zumindest in der Ostukraine, wo MH17 abgeschossen wurde.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Alle? Auch die, die in der Westukraine stationiert waren?

           

          Sie können es drehen und wenden wie sie wollen, Waffensysteme, die in der damaligen Sowjetarmee verbreitet waren, haben bis auf wenige Ausnahmen alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Selbst die Bundeswehr hatte von der NVA welche geerbt.

  • Es ist gut, dass sich die Ermittler nicht dem Druck von allen Seiten gebeugt und einen sachlichen Bericht vorgelegt haben. Und es ist auch gut, dass ein wichtiger Punkt, der in der sehr lauten Diskussion stets in den Hintergrund geraten war, betont wurde. Die Maschine hätte nie über das Kriegsgebiet fliegen dürfen.