Abschiebungen nach Afghanistan: SPD-Innenminister gegen Ausweitung
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will, dass die Bundesländer rigoroser nach Afghanistan abschieben. Dagegen wehren sich die SPD-Innenminister.
Die SPD-Innenminister der Bundesländer wollen eine Ausweitung von Abschiebungen nach Afghanistan nicht mittragen. „Das ist ein Vorschlag, den wir aktuell ablehnen werden“, sagte deren Sprecher, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, der dpa.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will die Bundesländer bei der am Mittwoch beginnenden Innenministerkonferenz zu mehr Abschiebungen nach Afghanistan bewegen. Beschränkungen in diesem Bereich hat die Bundesregierung zwar schon vor einem Jahr aufgehoben – bis dahin durften lediglich Straftäter, Gefährder und sogenannte Identitätstäuscher abgeschoben werden. Nach wie vor halten aber die meisten Bundesländer an dieser Praxis fest. Einzig das CSU-regierte Bayern schiebt ohne Einschränkungen ab. Sachsen hat den Kreis der Abzuschiebenden zudem um „alleinstehende Männer“ ergänzt, wie die taz berichtete.
Die Zurückhaltung der anderen Bundesländer will Seehofer nun beenden. Laut Beschlussvorlage soll sich die Innenministerkonferenz dazu bekennen, „die für die Rückkehr ausreisepflichtiger afghanischer Staatsangehöriger erforderlichen Maßnahmen zu verstärken“.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte am Wochenende eindringlich vor mehr Abschiebungen gewarnt. Die Sicherheitslage im Land habe sich in den vergangenen Monaten drastisch verschlechtert, sagte Dominik Bartsch, Repräsentant des UNHCR in Deutschland. Die Taliban hätten stark an Boden gewonnen, es gebe Terroranschläge und Menschenrechtsverletzungen, und auch die Hauptstadt Kabul sei heute „hochgefährlich“ und längst keine „interne Fluchtalternative“ mehr.
2018 mehr Tote als je zuvor
Auch Pistorius verwies darauf, dass es allein in diesem Jahr bereits acht Anschläge mit vielen Toten in Kabul gegeben habe: „Beim verständlichen Wunsch des Bundesinnenministeriums, die Abschiebezahlen zu erhöhen, müssen wir unsere Maßstäbe wahren und dürfen keine unbescholtenen Menschen in Krisengebiete zurückschicken.“ Die SPD-Ressortchefs würden einer Ausweitung der Abschiebungen so lange nicht zustimmen, bis der Lagebericht des Auswärtigen Amtes eine akzeptable Sicherheitslage erkennen lasse.
Die UN zählten im Jahr 2018 mehr zivile Todesopfer im Land als jemals seit Beginn der Dokumentation 2009. Unter den 3.804 Opfern waren 927 Kinder – auch das eine Rekordzahl. Der UN-Bericht zeige, „dass das Ausmaß an Schaden und Leid, das Zivilist*innen in Afghanistan zugefügt wird, zutiefst beunruhigend und völlig inakzeptabel ist“, hatte Tadamichi Yamamoto, Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs für Afghanistan, die Zahlen kommentiert.
Das UNHCR lehne Abschiebungen nach Afghanistan nicht grundsätzlich ab, sagte nun Bartsch. „Aber wer die Entscheidungen trifft, muss sich klar sein, in was für ein Land diese Menschen gebracht werden.“ Der Staat könne Zivilist*innen dort nicht „vor marodierenden Banden“ schützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“