piwik no script img

Abschiebungen nach Afghanistan„Alles andere als ein sicheres Land“

Am Mittwoch wurden erneut 18 Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Mehrere Bundesländer kritisieren die Maßnahmen.

„Abschiebung ist Mord“: Gegendemo am Münchner Flughafen Foto: dpa

Berlin/München afp/epd | Mehrere Länderminister haben die fortgesetzten Abschiebungen von Flüchtlingen in das Bürgerkriegsland Afghanistan kritisiert. Es gebe derzeit keine Regionen in dem Land, in die eine Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich sei, sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) am Donnerstag im Deutschlandfunk. Er widersprach damit erneut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), aber auch der Haltung der SPD-Regierungsmitglieder im Bund.

Kritik an solchen Aktionen äußerte auch Thüringens Justizminister Dieter Lauinger (Grüne). „Wenn sie sehen, dass die zivilen Opfer 2016 so hoch waren wie noch nie, dann spricht dies dafür, dass Afghanistan alles andere als ein sicheres Herkunftsland ist“, sagte Lauinger dem Sender Bayern2 mit Blick auf aktuelle UN-Berichte. Er forderte de Maizière auf, zu begründen, warum die vielen internationalen Berichte über die Sicherheitslage in Afghanistan falsch sein sollten.

Am Mittwochabend waren erneut 18 Afghanen von München aus in ihr Herkunftsland abgeschoben worden. Es war die dritte bundesweite Sammelabschiebung seit Ende vergangenen Jahres und der erste Flug von Bayern aus, seit Deutschland wieder nach Afghanistan abschiebt. Die neue Sammelabschiebung wurde von Protesten von Abschiebungsgegnern auf dem Münchner Flughafen begleitet.

Mehr als 350 Menschen demonstrierten nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrates im Zentralbereich des Flughafens, darunter etliche afghanische Geflüchtete. Dem bayerischen Innenministerium zufolge kamen fünf der nun abgeschobenen Asylbewerber aus Bayern, vier aus Baden-Württemberg, vier aus Hessen, je zwei aus Hamburg und Sachsen-Anhalt sowie einer aus Rheinland-Pfalz. Es habe sich nur um alleinstehende junge Männer gehandelt, darunter auch Straftäter.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, man werde Ablehnungsbescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auch weiterhin vollziehen: „Abgelehnte Asylbewerber müssen Deutschland wieder verlassen und in ihre Heimatstaaten zurückkehren.“

Kritisch zu Sammelabschiebungen nach Afghanistan hatten sich zuvor auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sowie die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD) geäußert. Kofler hatte dazu aufgerufen, alle Abschiebungen nach Afghanistan sofort zu stoppen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Nein, das trifft nicht zu:

     

    Zu Deutschland gibt es keine Reisewarnungen, vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/LaenderReiseinformationen_node.html?letter=D.

     

    2.: Dass die Situation "ist wie sie ist" bringt keinerlei Erkenntnis und wurde auch nicht angezweifelt. Kritisiert wird die widersprüchliche Einstufung Afghanistans als hochgefährlich einerseits und sicher anderseits. Und doch, das hat asylrechtliche Implikationen.

  • Zur Sicherheit Afghanistans zitiere ich wörtlich aus der aktuellen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes (Stand 23.02.2017):

     

    "Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt. Wer dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Auch bei von professionellen Reiseveranstaltern organisierte Einzel- oder Gruppenreisen besteht unverminderte Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu werden.

     

    Für zwingend notwendige berufliche Reisen nach Afghanistan gilt: Der Aufenthalt (...) sollte (...) auf der Basis eines tragfähigen professionellen Sicherheitskonzepts durchgeführt werden.

     

    Es wird empfohlen, sich bei Reisen nach Afghanistan möglichst schon vor Abreise in die Krisenvorsorgeliste (Externer Link, öffnet in neuem Fensterhttp://elefand.diplo.de/) einzutragen.

     

    In ganz Afghanistan besteht ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. Landesweit kann es zu Attentaten, Überfällen, Entführungen und andere Gewaltverbrechen kommen.

     

    (...) Von Überlandfahrten wird dringend abgeraten. Wo solche zwingend stattfinden müssen, sollten sie auch in vergleichsweise ruhigeren Landesteilen nur im Konvoi, nach Möglichkeit bewacht und mit professioneller Begleitung durchgeführt werden. Die Sicherheitslage auf der Strecke muss zeitnah zur Fahrt sorgfältig abgeklärt werden. Es wird davor gewarnt, an ungesicherten Orten zu übernachten."

     

    Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AfghanistanSicherheit.html?nn=332704?nnm=332704, Abruf 23.02.2017.

    • @teh:

      ... und nun? Über Deutschland gab und gibt es ähnliche Warnungen. Ganz konkret wurde auch vor dem Besuch von Weihnachtsmärkten abgeraten. Ist Deutschland deshalb nicht sicher?

       

      Die Situation in Afghanistan und der übrigen Welt ist wie sie ist. Ein Verbindung zum deutschen Asylrecht ergibt sich daraus nicht.