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Abschiebungen nach AfghanistanAbgeschoben, aus dem Blick verloren

Deutschland weist abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan aus. Was erwartet die Menschen, die gerade nach Kabul abgeschoben wurden?

Was aus den Abgeschobenen wird, interessiert das Innenministerium nicht Foto: dpa

Berlin taz Er sitzt in einem Land fest, dessen Sprache er nicht spricht, und hat Angst zu sterben. Samir N. ist Hindu, spricht weder Dari noch Paschtu. Er haust in einem ungeheizten Sikh-Tempel und traut sich nicht vor die Tür, weil er Interviews gegeben hat.

Vier Jahre lebte Samir N. in Hamburg. Im Dezember wurde der 24-Jährige mit 33 jungen Männern aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben – in einer ersten vom Bundesinnenministerium (BMI) groß angelegten Ausweisungsaktion. Am Montag nun mussten erneut 25 Männer ausreisen. Was erwartet sie in Afghanistan?

Der Fall Samir N. gibt einen Fingerzeig. Auf ein Leben in einem anderen Land vorbereiten konnten sich auch die jetzt Abgeschobenen nicht. Bei den meisten stand am Montagmorgen unangekündigt die Polizei vor der Tür. Eine kleine Tasche oder einen Rucksack durften sie packen, bevor sie zum Frankfurter Flughafen gebracht wurden. „Die Gesetzesänderung, dass Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden müssen, wird gnadenlos umgesetzt“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl. „Und es ist völlig unklar, was mit den Menschen in einer Woche, einem Monat, einem Jahr passiert.“

Laut BMI empfangen „die afghanischen Behörden“ und die Nichtregierungsorganisation IOM die Abgeschobenen. „Sie können am Flughafen zu uns kommen und ihre Verwandten anrufen“, bestätigt IOM-Sprecher Joel Millman. Nach beiden Flügen hätten Betroffene das Angebot genutzt. Die meisten ließen sich von IOM in die Provinz Herat fahren. Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network hat sich in Kabul umgehört. „Viele gehen vom Flughafen zur nächsten Haltestelle. Intensive Betreuung scheint es da nicht zu geben“, meint er.

Beobachtet das Innenministerium die weitere Versorgung der Abgeschobenen? Eine Sprecherin reagiert überrascht. „Wir verfolgen die nicht, wenn sie auf afghanischem Boden sind.“ Dafür fehlten der Bundesregierung „sowohl die Rechtsgrundlage als auch das Interesse“.

Es ist völlig unklar, was mit den Menschen passiert

Günter Burkhardt, Pro Asyl

Das gilt auch für die sieben Straftäter, die im Flieger saßen. Sowieso würden diese „zurückgeführt, weil sie ausreisepflichtig sind und nicht, weil sie Straftäter sind“. Heißt: Offiziell ist Kriminalität nicht der Abschiebegrund. Den afghanischen Behörden wird ohnehin nicht mitgeteilt, wenn Ankommende wegen einer Straftat verdächtigt, verurteilt oder vorbestraft sind.

Sie erfahren auch nicht, ob die Männer Dari sprechen oder Familie in Afghanistan haben. Einige werden versuchen, wieder nach Deutschland zu flüchten. Zwei mussten ihre schwangeren Lebensgefährtinnen zurücklassen. Vielleicht bricht auch Samir N. wieder auf. „Ich will hier nicht sterben“, sagte er in einem Interview.

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6 Kommentare

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  • Ich finde die Abschiebungen nach Afghanistan ziemlich unglaublich. Dieses Land ist kaputt und die Taliban sind dort, sie wollen wieder morden und das werden sie vermutlich auch schaffen. Deutschland schickt dann bei Nacht und Nebel die Leute in dieses Land - ohne echte Betreuung und Hilfsangebote, obwohl das sicherlich machbar wäre. Und was für Menschen schicken 'wir' dahin - das sind teilweise traumatisierte und entfremdete Menschen, die schon lange keine Heimat mehr in Afghanistan haben, weil das Land seit Ende der 1970er in Konflikten und Kriegen steckt.

    • @Andreas_2020:

      So richtig "unglaublich" kann ich diese Abschiebungen nicht finden. Deutschland hat jahrelang behauptet, seine Soldaten würden Afghanistan Frieden und Freiheit bringen. Nun wurden die Soldaten abgezogen. Nicht, weil die Bundesregierung oder das Parlament ihren Fehler eingesehen haben (sie haben ja offiziell gar keinen Fehler gemacht), sondern weil Frieden und Freiheit angeblich gesichert sind. Da ist es dann nur folgerichtig, alle, die hier nicht gewollt sind, guten Gewissens abzuschieben da hin, wo angeblich genug geleistet wurde an Solidarität.

    • @Andreas_2020:

      "die Taliban sind dort, sie wollen wieder morden"

       

      Endlich mal einer, der sagt was die Taliban wollen. Merkel-Afghanistan-Bundeswehr-Chorps gut - Taliban böse.

       

      Mag ja sein, dass alle Islamisten böse sind. Aber auch böse Menschen haben das Recht in ihrem Land nach ihren bösen Regeln ohne Einmischung von guten Merkel-Soldaten zu leben.

       

      Das Problem sind nicht die Taliban sondern die westlichen Kolonialkrieger, die diesem archaischen Volk mit aller Macht ihre westlichen Werte aufdrängen wollen.

      • @A. Müllermilch:

        Gehört Pakistan zum "Westen"? Ich mein ja nur, schließlich war es Islamabad, welches im afghanischen Bürgerkrieg mit seinem "Avatar" Hekmatyar alles zu Nichte machte, was möglicherweise zu einer Form von Stabilität führte, was leztlich die Taliban an die Macht spülte.

    • @Andreas_2020:

      "(...) die schon lange keine Heimat mehr in Afghanistan haben, weil das Land seit Ende der 1970er in Konflikten und Kriegen steckt."

       

      Kriege, in denen die USA junge Bauernsöhne bewaffnet haben, als Söldner gegen die SU. Die USA "kreierten" die Taliban. Die längst Schrecken und Mord verbreiten. Und Menschen zur Flucht zwangen und zwingen werden.

      • @Gion :

        Die Taliban sind ein Produkt - Made in Pakistan, aber dieses Land war wiederholt ein guter Freund der USA, auch als Barak obama vor etlichen Jahren im Wahlkampf dieses Land bombardieren wollte. Ich will nur eines noch sagen: Diese Abschiebungen stinken gewaltig und es wäre m.M. nicht nötig. Wir reden über Menschen, die teilweise ihr Leben in Trümmern verbracht haben, Normalität nie hatten und in Afghanistan kaum noch eine Basis haben. Nur um Flüchtlinge los zu werden und gegen eine rechte/rechtsextreme Partei zu agieren, wird das nach meiner Auffassung gemacht. Schade, ich hätte mehr erwartet.