Abschaffung der EU-Visafreiheit: Brüssel schottet sich noch weiter ab
Die EU plant, die Visafreiheit für Länder wie Georgien, Moldau und die Ukraine zu kippen – ein Schritt, der einer kollektiven Bestrafung gleichkäme.

S ie sind vielen Nicht-EU-Bürger*innen bekannt – die erniedrigenden Prozeduren, um an die heiß begehrte Eintrittskarte für den exklusiven Klub zu gelangen. Selbst diejenigen, die in ihren Heimatländern unter vielen Mühen ein Visum ergattert hatten, konnten nicht sicher sein, sich dann nicht auch noch am Ankunftsflughafen „ausziehen“ zu müssen. Dazu gehörte häufig auch die Aufforderung, die Geldbörse zu öffnen, um die Mittel für den Aufenthalt nachzuweisen.
Derzeit genießen Bürger*innen von 61 Staaten das „Privileg“ einer visafreien Einreise in die EU. Das bedeutet in der Regel, sich innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen maximal 90 Tage in einem Mitgliedstaat aufhalten zu dürfen. Doch mit diesem „Regime“ könnte bald Schluss sein. Denn Brüssel, eifrig um eine noch massivere Abschottung nach außen bemüht, macht sich gerade daran, die Daumenschrauben anzuziehen. Ein entsprechendes Paket soll möglichst schon im Herbst in Kraft treten.
Länder, die von der Verschärfung betroffen sein könnten, sind auch Georgien, die Ukraine und die Republik Moldau. 2014 fiel die Visapflicht für die Moldauer*innen, Georgien und die Ukraine folgten drei Jahre später. Für die Menschen war das ein wichtiges Zeichen nach dem Motto: wir sind nicht vergessen und gehören irgendwie auch dazu. Vor allem Vertreter*innen der jüngeren Generation, die ihre Zukunft in Europa sehen und sich im westlichen Ausland ausbilden lassen, werteten diesen Schritt auch als Ansporn.

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Die aktuelle Lage in diesen drei Ländern ist bekannt: Die Ukraine wehrt sich verzweifelt gegen den russischen Aggressor, Moldau befürchtet, ein mögliches Angriffsziel des Kreml zu werden. Die georgische Regierung ist gerade dabei, sich durch ihren zunehmend autoritären Kurs selbst ins EU-Aus zu befördern. Und jetzt droht auch noch die Abschaffung der Visafreiheit. Ernsthaft? Dieser Schritt käme einer kollektiven Bestrafung der Bevölkerung gleich. Sie kann, ja darf jetzt nicht die Antwort der EU sein.
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