Abgesagter Festakt an der Leuphana: Keine Häppchen mit der AfD

Die Einladung von zwei AfD-Abgeordneten zur Semesterabschlussfeier der Leuphana-Universität sorgt für Protest. Nun hat die Uni das Fest abgesagt.

Das zentrale Gebäude der Leuphana Universität im Abendlicht

Feiert sich in diesem Jahr nicht selbst: Die Leuphana Universität in Lüneburg Foto: Philipp Schulze/dpa

HANNOVER taz | Eigentlich sollte der „dies academicus“ an der Leuphana Universität in Lüneburg dazu dienen, sich ein bisschen selbst zu feiern. Zum Ende des akademischen Jahres werden herausragende Leistungen, bahnbrechende Forschungen, ehrenamtliche Verdienste für die Universitätsgemeinschaft im feierlichen Rahmen gewürdigt, anschließend gibt es ein Sommerfest. Doch nicht in diesem Jahr.

Wenige Tage vor der Veranstaltung sagte die Universität ab – aus „Sicherheitsbedenken“, wie die Landeszeitung zuerst berichtete.Angekündigt und ordnungsgemäß angemeldet war zu diesem Zeitpunkt eine Demonstration vor dem Hauptgebäude, zu der ein freies Bündnis von Studierenden der Universität aufgerufen hatte. Sie wollten keine AfD-Vertreter auf ihrem Campus haben und hatten dies in den Tagen zuvor auch schon in einem offenen Brief an die Universitätsleitung sehr deutlich gemacht.

Warum diese zwei AfD-Vertreter überhaupt eingeladen wurden, nötigte der Universität lange gewundene Erklärungen ab. Die Landeszeitung zitiert aus einem Schreiben des Universitätspräsidenten Sascha Spoun an Universitätsmitarbeiter: Wie alle niedersächsischen Universitäten sei man nun einmal dem niedersächsischen Landtag zur Rechenschaft verpflichtet. Deshalb werden traditionell die Mitglieder des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur eingeladen. Den Vorsitz dieses Ausschusses hat derzeit nun ausgerechnet die AfD-Abgeordnete Jessica Schülke aus Wunstorf inne.

Noch schwerer zu erklären ist, warum man dann auch noch den AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Rinck eingeladen hat. Der Landwirt sitzt im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und hat mit Wissenschaftspolitik eigentlich nichts am Hut. Hier habe es keine Notwendigkeit gegeben, die sich aus dem Amt oder der Zuständigkeit ergibt, räumt der Uni-Präsident ein.

Sein Name geriet wohl auf die Liste, weil es üblich ist, die niedersächsischen Bundestagsabgeordneten – unabhängig von der Parteizugehörigkeit – einzuladen. So richtig aufgefallen ist das aber auch erst, als die Zusagen der beiden AfD-Politiker hereinflatterten.

Die tatsächliche Gefährdungslage bleibt nebulös

Diese Einladungspraxis will man nun insgesamt überdenken, auch vor dem Hintergrund, dass die AfD ja bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft sei und damit der Haltung der Leuphana-Universität grundsätzlich entgegen stehe, erklärt die Uni-Leitung.

Nicht beantwortet wird damit allerdings die Frage, ob die Absage nicht vielleicht überzogen war. In den ersten Berichten war nebulös von „universitätsexternen Akteuren“ und „potentiell gewaltbereiten politischen Interessengruppen“ die Rede, weshalb es dann schnell so aussah, als wäre die Angst vor Ausschreitungen ausschlaggebend gewesen.

Das deckt sich allerdings nicht ganz mit den Auskünften und Einschätzungen der Polizei als Versammlungsbehörde und der Stadt Lüneburg. Man sei grundsätzlich auf alle möglichen Einsatzszenarien vorbereitet gewesen, erklärt ein Polizeisprecher. Die Absage sei allein Sache der Universität, die Polizei habe lediglich eine beratende Funktion gehabt.

Auch bei der Stadt Lüneburg sagt man: Grundsätzlich ist es natürlich denkbar, angezeigte Versammlungen mit Beschränkungen zu versehen – also zum Beispiel den Versammlungsort so zu legen, dass es nicht zu unmittelbaren Konfrontationen kommt.

Das setzt aber immer eine entsprechende Gefährdungsanalyse voraus und muss sehr sorgfältig erwogen werden – schließlich ist die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut und nicht hinreichend begründete Einschränkungen werden von Verwaltungsgerichten gerne mal wieder einkassiert.

Zu so einer vertieften rechtlichen Prüfung sei es in diesem konkreten Fall aber gar nicht gekommen, weil die Versammlungsanmeldung schon am Samstag zurückgezogen worden sei, sagt die Pressesprecherin der Stadt, Ann-Kristin Jenckel.

In Göttingen musste CDU-Abgeordnete Protesten weichen

Möglicherweise ging es der Universität also weniger um eine konkrete Gefährdung als darum, sich selbst und den zu Ehrenden hässliche Szenen zu ersparen. Vor allem, wenn sich die Proteste auf Personen beziehen, deren Einladung einem eher unterlaufen ist, als dass man sie unbedingt und aus voller Überzeugung hätte dabei haben wollen.

Die Studierenden, aber auch andere Gruppen an der Universität, hätten mit ihrem offenen Brief sehr deutlich gemacht, dass sie mit der AfD-Teilnahme ein Problem haben, erläutert Uni-Pressesprecher Henning Zühlsdorff.

Die Absage sei jetzt vor allem erfolgt, damit die Universitätsgemeinschaft die Möglichkeit bekommt, die Situation zu bewerten und eine gemeinsame Position für das weitere Vorgehen zu erarbeiten. Die Ehrungen und Auszeichnungen wolle man dann bald nachholen.

In der Öffentlichkeit schlägt der Fall aber natürlich auch deshalb so hohe Wellen, weil es gerade erst einen ähnlichen Vorfall an der Universität Göttingen gegeben hat. Dort war die CDU-Bundestagsabgeordnete Mareike Wulf von mehr als 150 wütenden Protestierenden davon abgehalten worden, auf Einladung des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) einen Vortrag über das geplante Selbstbestimmungsgesetz zu halten.

Heftige politische Debatten – aber keine Anzeigen

Wulfs Positionen werden von vielen, darunter auch die Grüne Jugend, als queer- und transfeindlich betrachtet. Die Protestierenden waren in Göttingen so laut und aggressiv, dass Wulf ihren Vortrag abbrach und sich von der Polizei aus dem Hörsaal eskortieren ließ. Das sorgte sowohl im Bundestag als auch im niedersächsischen Landtag für erregte Debatten darum, wie sich die Meinungsfreiheit an Universitäten sicherstellen ließe.

Rechtliche Konsequenzen für die Protestierenden gab es allerdings vorläufig keine, wie bei einer Anhörung im Innenausschuss des niedersächsischen Landtages deutlich wurde. Nach Angaben der Polizei gab es keine Anzeigen, weil es weder körperliche Angriffe gab, noch eine Stürmung des Hörsaals, die unter Umständen als Hausfriedensbruch hätte gewertet werden können.

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