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Abgeordneter prangert Missstände anMieses Heim stichelt zurück

Der SPD-Landtagsabgeordnete Schminke prangerte schlimme Zustände in einem niedersächsischen Pflegeheim an. Nun steht seine Immunität in Frage

Brauchen starke Fürsprecher: pflegebedürftige Menschen in Heimen Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

HEDEMÜNDEN taz | Er sei ein Kümmerer, sagt Ronald Schminke. Wenn die Menschen aus Hann. Münden sich an ihn wenden, könnten sie sich auf ihn verlassen. Schminke, ein alter Gewerkschafter, ist SPD-Landtagsabgeordneter in Niedersachsen. Und im Juni 2016 konnte er nicht mehr stillhalten. Seit Monaten hatte er Berichte gehört, über die schlimme Situation in einem Pflegeheim in Hedemünden mit dem blumigen Namen „Haus der Heimat“: über Pflegemängel, möglichen Abrechnungsbetrug, Untreue.

Schminke wandte sich an die Öffentlichkeit und verglich die Zustände mit jenen in einem Pflegeheim auf Norderney, dessen Name „Inselfrieden“ ebenfalls mehr verspricht, als es eingelöst hat. „Inselfrieden“ hatte eine andere, mittlerweile insolvente Betreiberfirma. Die Geschäftsführerin jedoch war auch hier Bettina K., wie beim „Haus der Heimat“.

K. wiederum, selbst Rechtsanwältin, ging zum Gegenangriff über. Sie zeigte Schminke wegen Verleumdung an. Die Staatsanwaltschaft reagierte routinemäßig und beantragte die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten. Ein Vorgang, der durch die Presse ging. Schminke hat nun den Ältestenrat des Landtags gebeten, dem nicht stattzugeben. Er will sich nicht mundtot machen lassen.

Tatsächlich sind die Vorwürfe, die auch die zuständige Heimaufsicht des Landkreises Göttingen gegen die Geschäftsführerin und das „Haus der Heimat“ erhebt, gravierend. Ein Prüfbericht von Juli, der der taz vorliegt, liest sich wie eine Horrorgeschichte: Bei einer „bettlägerigen Bewohnerin wurde eine kotverschmutzte Bettdecke auch nach der grundpflegerischen Versorgung nicht gewechselt“, heißt es da etwa. Teilweise waren Bewohner stark verschmutzt, wurden über Wochen nicht geduscht – ein Bewohner über 49 Tage nicht. „Eine Achtung der Würde des Menschen“ sei „nicht erkennbar“, heißt es an anderer Stelle. Drei Bewohner würden fixiert oder eingesperrt.

Seit Sommer herrscht ein „Belegungsverbot“, also eine „Teiluntersagung des Betriebes“, wie Kreissprecher Ulrich Lottmann erklärt. Zwar habe sich im Haus seitdem viel verbessert, aber längst nicht alle Mängel seien abgestellt.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt gegen die Geschäftsführerin in gleich mehreren Verfahren: wegen Körperverletzung, weil eine Bewohnerin zu spät und mit einem wundgelegenen offenen Rücken ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wegen Untreue, weil die Taschengelder nicht an die Bewohner ausgezahlt, sondern eingesackt worden sein sollen, wegen Falschabrechnungen von Einzelbetreuungen von Menschen, die gar nicht da waren, und weil Windeln über einen Bewohner abgerechnet wurden, der nicht inkontinent ist.

Auch bei der Staatsanwaltschaft Aurich laufen weiterhin Ermittlungen gegen K. wegen der Zustände im Haus „Inselfrieden“: auch hier wegen möglicher Veruntreuung des Taschengeldes der BewohnerInnen und möglicher pflegerischer Versäumnisse.

Bewohner waren stark verschmutzt, wurden über Wochen nicht geduscht

All das würde Schminke der Staatsanwaltschaft gern ausführlich vortragen – doch er kann nicht. Denn das wären schon Ermittlungen, die erst einsetzen dürfen, wenn seine Immunität aufgehoben wäre.

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