Aberkennung der Gemeinnützigkeit: Attac klagt in Karlsruhe
Die Globalisierungskritiker:innen erheben Verfassungsbeschwerde gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit. Das ist auch für andere NGOs wichtig.

Attac-Fahne bei einer Anti-Atom-Demonstration Foto: Sven Simon/ddp
BERLIN taz | Das globalisierungskritische Netzwerk Attac klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Entzug seiner Gemeinnützigkeit. Der Bundesfinanzhof habe die Abgabenordnung verfassungswidrig ausgelegt, als er der Organisation die Gemeinnützigkeit entzogen hat, teilte Attac am Montag mit. Von dem Urteil hängt auch für andere NGOs viel ab.
Die Anerkennung als gemeinnützig ist für Organisationen wichtig, weil Unterstützer:innen so Spenden von der Steuer absetzen können. Die Abgabenordnung regelt, welche Zwecke als gemeinnützig gelten, etwa Förderung der Religion, der Volksbildung und des demokratischen Staatswesens. Attac hatte die Gemeinnützigkeit mit den Zwecken politischer Bildung und Förderung der Demokratie beantragt und erhalten. Das Finanzamt Frankfurt am Main hatte der Organisation im Jahr 2014 die Gemeinnützigkeit aber wegen allgemeinpolitischer Betätigung entzogen.
Die Globalisierungskritiker:innen wehrten sich dagegen erfolgreich vor dem Finanzgericht Hessen. Doch das damals von Wolfgang Schäuble (CDU) geführte Bundesfinanzministerium wies die Frankfurter Behörde an, in Revision zu gehen. Der Bundesfinanzhof schloss sich der Sicht des Finanzamtes an. Politische Bildung müsse offen sein, die Kampagnen von Attac etwa zur Finanztransaktionsteuer oder Steuerflucht gingen aber in eine klare Richtung, hieß es.
Attac stellt seit 2014 keine Spendenquittungen mehr aus. „Für uns ist das nicht existenzbedrohend, weil es eine starke Solidarisierung gab“, sagte Attac-Sprecherin Frauke Diestelrath. Aber für viele kleinere Organisationen sei der Verlust der Gemeinnützigkeit durchaus bedrohlich. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs gegen Attac haben auch andere ihre Gemeinnützigkeit verloren, etwa die Onlinekampagnenorganisation Campact.
Versprochene Reform bleibt aus
Um gemeinsam gegen den drohenden Verlust der Gemeinnützigkeit vorzugehen, haben sich NGOs zur Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammengeschlossen, der mittlerweile 180 Vereine und Stiftungen angehören. „Es ist ein Trauerspiel, dass Attac vor das Verfassungsgericht ziehen muss“, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz. Durch die fehlende Steuerbegünstigung werde Attac gegenüber anderen Akteur:innen diskriminiert. Lobbybeiträge von Unternehmen seien steuerbegünstigt.
Eigentlich wollte die SPD das Gemeinnützigkeitsrecht so reformieren, dass gemeinnützige Organisationen politisch tätig sein können. Mit dem im Dezember 2020 vom Bundestag verabschiedeten Jahressteuergesetz wurde das Gemeinnützigkeitsrecht zwar um einige Zwecke wie Klimaschutz oder Friedhofspflege ergänzt. Aber nach wie vor fehlt eine gesetzliche Klarstellung zur politischen Betätigung für gemeinnützige Zwecke, kritisiert Diefenbach-Trommer.
Leser*innenkommentare
Daniel Drogan
Toi toi toi Jungs. Wie können solche Vereine/Organisationen nicht gemeinnützig sein, dafür Faschoverbände und Militärorganisationen schon?
GregTheCrack
Klarstellung: Die "steurliche Abzugsfähigkeit" ist eine Steuersubvention. ATTAC möchte steuerlich Subventioniert werden.
mecki
Nun, bei dem bißchen, was ich spende, macht die Steuerabsetzbarkeit nicht viel aus. Aber, was ist Attac, wenn nicht gemein nützig?
Kall Napp
@mecki Genau...
vor allem wenn Lobbyvereine und Interessensverbände weiterhin als gemeinnützig anerkannt bleiben.
Und jetzt erst recht!
Ich spende an Attac und Campact noch mehr seit denen die Gemeinnützigkeit abgesprochen wurde.
Bolzkopf
@Kall Napp Lobbyvereine und Interessensverbände ... Allen voran der Deutsche Richterbund - der natürlich gemeinnützig ist.