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ANC-Debakel bei den Wahlen in SüdafrikaZeitenwende in Südafrika

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Dem ANC gebührt Respekt, dass er sein Wahldesaster akzeptiert. Doch nun ist unsicher, was auf Expräsident Zumas Kampfansage folgt.

Kann sich freuen: Für den früheren Präsidenten Jacob Zuma liefen die Wahlen super. Der ANC ist seine absolute Mehrheit los Foto: Themba Hadebe/ap

N och nie hat in Afrika eine ehemalige bewaffnete Befreiungsbewegung die Macht an der Wahlurne wieder abgegeben. Wahlmanipulation und Fälschung, Parteienmonopol und Staatsterror, Korrumpierung und Einschüchterung – die Mittel zum Machterhalt sind vielfältig, von Simbabwe bis Eritrea, von Algerien bis Angola. Umso lobenswerter ist es, dass Südafrikas ANC (African National Congress) jetzt sein Wahldebakel umstandslos akzeptiert.

Vor 30 Jahren bejubelte die Welt Südafrikas friedlichen Übergang von der Apartheid-Gewaltherrschaft zur Mehrparteiendemokratie. Heute könnte das Land mit dem Übergang zu einer pluralen Regierung den Respekt zurückgewinnen, den es ansonsten längst eingebüßt hat. Doch die Zeichen stehen auf Sturm. Dem Niedergang des ANC entspricht kein Aufstieg einer neuen politischen Kraft, die das junge moderne Südafrika des 21. Jahrhundert verkörpern könnte.

Er ist das Ergebnis einer internen Spaltung. Präsident Cyril Ramaphosa und sein Vorgänger und Rivale Jacob Zuma standen sich jetzt erstmals mit zwei getrennten Parteien gegenüber. Deswegen rutschte der ANC von 57 auf 40 Prozent ab, während die neue Zuma-Partei 15 Prozent holte. Ramaphosa steht für unerträglichen Stillstand, aber Zuma steht für gefährlichen Rückschritt. Er ist ein gnadenloser Populist im Stile Donald Trumps.

Er missachtet Institutionen, schürt Ressentiments, hält sich selbst für unantastbar und geht über Leichen. Seit seiner gescheiterten Präsidentschaft zerstört er den ANC, erst von innen, jetzt von außen. Dass er seine neue Partei nach dem einstigen bewaffneten Flügel des ANC benannt hat, zeigt, dass er nichts Neues anbieten möchte. Vielmehr orientiert er sich an Altem, an aus der Zeit Gefallenem. Wenn er jetzt auch noch das Wahlergebnis infrage stellt, legt er die Axt an die politische Ordnung Südafrikas.

Hoffen auf eine Koalition

Es ist nicht sicher, dass der ANC dem nach 30 Jahren an der Macht etwas entgegenzusetzen hat. Die Alten sterben weg, die Jungen wenden sich ab. Bei Südafrikas ersten freien Wahlen hatte das Land 43 Millionen Einwohner, der ANC erhielt über 12 Millionen Stimmen. Jetzt sind davon gerade einmal 6,5 Millionen Stimmen übriggeblieben, bei 60 Millionen Einwohnern. Eine erfolgreiche ANC-Koalitionsbildung würde jetzt die Stärke von Südafrikas Demokratie unter Beweis stellen.

Oder aber es zeigt sich, dass der Kipppunkt erreicht ist, ab dem die einstige Befreiungsbewegung ihre integrative Kraft verliert. Dann schlägt die Stunde von Chaoten wie Zuma. Man kann Südafrikas Freiheitskampf nur wünschen, dass ihm ein so finsterer letzter Akt erspart bleibt.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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  • Die Leute haben genug von Korruption und wählen dafür dann Zuma? Mehr Teufel mit Beelzebub austreiben geht kaum.

  • In der Tat ist es ein Zeichen einer guten Demokratie, wenn Wahlen auch zu Machtwechseln führen und nicht getrickst wird. Wobei in Südafrika noch genügend andere Baustellen bleiben.



    Wer keine Zumas möchte, sollte wohl mehr Ressourcen in die nachhaltige und soziale Entwicklung in der Fläche stecken, auch wenn ein Schwerreicher dort dann vielleicht einen Privatjet weniger hätte.

    • @Janix:

      Die Zumas oder Trumps in ihrem Lauf hält keine soziale Entwicklung auf.

  • Hat in Ghana JJ Rawlings seine Macht nicht an der Wahlurne verloren?

  • Der ANC hat bei den Wahlen 2019 und 2024 drastisch verloren. Von 62% ging es runter auf 40%. Die Zustimmung zum ANC scheint drastisch zu fallen. Die Stimmen, die der ANC verloren hat, gingen an die ANC-Abspaltung MK unter dem Ex-Präsidenten Zuma und an die ANC-Abspaltung EFF unter dem früheren ANC-Youth-League-Führer Malema. D.h. der ANC hat drastisch verloren, aber knapp 2/3 der Südafrikaner wählen wie eh und je ANC-Politik. Es hat sich eigentlich nicht viel verändert im Land. Strömungen, die es bislang unter dem ANC-Dach gab, sind jetzt außerhalb des ANC.

    Der ANC hat sich demokratisch reif gezeigt und die Wahlen offensichtlich nicht manipuliert. Die Bevölkerung hat sich zumindest in Teilen demokratisch unreif gezeigt, z.B. wenn die Zulus in KZN Zumas MK nur deshalb wählen, weil er eben ein Zulu ist. Parlamentswahlen sollten auf der Basis von politischen Programmen und nicht auf der Basis von Stammeszugehörigkeiten entschieden werden.

    Es wird nun spannend, welche Koalition es gibt und ob Ramaphosa sich halten kann. Eine Koalition mit MK oder EFF dürfte Investoren noch mehr abschrecken als aktuell. Eine Koalition mit der DA könnte zumindest graduelle Verbesserungen bringen.