90. Geburtstag von Giorgio Armani: Der Stil ist immer noch tadellos
Giorgio Armani wird 90 Jahre alt. Seine Mode zeichnet sich durch gleichmäßig-normative „Schönheit“ aus. Aufhören will der Italiener nicht.
Neunzig ist kein Alter. Jedenfalls nicht für ihn: Vor knapp zwei Wochen kuschelte der Designer Giorgio Armani sich bei seiner Armani-Privé-Herbstshow in Paris noch – braungebrannt und die blitzweißen Zähne bleckend – an Promigast Cate Blanchett, beide in schickem Understatement-Schwarz. Giorgio Armani, der am 11. Juli sein zehntes Lebensjahrzehnt beginnt, ist weit entfernt von der üblichen Abdankstimmung, die die Leiter von Modeimperien normalerweise nach ein paar Jahrzehnten Stressarbeit mehr oder weniger freiwillig befällt.
Ob Armani angesichts seines anhaltenden vestimentär-finanziellen Erfolgs nicht aufhören will oder nicht kann, wäre zu diskutieren. Es mag sein, dass er seinen Style einfach noch nicht ausreichend verbreitet sieht. Das gemeinsam mit seinem Lebens- und Geschäftspartner Sergio Galeotti 1975 gegründete Label wird weiterhin von ihm persönlich geführt und steht weiterhin für mondäne Entwürfe in zurückhaltender Coolness. Der mit Gucci und Pucci, später mit Versace und Dolce & Gabbana für außergewöhnliche Designs und farbenfrohe Muster bekannten italienischen Mode fügte Armani in den 70ern eine neue, moderne Note hinzu, die auch weniger Modemutige tragen konnten. Armanis Stil bedeutet handwerkliche Kunst und tadelloser Stil, ohne zu provozieren.
Dabei steht der Mut Armani – in gewisser Hinsicht: Seine eigene Homosexualität versteckte der bis ins Detail organisierte, fleißige Ex-Medizinstudent nie, postulierte sie aber auch nicht übermäßig. Der ausgebildete Schaufensterdekorateur und Einkäufer aus einer armenischstämmigen Familie stand für Lässigkeit in der Gendertypologie: Frauen steckte er schon früh in Anzüge, die ihre Kurven betonten und trotzdem locker saßen.
1980 verwandelte er den Schwarm aller Frauen und Schwulen Richard Gere in Paul Schraders Film „Ein Mann für gewisse Stunden“ in den perfekten „American Gigolo“ – und ließ Gere seinen makellosen Rumpf unter einem hellen, fließenden Jackett im offenen Armani-Hemd entblößen.
Klassisch eben, genau wie seine oft schwarz-weißen Fotostrecken: Bei Armani findet sich viel gleichmäßig-normativer „Schönheit“, dargeboten von Models mit leicht geöffnetem Mund und eingeöltem Waschbrettbauch. Körperpolitisch revolutionär ist er selten. Dass er 2010 in einer Kampagne für „Armani Exchange“ gleichgeschlechtliche Models in Umarmungen zeigte, ist schon fast das stärkste Statement diesbezüglich aus seinem Haus.
Geschäftlich ist er ebenso straight: Nach dem HIV-Tod seines Partners im Jahre 1985 hatte er Paleottis strategische und bürokratische Aufgaben übernommen und es geschafft, die Traditionsmarke sicher durch die 90er und 00er Jahre zu hieven. Über Zweitlinien bringt er schon lange Jeans, Unterwäsche, Sonnenbrillen und Parfums auf den Markt – ihm geht es nicht um Exklusivität.
Um Luxus allerdings schon, egal in welchem politischen Umfeld: Armani entwirft Luxusresidenzen in den chinesischen Metropolen Chengdu und Peking und eröffnete nach eigenen Entwürfen eingerichtete Luxushotels in Dubai. Finanziell ist das lukrativ: 2022 machte Armanis (im Gegensatz zur Konkurrenz) unabhängiges Modeimperium einen Umsatz von 2,35 Milliarden Euro, Forbes schätzt das Privatvermögen des Italieners auf rund 11 Milliarden Euro. Dass Armani im April dieses Jahres erstmals öffentlich über die Zukunft seines Unternehmens nach seiner Ablösung nachdachte, scheint einen gewissen beginnenden Realitycheck anzudeuten. Gefeiert wird heute trotzdem. Aber vermutlich erst nach dem täglichen Workout.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg