9 Euro ÖPNV-Fahrkarte der Ampelregierung: Neues Ticket womöglich schon im Mai

Das von der Bundesregierung angekündigte 9-Euro-Monatsticket für den ÖPNV soll bald kommen. Viele Details sind aber noch unklar.

Eine Frau mit Kaffeebecher steht vor einer haltenden Bahn

U-Bahn in Hannover: Während der Pandemie haben viele den ÖPNV gemieden. Das soll sich wieder ändern Foto: Martin Dziadek/imago

BERLIN taz | Das von der Bundesregierung geplante 9-Euro-Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr könnte schon in wenigen Wochen angeboten werden. „Wir setzen alles daran, dass es im Mai kommt, möglicherweise wird es aber Juni“, sagte Lars Wagner, Sprecher des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). An den Details arbeite die Branche mit Hochdruck. Das Ticket soll möglichst bundesweit einheitlich angeboten werden. Dazu müssen sich 450 Unternehmen und 60 Verkehrsverbünde verständigen.

Als Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung haben SPD, Grüne und FDP in der vergangenen Woche angekündigt, dass für den öffentlichen Nahverkehr vorübergehend ein Monatsticket für den Preis von 9 Euro eingeführt werden soll. Weil es über drei Monate erhältlich sein soll, haben sich die Parteien die irreführende Bezeichnung „9 für 90“-Ticket ausgedacht – 90 Tage kosten aber 27 und nicht 9 Euro. Wie schnell und in welcher Form das Angebot realisiert werden soll, hatte die Bundesregierung im Vorfeld nicht mit der Branche geklärt. Die Unternehmen wurden von dem Vorhaben überrascht und versuchen jetzt, sich so schnell wie möglich über Details zu verständigen.

Unklar ist beispielsweise, über welche Tarifgebiete sich das 9-Euro-Ticket erstrecken soll. In einigen Verkehrsverbünden ist die Reichweite einer einfachen Fahrkarte sehr hoch, in anderen nicht. Die Nahverkehrstarife in Deutschland sind stark zersplittert. Eine Abstimmung der Verkehrsunternehmen über bundesweit einheitliche Vorgaben ist komplex.

Preise im Nahverkehr sind politische Preise. Sie werden von Gremien aus Ver­tre­te­r:in­nen von Ländern und Kommunen in der Regel für ein Jahr festgelegt. Anschließend müssen sie von den Ländern genehmigt werden. Dieses Prozedere muss auch für das 9-Euro-Ticket durchlaufen werden. Immerhin hat das Projekt eine Art Vorläufer. Mit einheitlichen Vorgaben haben die Verkehrsbetriebe bereits im vergangenen Jahr Erfahrungen gemacht: Im Herbst konnten alle Stamm­kun­d:in­nen mit Monatskarte zwei Wochen den gesamten öffentlichen Nahverkehr in Deutschland nutzen. „Damals hatten wir aber mehrere Monate Vorlauf“, sagte Wagner.

Lan­des­mi­nis­te­r:in­nen für Nulltarif

Die Lan­des­ver­kehrs­mi­nis­ter:­in­nen­kon­fe­renz hat bei einer Sondersitzung am Freitag einhellig begrüßt, dass die Bundesregierung die Kosten für den ÖPNV senken will. Eine Mehrheit der Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen fordert aber statt des geplanten 9-Euro-Tickets für drei Monate einen Nulltarif, um den administrativen Aufwand zu begrenzen und das Angebot schnell und bundeseinheitlich einführen zu können. Allein für die Umstellung der Fahrkartenautomaten würden die Verkehrsunternehmen Wochen brauchen, hieß es. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll sich mit den Einzelheiten des Vorschlags befassen. Sie muss allerdings erst noch gegründet werden.

Darüber hinaus haben die Lan­des­ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen angemahnt, die Zuschüsse des Bundes für den ÖPNV, die sogenannten Regionalisierungsmittel, massiv zu erhöhen. „Wir haben im ÖPNV seit Längerem steigende Personal-, Bau- und Energiekosten, die nicht weiter von den Ländern und Kommunen alleine geschultert werden können“, sagte die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), die zurzeit Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz ist. „Zudem steht der Bund in der Pflicht, seine Klimaziele umzusetzen.“ Deshalb müsse er mehr Mittel für den massiven Ausbau bereitstellen.

Ein bundesweit kostenloser ÖPNV für drei Monate würde laut VDV rund 3,25 Milliarden Euro kosten, wenn Ticketeinnahmen von insgesamt etwa 13 Milliarden Euro jährlich – wie vor der Pandemie – zugrunde gelegt werden. Wie viel für das 9-Euro-Ticket für drei Monate nötig ist, berechnet die Branche zurzeit. Die Bundesregierung hat zugesagt, das Geld zur Verfügung zu stellen.

Für die Verkehrsbetriebe wäre die Null-Euro-Lösung zwar administrativ tatsächlich leichter zu bewältigen. „Trotzdem wäre diese Lösung für die Unternehmen schwierig“, sagte Wagner. Denn die Unternehmen hätten dann kaum noch die Möglichkeit, zu planen und statistische Erkenntnisse zu gewinnen. „Wir müssen wissen, wer wann wie fährt“, sagte er. Nur so sei festzustellen, wie erfolgreich das Angebot sei. Die Branche diskutiert allerdings, den Stamm­kun­d:in­nen – also den In­ha­be­r:in­nen von Monatskarten, Job- oder Semestertickets – für drei Monate ein kostenloses Ticket anzubieten.

Stamm­kun­d:in­nen sollen auf jeden Fall auch von dem Rabatt profitieren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang haben betont, dass diese Gruppe ebenfalls entlastet werden soll. In welcher Form, ob als Rückerstattung oder Gutschrift, steht noch nicht fest. Einige Verkehrsverbände haben Kun­d:in­nen bereits aufgefordert, ihr Abo nicht vorschnell zu kündigen.

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