3G am Arbeitsplatz: Mehr Impfdruck für Reinigungskräfte
Für Ungeimpfte gilt ab Mittwoch eine Testpflicht am Arbeitsplatz. Das stellt manche Branchen aus dem Handwerk vor Probleme.
„Diese Vorgabe ist von Reinigungsmitarbeiterinnen in kleinen Objekten, die alleine arbeiten, nicht zu erfüllen“, sagt Wolfram Schlegel, Geschäftsführer der Landesinnung des Gebäudereiniger-Handwerks Baden-Württemberg, der taz, „in den kleinen Objekten ist schlichtweg kein zweiter Mitarbeiter da, der ein Testergebnis vor Ort oder ein Zertifikat aus einem Testzentrum überhaupt kontrollieren könnte“.
Das Infektionsschutzgesetz der neuen Ampelkoalition, das an diesem Mittwoch in Kraft tritt, sieht vor, dass Arbeitgeber und Beschäftigte in Arbeitsstätten, in denen „physische Kontakte“ zu anderen „nicht ausgeschlossen werden können“, nur betreten dürfen, wenn sie den Nachweis einer vollständigen Impfung, einer Genesung von einer Sars-Cov-2-Infektion oder den eines negativen Testergebnisses vorlegen können. Das negative Testergebnis darf kein Selbsttest sein, der zu Hause durchgeführt wurde. Es muss sich um ein Zertifikat aus einem Testzentrum handeln, nicht älter als 24 Stunden, oder um einen Schnelltest, den die Mitarbeiterin unter Aufsicht einer weiteren beauftragten Person vor Ort an der Arbeitsstätte durchgeführt hat.
Der Zentralverband des Handwerks begrüßt die Kontrollen zwar, sieht aber auch Korrekturbedarf. Es brauche eine „Nachbesserung zu den Kontrollvorschriften für solche Betriebe, bei denen die meisten Beschäftigten direkt zu den Baustellen und dann oft noch zu täglich wechselnden Objekten und Arbeitsorten fahren“, erklärte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes.
Für Reinigungskräfte schwer umzusetzen
Die Innungen des Gebäudereinigerhandwerks mit den vielen Teilzeitkräften und Minijobber:innen in der Branche finden die Regelungen besonders schwer umzusetzen. Eine ungeimpfte Reinigungskraft, die allein vor Ort arbeitet, könnte zwar jeden Morgen ein aktuelles negatives Testergebnis aus einem Testzentrum, das sie zuvor aufgesucht hat, mit ihrem Handy abfotografieren und per Mail an ihren Arbeitgeber schicken. „Dies ist aber mit einem Aufwand an Zeit und Kosten verbunden, sodass sich möglicherweise eine Reinigungstätigkeit von zwei Stunden an einem Morgen gar nicht mehr lohnt“, sagt Schlegel.
Bürger:innen haben Anspruch auf zumindest einen kostenlosen Test in einem Testzentrum pro Woche, es kann aber auch mehr kostenfreie Tests geben. Weitere Testkosten müssen die Ungeimpften selbst tragen. Arbeitgeber wiederum müssen zwei Tests in der Woche kostenlos bereitstellen. Getestet werden darf nur unter Aufsicht eines Beauftragten aus der Firma.
Viele im Gebäudereinigerhandwerk sind ungeimpft
Im Gebäudereinigerhandwerk sind viele Mitarbeiter:innen ohne Schutz gegen Corona. Schlegel schätzt den Anteil der Ungeimpften in der Branche auf „20 bis 40 Prozent“. Viele Mitarbeiter:innen kämen aus anderen Ländern, etwa aus Osteuropa, und hegten Misstrauen gegen Impfungen.
Die Innung würde sich andere Kontrollmöglichkeiten wünschen. Man müsste „differenzieren“, findet Schlegel. Bei einzeln arbeitenden Reinigungskräften würden ihm tägliche Selbsttests und stichprobenartige Kontrollen genügen.
In größeren Unternehmen gibt es derartige Probleme nicht. Bei Siemens in Nürnberg zum Beispiel gelte schon länger eine 3G-Regel, entsprechend dem Infektionsschutzmaßnahmengesetz in Bayern, berichtet Unternehmenssprecher Wolfram Trost. Die Beschäftigten dort können nur mit Firmenausweisen die Drehkreuze passieren. „Die Firmenausweise wurden zwischenzeitlich gesperrt und der Impfstatus erfragt“, schildert Trost.
Wer den Nachweis einer vollständigen Impfung oder eines Genesenenstatus erbrachte, dessen Ausweis wurde freigeschaltet – er oder sie kann jetzt wie bisher mit dem Firmenausweis die Drehkreuze passieren. Bei Geimpften ist kein täglicher Nachweis des Impfstatus erforderlich. Ungeimpfte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen dagegen täglich den Nachweis eines zertifizierten negativen Tests erbringen.
Die Wirkung der Impfstoffe lässt mit der Zeit nach. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfiehlt eine dritte Booster-Impfung nach sechs Monaten oder sogar schon früher. Aber auch wenn die zweite Impfung schon mehr als sechs Monate zurückliegt, bleibt der Status „geimpft“ für die ArbeitnehmerInnen nach der derzeitigen Regelung erhalten.
„Es ist kein Auslaufen des Impfstatus nach zweimaliger Impfung geplant“, sagt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums auf Anfrage. Allerdings sei es „nicht ausgeschlossen, dass sich das mit der Zeit ändert“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?