200. Geburtstag von Clara Schumann: A star was born
Zu Lebzeiten überstrahlte Clara Schumann ihren Mann Robert. Nach seinem Tod ist es umgekehrt. Nun gibt's eine Ausstellung.
„Ich will nicht Pferde, nicht Diamanten, ich bin ja glücklich in deinem Besitz, doch aber will ich ein sorgenfreies Leben führen und ich sehe ein, dass ich unglücklich sein würde, wenn ich nicht immerfort in der Kunst wirken könnte“, schrieb die 18-jährige Clara Wieck im Jahr 1837 an ihren Verlobten, den neun Jahre älteren Komponisten Robert Schumann, der damals nicht annähernd so berühmt war wie sie selbst.
Bereits als sehr junges Mädchen feierte Clara deutschlandweit und im Ausland große Erfolge als Künstlerin am Klavier. Ihr Vater Friedrich Wieck, ein musikalischer Autodidakt mit pädagogischem Weitblick, hatte sie unterrichtet und zu einer der bedeutendsten PianistInnen ihrer Zeit gemacht. Bedingungslosen Gehorsam gewohnt und erwartend, lehnte Wieck eine Verbindung seiner Tochter mit dem in mancherlei Hinsicht wenig soliden Schumann rundweg ab. Einen reichen Mann sollte Clara heiraten, damit eine komfortable ökonomische Situation es ihr ermöglichen würde, ihre Kunst auszuüben.
Doch es kam anders. Die zuvor so folgsame junge Frau erwies sich in dieser Herzensangelegenheit als ausgesprochen eigensinnig, überwarf sich mit dem Vater und zog gemeinsam mit Robert vor Gericht, um die Eheschließung durchzusetzen. Die Liebenden gewannen den Prozess. Clara Wieck wurde zu Clara Schumann, gebar in 14 Jahren acht Kinder, von denen sieben das Erwachsenenalter erreichten, ertrug die depressiven Phasen des vermutlich an einer bipolaren Störung leidenden Robert, organisierte den wachsenden Haushalt ganz allein und erspielte überdies mit ihrer Konzerttätigkeit einen großen Teil des Familieneinkommens. Ihren Mann, der mit 46 Jahren in einer psychiatrischen Klinik starb, überlebte sie um 40 Jahre. 16 Jahre waren sie verheiratet gewesen.
Nicht nur während diese Ehe dauerte, sondern auch davor und danach setzte Clara sich sehr für die Werke Robert Schumanns ein, pflegte sie in ihre Konzertprogramme aufzunehmen und wurde nach dessen Tod zur Nachlassverwalterin und Herausgeberin. So schwierig ihr Witwenschicksal und das Leben an der Seite ihres Mannes oft gewesen sein mögen: Was den späten Nachruhm betrifft, hat Clara Schumann mit ihrer Ehegattenwahl wohl mehr als recht behalten; hat sie doch mit dem, was die Musikwissenschaftlerin Beatrix Borchard „Gestaltung von Erinnerung“ nennt, auch sich selbst – sowie ihrem Vater – einen Platz in der Musikgeschichte gesichert.
Gute Gründe für Clara
Während zu Lebzeiten Robert Schumanns der Ruhm seiner Frau seinen eigenen weit überstrahlte, war es im Nachhinein schließlich umgekehrt. Mehr noch: Wäre aus Clara Wieck nicht Frau Schumann geworden, wäre sie heute so gut wie vergessen. Ihre vielfach bezeugte Interpretationskunst und Brillanz ist mit ihr selbst gestorben und kann nicht mehr nacherlebt werden; die Musik Robert Schumanns aber erklingt zwei Jahrhunderte später noch.
Empfohlener externer Inhalt
Die Musik
Zwar trat Clara ebenfalls als Komponistin in Erscheinung, hatte aber in dieser Beziehung keine besonders hohe Meinung von sich selbst. Dass sie als Frau sich überhaupt schöpferisch betätigte, war bereits unerhört genug.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts begannen Frauen im Musikleben eine wichtigere Rolle zu spielen; beziehungsweise sie wurden sichtbarer. War Clara Schumann als öffentlich gefeierte Solistin in ihrer Jugend noch eine Ausnahmegestalt gewesen (die 14 Jahre ältere Fanny Hensel etwa, Felix Mendelssohns Schwester, trat nur in privatem Rahmen auf), so bildete sie später an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt selbst Pianistinnen aus. Allerdings war sie unter den Lehrenden der 1878 gegründeten Institution lange Zeit die einzige Frau und auch nur deswegen angestellt worden, weil sie nach Ansicht des Direktors „eben wohl als Mann“ gelten konnte.
In den vergangenen Jahrzehnten ist viel geforscht und geschrieben worden über die gendersoziologischen Aspekte des vergangenen Musiklebens. Auch in den Museumsbereich hat diese Perspektive Einzug gehalten.
Ein neues gelungenes Beispiel dafür kann nun in Leipzig besucht werden, wo die frisch vermählten Schumanns einst ihre ersten vier Ehejahre verbrachten. Im Schumann-Haus, der damaligen Wohnung des Paares in der Inselstraße, ist zu Ehren von Claras 200. Geburtstag unter dem Titel „Experiment Künstlerehe“ eine neue Dauerausstellung eingerichtet worden, kuratiert von der Clara-Schumann-Forscherin Beatrix Borchard.
Der Fokus des Ausstellungskonzeptes liegt eindeutig mehr auf Clara als auf Robert. Das ist aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt. Zum einen gibt es in Zwickau, der Geburtsstadt des Komponisten, das Robert-Schumann-Haus, dem man als dem eigentlichen Schumannmuseum nicht unbedingt Konkurrenz machen muss.
Außerdem bietet Claras Lebensweg besondere Anknüpfungspunkte zum Kontext, in den das kleine Leipziger Museum gebettet ist; denn man teilt sich das Haus mit einer Grund- und einer Musikschule.
Ein Ausstellungsraum ist denn auch Claras Ausbildung und dem pädagogischen Wirken Friedrich Wiecks gewidmet. Dass Clara ebenso viel spazieren gehen wie Klavier spielen (nicht länger als drei Stunden täglich) musste, ist hier zu erfahren, aber auch, dass der cholerische Vater schon mal Noten zerriss, wenn die Performance des Kindes nicht seinen Erwartungen entsprach.
Animation mit Spinnchen
Hörstationen, Texttafeln, Bilder, Filmausschnitte und Objekte ergänzen einander. Ein Gipsabguss von Clara Schumanns Hand liegt in einer Vitrine; gegenüber auf einem Sockel eine Kopie in Holz. „Claras Hand darf berührt werden“, steht dabei, „ – bitte vorsichtig, behutsam oder zärtlich.“ (Sachte lege ich meine eigene Hand auf Claras hölzerne Rechte. Die Dame hatte wirklich große Hände! Ihr Daumen ist fast doppelt so lang wie meiner.)
Während man in dem schmalen Kabinett steht und sich durch das vielfältige Material arbeitet, wehen vom benachbarten „Klangraum“ Töne, Kinderstimmen, Solmisationssilben herüber: Der multimediale Raum wird an Werktagen zum Unterrichten genutzt.
Zu schulfreien Zeiten ist er für MuseumsbesucherInnen zugänglich, dann dürfen auch Erwachsene die historischen Objekte, die an der Decke hängen (meist Haushaltsgeräte aus Claras und Roberts Zeit) durch Bewegung zum Klingen bringen.
Schumann-Haus-Leipzig, Inselstraße 18; Mo.–Fr. 14 bis 18 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr
Aber auch an Werktagen ist es schön im Museum; dann stehen Kinderschuhe im Flur, und beim Schlendern von Raum zu Raum kann man kleinen Menschen auf dem Weg zur Musikstunde begegnen.
Jeder einzelne der Museumsräume hält ein multimediales Angebot bereit, das sowohl informativ ist als auch verschiedenen Bedürfnissen Rechnung trägt. Im „Hörkabinett“ kann man in Werke des Ehepaars Schumann hineinhören, während der „Ehe-Experimentierraum“ eine interaktive Klang-Film-Installation bereithält.
Mendelssohn spielte mir Clara vierhändig
Das „Reisekabinett“ ist ausgestaltet mit wandgroßen Landkarten, auf denen zwei ausgedehnten Konzertreisen nach Russland und Dänemark nachgegangen werden kann, die Clara und Robert gemeinsam unternahmen. Wer will, kann die Texte darin lesen; aber ebenso gut kann man Claras Konzertkleid bewundern oder sich an einer Hörstation einen Animationsfilm ansehen, in dem Clara brieflich über die Strapazen ihrer Russlandreise klagt – und im Wirtshaus sehr lebendig ein Spinnchen von der Decke baumelt.
Beatrix Borchard: „Clara Schumann – Musik als Lebensform“. Georg Olms Verlag, Hildesheim 2019. 431 S., 29,80 Euro
Clara Schumann: „Jugendtagebücher 1827–1840“. Herausgegeben von Gerd Nauhaus/Nancy B. Reich. Georg Olms Verlag, Hildesheim 2019. 703 S., 48 Euro (erstmals in vollständiger Ausgabe erschienen)
Der große Saal, in dem die Schumanns Gäste empfingen und wo musiziert wurde, wartet mit ein paar besonderen unter den normalen Stühlen auf. Sich hier zu setzen bedeutet, eine von mehreren individuellen Erzählungen aufs Ohr gespielt zu bekommen, in denen besondere Gäste des Hauses vorgestellt werden. Unter diesen der wichtigste: Felix Mendelssohn, seit 1835 Gewandhauskapellmeister, der in fußläufiger Entfernung wohnte und auch außerdienstlich gern bei Schumanns vorbeikam, um mit Clara vierhändig zu spielen.
Mit der Ausstellung ist gewissermaßen auch das Schumann-Mendelssohn-Band wieder neu geknüpft worden, denn unübersehbar wehte bei der Neugestaltung des Schumann-Ehe-Museums derselbe kreative Geist, der schon bei der Erweiterung des Mendelssohn-Hauses um eine Fanny-Hensel-Etage vor zwei Jahren wirksam geworden ist. Es ist wohl der besondere Geist der höchst lebendigen Musikstadt Leipzig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“