100-Tage-Bilanz des Senats: Bloß Digitalisierung klappt nicht
Die führenden Köpfe der rot-grün-roten Landesregierung bescheinigen sich gute Arbeit. Vizechef Klaus Lederer gefällt das Etikett „die bessere Ampel“.
37 seiner 40 zuvor selbst formulierten, nicht etwa von anderen vorgegebenen Ziele hat der Senat seit seinem Start am 21. Dezember nach eigener Einschätzung erreicht, bei zwei weiteren sei man „auf der Zielgerade“. Nur aus dem Projekt „Digitalisierung der Justiz“, das gegenseitige Akteneinsicht mit Hamburger Justizbehörden ermöglichen sollte, wird nichts. Eigentlich hochgradig peinlich, weil Digitalisierung ja ein Projekt ist, das auch bei allen Großthemen – Wohnungen, Schulbau, bürgernahe Verwaltung – wichtig ist. An zu hohen Lizenzkosten für Software und Vertragsbedingungen ist die Sache laut Giffey gescheitert – man habe sich „in Verantwortung für den Landeshaushalt davon verabschiedet“.
Was die Regierungschefin und ihre beiden Stellvertreter Bettina Jarasch (Grüne) und Klaus Lederer (Linkspartei) vor allem vermitteln wollen, ist: Wir verstehen uns und arbeiten gut zusammen. Der Streit über das Thema Enteignung gemäß dem Volksentscheid vom Herbst 2021? Eigentlich bloß ein Austausch unterschiedlicher Ansichten. Man zieht natürlich im Sinne Berlins an einem Strang, und Lederer fordert die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ auf, sich an der nun vom Senat beschlossenen Expertenkommission zu beteiligen.
Und Giffeys Reingrätschen in die Verkehrspolitik erst wenige Stunden zuvor, mit der Ansage, dass es so wie jetzt mit der autofreien Friedrichstraße nicht weitergehen könne? In Giffeys Augen kaum etwas anderes als die Haltung der eigentlich zuständigen Verkehrssenatorin Jarasch, die ein „Gesamtkonzept“ ankündigt, das weitere Straßen und den Gendarmenmarkt einbezieht. Und grundsätzlich geht es natürlich – O-Ton Giffey – „nicht um Parteipolitik, sondern darum, die Probleme der Stadt zu lösen“.
Giffey hebt Frauenanteil heror
Aber auch Klaus Lederer ist des Lobes voll: „Menschlich funktioniert es genauso gut wie am Ende der vergangenen Wahlperiode“, ist von ihm zu hören, der, anders als die beiden neben ihm, schon damals im Senat saß. „Am Ende“ soll heißen: Ab dem Moment, als der gemeinsame Kampf gegen Corona Streitthemen überlagerte. Lederer berichtet von einer Etikettierung der rot-grün-roten Regierung, die er am Morgen gelesen haben will und der er nicht widersprechen mag: „die bessere Ampel“.
Von Giffey muss dann natürlich auch noch etwas Umarmendes kommen: Sie erinnert daran, dass sieben der elf Senatsmitglieder Frauen sind – „ich weiß nicht, ob das eine Rolle spielt, aber ich bin sehr zufrieden mit den Mitgliedern der Landesregierung.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!