+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Scholz lehnt „Diktat-Frieden“ ab

Bundeskanzler Olaf Scholz will von Russland diktierte Bedingungen für einen Frieden verhindern. Russland weist den Vorwurf des Völkermords von sich.

Olaf Scholz im Bundeskanzleramt

Olaf Scholz während einer Sitzung des Sicherheitskabinett im Bundeskanzleramt, 12. April Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago

Scholz: „Kein Diktat-Frieden seitens Russlands“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sich weiterhin auch im Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für ein Ende des Krieges in der Ukraine einsetzen. Die Bundesregierung werde die Ukraine auch künftig bei den Bemühungen um einen Waffenstillstand und einen Rückzug der russischen Truppen unterstützen, sagte Scholz am Mittwoch im RBB-Inforadio. Deutschland habe die Aufgabe, „dafür zu sorgen, dass Bedingungen verhandelt werden können, die kein Diktat-Frieden seitens Russlands sind“. Deshalb bleibe er weiterhin auch mit dem russischen Präsidenten im Kontakt.

Die Ukraine müsse festlegen, zu welchen Bedingungen sie eine Vereinbarung mit Russland abschließen wolle, so Scholz: „Das können keine anderen Länder für die Ukraine machen.“

Der Bundeskanzler äußerte sich entsetzt über die Kriegsgräuel in der Ukraine. Die dortigen Kriegsverbrechen müssten aufgeklärt werden. Weiter sagte er, Deutschland werde nicht im Alleingang Angriffswaffen an die Ukraine liefern: „Wir haben eine Verantwortung, dass wir jetzt nicht Lobby-Interessen Folge leisten“, fügte er unter Hinweis auf Rüstungsgüter hinzu, „die seit vielen Jahren von niemandem gekauft werden“.

Bei den bisherigen Rüstungslieferungen sei darauf geachtet worden, dass die Waffen nutzbar und dass Ersatzteile verfügbar seien. Die Bundesregierung werde verhindern, dass Deutschland Kriegspartei wird. Daher liefert Deutschland laut Scholz nur Rüstungsgüter, für deren Einsatz nicht die Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine erforderlich ist. (epd)

Kreml zu Völkermord-Vorwurf: „Kategorisch nicht einverstanden“

Russland hat den US-Vorwurf eines Völkermordes in der Ukraine entschieden zurückgewiesen. „Wir sind mit ihnen kategorisch nicht einverstanden“, kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch entsprechende Äußerungen von US-Präsident Joe Biden. „Wir halten Versuche, die Situation so zu verdrehen, für inakzeptabel“, meinte Peskow der Agentur Interfax zufolge. „Erst recht ist das – wie wir bereits gesagt haben – kaum akzeptabel für den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.“

Biden hatte Russlands Präsident Wladimir Putin angesichts der Gräueltaten in der Ukraine am Dienstag Völkermord vorgeworfen. „Ich habe es Völkermord genannt, denn es wird klarer und klarer, dass Putin einfach versucht, die Idee, überhaupt Ukrainer sein zu können, einfach auszuradieren“, sagte er.

Vor anderthalb Wochen hatten Bilder von den Leichen Hunderter Zivilisten im ukrainischen Ort Butscha weltweit für Entsetzen gesorgt. Auch ein Raketenangriff auf Flüchtlinge am Bahnhof von Kramatorsk schockierte über die Ukraine hinaus. Die Regierung in Kiew macht für das Verbrechen russische Soldaten verantwortlich und spricht von Völkermord. Moskau weist die Schuld an der Tötung der Menschen zurück. (dpa)

Selenskyj drängt EU zu russischem Öl-Embargo

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU-Staaten erneut zu einem entschlossenen Vorgehen gegen Russland aufgerufen. In einer Videoansprache im estnischen Parlament drängte er darauf, dem neuen Sanktionspaket ein Importverbot für russisches Öl hinzufügen. Es brauche ein europaweites Embargo, betonte Selenskyj am Mittwoch. Sanktionen seien das einzige Instrument, das Russland zum Frieden zwingen könne. „Wenn Europa Zeit verschwendet, wird Russland dies nutzen, um das Kriegsgebiet auf weitere Länder auszudehnen“, sagte Selenskyj. „Wir können Russland entweder aufhalten – oder ganz Osteuropa für sehr lange Zeit verlieren“.

Estlands Regierungschefin Kaja Kallas stimmte Selenskyj in ihrer Reaktion auf seine Ansprache zu. „Wir brauchen jetzt harte Energiesanktionen gegen Russland. Wir können die Aggression nicht weiter finanzieren“, twitterte sie nach der Rede des ukrainischen Präsidenten. Dafür sei schnellstmöglich ein Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs nötig.

Russland hat am 24. Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Selenskyj warf in seine Rede russischen Truppen vor, mehr als eine halbe Million Ukrainer nach Russland verschleppt zu haben. Dies entspreche der Einwohnerzahl von Estlands Haupstadt Tallinnn und einem Drittel der Gesamtbevölkerung, zog er einen Vergleich.

Auch Kallas prangerte in klaren Worten das russische Vorgehen in der Ukraine an. „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine weist deutliche Spuren eines Völkermords auf“, teilte sie mit. Alle Verantwortlichen müssten vor Gericht gestellt und bestraft werden. Estland werde die Ermittlungen auf jede erdenkliche Weise unterstützen, erklärte die Ministerpräsidentin des baltischen EU- und Nato-Landes. (dpa)

Scholz: Absage an Besuch von Bundespräsident Steinmeier „irritierend“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält die Absage an den Ukraine-Besuch von Präsident Frank-Walter Steinmeier für nicht nachvollziehbar. Die Entscheidung der ukrainischen Regierung sei „etwas irritierend, um es höflich zu sagen“, sagte Scholz am Mittwoch im rbb24-Inforadio. Steinmeier habe die russische Aggression in der Ukraine klar verurteilt und sei „das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland (…). Und deshalb wäre es auch gut gewesen, ihn zu empfangen“.

Die ukrainische Führung hatte am Dienstag einen Besuch Steinmeiers abgelehnt, der gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Polen und den drei baltischen Staaten nach Kiew reisen wollte. Diese brachen am Mittwoch ohne Steinmeier in die Ukraine auf. Die Entscheidung der Ukraine gilt als ungewöhnlicher diplomatischer Affront und als klares Anzeichen dafür, wie tief die Unzufriedenheit mit der deutschen Politik in der Ukraine ist.

Scholz betonte, er selbst sei erst wenige Tage vor Ausbruch des Krieges in Kiew gewesen. Außerdem telefoniere er regelmäßig mit Präsident Wolodymyr Selenskyj, zuletzt am Sonntag. „Es gibt kaum einen Staats- und Regierungschef, der so intensive Kontakte zu mir hat, wie der ukrainische Präsident“, sagte Scholz.

Mit Blick auf die von Kiew geforderten Waffenlieferungen sagte Scholz, er habe sich dafür eingesetzt, dass Deutschland – anders als viele Jahrzehnte zuvor – überhaupt Waffen in die Ukraine liefere. „Deutschland hat hier eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen.“ Viele andere Länder seien dieser Entscheidung gefolgt. „Wir liefern, wir haben geliefert und wir werden liefern.“ Deutschland werde hier aber „keinen Alleingang machen“ und „nicht anders agieren als andere Länder.“

Deutschland trage zugleich eine Verantwortung, welche Waffen geliefert würden, betonte der Kanzler. Berlin habe zusammen mit der Ukraine eine Liste erstellt und sorge jetzt dafür, dass dies umgesetzt werde. Dabei müssten die gelieferten Waffen auch für die Ukraine nutzbar sein, was Munition, Ersatzteile und Bedienung angehe – und ohne, dass etwa deutsche Soldaten in die Ukraine reisen müssten. (afp)

Vitali Klitschko: „Wir verteidigen auch eure Werte“

Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko hat Deutschland und die Welt aufgerufen, im Krieg gegen Russland weiterhin an der Seite der Ukraine zu stehen. „Wir verteidigen auch euch, jeden in Europa“, sagte Klischko am Mittwoch in einer live übertragenen Ansprache im Stadtrat von Kiews Partnerstadt Leipzig. Die ukrainischen Bürger und Soldaten verteidigten nicht nur ihre Familien und Häuser, sondern auch „unsere Werte und Prinzipien“.

Die Ukraine wolle Teil von Europa sein. „Wir wollen nicht in einem Land leben, wo es keine Menschenrechte, keine Pressefreiheit und keine demokratische Werte gibt“, sagte Klitschko. Er dankte Deutschland ausdrücklich für die Hilfe und Unterstützung unter anderem durch die Lieferung von Lebensmitteln und Waffen.

Er hoffe weiterhin auf eine diplomatische Lösung zur Beendigung des Krieges, auch wenn er diese derzeit nicht sehe. Es gebe nur zwei Möglichkeiten: den Druck auf Russland durch Sanktionen zu erhöhen oder weiter zu kämpfen, auch wenn niemand sagen könne, wie lange dieser Krieg noch gehe – „Wochen, Monate und – ich hoffe nicht – Jahre“, sagte Klitschko.

Es hänge alles auch von der Weltgemeinschaft ab, die „mit gleicher Stimme“ Druck auf den Kreml ausüben müsse, den Krieg zu beenden. Es sei „die gemeinsame Aufgabe, so schnell wie möglich Frieden in Europa, in die Ukraine zu bringen“ und damit Stabilität in die ganze Region.

Kiew ist seit mehr als 60 Jahren Leipzigs Partnerstadt. Leipzig hat mittlerweile rund 8000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. (afp)

EU finanziert weitere Waffenlieferungen an die Ukraine

Die EU wird weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Das kündigte der Rat der EU-Mitgliedssaaten am Mittwoch in Brüssel an. (dpa)

Scholz lässt Ukraine-Reise offen – Unterstützung für Steinmeier

Nach der ukrainischen Ablehnung eines Besuchs des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in Kiew hat die Bundesregierung die Unterstützung des Staatsoberhaupts für die Ukraine hervorgehoben. Steinmeier habe „sehr klar und eindeutig“ auf Seiten der Ukraine Stellung bezogen und nach seiner Wiederwahl im Februar an den russischen Präsidenten Wladimir Putin appelliert, die „Schlinge um den Hals der Ukraine“ zu lösen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Mittwoch. Die deutsche Unterstützung der Ukraine sei eng mit der langjährigen Arbeit des Bundespräsidenten verbunden. „Und das wird auch so bleiben.“

Büchner betonte auch: „Der Bundespräsident repräsentiert die Bundesrepublik Deutschland.“ Er machte damit deutlich, dass mit der Person Steinmeier auch Deutschland ausgeladen worden ist. Die Frage, ob die Bundesregierung von der Ukraine eine Rücknahme der Entscheidung erwarte, beantwortete Büchner nicht. Er ließ auch offen, ob Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Einladung der Ukraine zu einem Kiew-Besuch annehmen werde. „Über die Termine des Bundeskanzlers informieren wir sie immer dann, wenn sie anstehen“, sagte er. Er erwähnte in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich, dass der höchste Repräsentant des deutschen Staates die Ukraine ja „fast besucht hätte“.

Die ukrainische Regierung hatte den geplanten Besuch Steinmeiers am Dienstag überraschend abgelehnt. Eine Begründung wurde nicht genannt. Geplant war ein gemeinsamer Solidaritätsbesuch mit den Staatschefs Polens und der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Die anderen vier Staatschefs reisten alleine nach Kiew. (dpa)

Selenski: Europa muss weiteren Angriffen

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat die europäischen Länder abermals zu einem entschiedenen Vorgehen gegen Russland aufgerufen. „Wenn Europa Zeit vergeudet, wird Russland dies nutzen, um den Krieg auf weitere Länder auszudehnen“, sagte Selenski am Mittwoch in einer Videoansprache im estnischen Parlament. „Wir können Russland entweder aufhalten oder ganz Osteuropa verlieren.“

Der russische Angriff auf die Ukraine hat besonders in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen große Ängste geweckt. Die drei Länder sind EU- und Nato-Mitglied, haben bedeutende russischsprachige Minderheiten und warnen bereits seit Jahren vor einer möglichen russischen Aggression. (afp)

Putin: Können Gas und Öl auch in andere Länder exportieren

Ungeachtet westlicher Diskussionen über einen Importstopp für russisches Gas und Öl hat Kremlchef Wladimir Putin sich mit Blick auf Russlands Energiesektor zuversichtlich gezeigt. „Was russisches Öl, Gas und Kohle angeht: Wir können ihren Bedarf auf dem heimischen Markt steigern, die Weiterverarbeitung von Rohstoffen stimulieren sowie die Lieferungen von Energieressourcen in andere Regionen der Welt erhöhen, wo sie wirklich gebraucht werden“, sagte Putin am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge.

Um das zu realisieren, werde Russland „alle verfügbaren Möglichkeiten“ nutzen, betonte der Kremlchef. Dazu gehöre auch der Ausbau innerrussischer Transportwege. Er ordnete an, noch in diesem Jahr mit dem Bau des sogenannten Nördlichen Breitenwegs zu beginnen – einer rund 700 Kilometer langen Eisenbahnstrecke südlich der Halbinsel Jamal.

Wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Europäische Union einen Importstopp für russische Kohle beschlossen und weitere beispiellose Sanktionen verhängt. Vor einem Embargo für Öl und Gas schrecken Deutschland und andere Länder aber aus Furcht vor wirtschaftlichen Schäden bislang zurück.

Der Chef des russischen Rechnungshofes, Alexej Kudrin, räumte unterdessen deutlich spürbare Folgen der westlichen Sanktionen ein. „Natürlich muss unsere Wirtschaft umgebaut werden“, sagte Ex-Finanzminister. Sollten die Strafmaßnahmen auf dem bisherigen Niveau aufrechterhalten werden, werde eine erste Phase der Umstrukturierung ungefähr zwei Jahre dauern. Bislang importierte Waren durch heimische Produkte zu ersetzen, werde hingegen noch deutlich länger dauern. (dpa)

Leichen von 1500 russischen Soldaten in Dnipro nicht abgeholt

In den Leichenhallen der ukrainischen Stadt Dnipro werden ukrainischen Angaben zufolge die sterblichen Überreste von rund 1500 russischen Soldaten aufbewahrt. Niemand komme die Toten abholen, sagte der stellvertretende Bürgermeister der Industriestadt, Michail Lysenko, am Mittwoch dem von Washington finanzierten russischsprachigen Medium „Nastoijaschtsche Wremja“. Er hoffe, dass „russische Mütter kommen und ihre Söhne abholen können“.

„Ich habe eine Bitte (…): Wir werden alles organisieren, aber lassen Sie die russischen Mütter die Leichen ihrer Söhne einsammeln“, fügte er an die Adresse der russischen Behörden hinzu.

Dnipro liegt an der Grenze zu den östlichen Regionen des Landes und könnte nach Einschätzung von Beobachtern ein künftiges Ziel der russischen Armee sein. Russland äußert sich seit Beginn seiner Invasion nur selten zu seinen Verlusten in der Ukraine. In der vergangenen Woche räumte der Kreml allerdings ein, dass sie „erheblich“ seien.

In einem Dorf der südukrainischen Region Cherson wurden nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft unterdessen sieben Menschen von russischen Soldaten erschossen. Die sechs Männer und eine Frau seien am Dienstag in einem Haus des Dorfes Prawdyne getötet worden, hieß es in der Erklärung weiter. Anschließend hätten „die Besatzer das Haus mit den Leichen in die Luft gesprengt“, um ihre Tat zu vertuschen. (afp)

London verhängt Sanktionen gegen pro-russische Separatisten

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Großbritannien Sanktionen gegen 178 pro-russische Separatisten verhängt. Zudem würden weitere russische Oligarchen und deren Umfeld auf die Sanktionsliste gesetzt, erklärte das Außenministerium in London am Mittwoch. Die Sanktionen erfolgten in Abstimmung mit der EU und seien eine Reaktion auf „zahlreiche Informationen“, wonach Russland die Zivilbevölkerung in den Separatistenregionen „auf barbarische Weise ins Visier nimmt“.

Seit Beginn der russischen Invasion am 24.Februar hatte Großbritannien zuvor bereits Sanktionen gegen mehr als 1200 Unternehmen und Personen verhängt, darunter 76 Oligarchen. Zuletzt waren in der vergangenen Woche Einreise- und Kontosperren gegen die Töchter des russischen Präsidenten Wladimir Putin und von Außenminister Sergej Lawrow erlassen worden. (afp)

Gouverneur meldet sieben Tote bei Angriffen in Region Charkiw

Bei russischen Angriffen in der Region um die nordostukrainische Großstadt Charkiw sind nach ukrainischen Angaben mindestens sieben Menschen getötet worden. Mindestens 22 weitere Menschen seien bei den Angriffen binnen 24 Stunden verletzt worden, darunter drei Kinder, erklärte Regionalgouverneur Oleg Synegubow am Mittwoch im Messengerdienst Telegram. Ein zweijähriger Junge, der vor zwei Tagen bei einem Bombenangriff verletzt wurde, sei zudem im Krankenhaus gestorben.

Charkiw ist mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine und liegt nur rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Die Stadt ist bereits seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar heftig umkämpft. Bisher gelang es den russischen Truppen nicht, sie einzunehmen. (afp)

Bereits über 720 Tote im Kiewer Gebiet untersucht

Nach dem Abzug russischer Truppen aus der Region Kiew sind in den ehemals besetzten und umkämpften ukrainischen Gebieten inzwischen Hunderte Leichen von Bewohnern gefunden worden. „Die Zahl der entdeckten und untersuchten Körper umgekommener ziviler Personen im Gebiet Kiew im Ergebnis der russischen Aggression beläuft sich bereits auf über 720 Personen“, sagte der Polizeichef des Gebiets, Andrij Njebytow, einer Mitteilung zufolge in der Nacht zum Mittwoch. Weitere 200 Menschen gelten als vermisst.

Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa hatte am Sonntag in einem Interview von 1222 getöteten Zivilisten im Gebiet Kiew gesprochen. Polizeichef Njebytow zufolge sind 1463 Verfahren wegen Kriegsverbrechen eingeleitet worden. Daneben habe es 150 Plünderungen gegeben. 30 Fälle der Zusammenarbeit mit den russischen Besatzern wurden demnach registriert.

Russland hatte vor sieben Wochen die Ukraine angegriffen. Die Vereinten Nationen registrierten bisher rund 1900 getötete Zivilisten. Bisher sind allerdings nicht alle Toten erfasst. (dpa)

Finnland startet offizielle Debatte über Nato-Beitritt

Finnland lanciert am Mittwoch offiziell die Debatte über einen möglichen Nato-Beitritt. Die Regierung sollte dem Parlament im Laufe des Tages einen Bericht über die nationale Sicherheit vorlegen. Auf dieser Basis ist die formelle Debatte der Abgeordneten geplant, die am kommenden Mittwoch beginnen soll. Sollte das Parlament für einen Beitritt stimmen, könnte dieser in weniger als einem Jahr vollzogen werden.

Sowohl in der Volksvertretung in Helsinki als auch in der Bevölkerung zeichnet sich wegen des Ukraine-Krieges eine breite Zustimmung ab. Finnland ist EU-, aber kein Nato-Mitglied und traditionell stehen die meisten Finnen einem Beitritt zu dem Militärbündnis skeptisch gegenüber. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich die Zustimmung Umfragen zufolge jedoch von 30 auf rund 60 Prozent verdoppelt.

Vom Kreml dürfte ein Nato-Beitritt Finnlands als Provokation aufgefasst werden. Moskau stuft die Ausdehnung des von den USA angeführten Bündnisses als Sicherheitsbedrohung ein. Den von der Ukraine angestrebten Nato-Beitritt hatte Russland als einen der Hauptgründe für die Invasion im Nachbarland angeführt. Im Falle eines Beitritts Finnlands würden sich die Landgrenzen zwischen den Nato-Staaten und Russland mit 1300 Kilometern auf einen Schlag verdoppeln.

Finnland hatte 1917 seine Unabhängigkeit von Russland erklärt. Während des Zweiten Weltkriegs wehrte die zahlenmäßig weit unterlegene finnische Armee eine Invasion der sowjetischen Truppen ab und fügte der Roten Armee schwere Verluste zu. Die Kämpfe endeten mit einem Friedensabkommen, infolge dessen Finnland mehrere Grenzgebiete an die Sowjetunion abtrat.

Die finnische Regierung erklärte sich während des Kalten Krieges bereit, neutral zu bleiben und erhielt im Gegenzug von Moskau Garantien, dass es nicht einmarschieren würde. Die erzwungene Neutralität des Landes, die darauf abzielte, den stärkeren Nachbarn zu besänftigen, prägte den Begriff „Finnlandisierung“. (afp)

Mützenich warnt Ukraine vor Einmischung

Nach der ukrainischen Ablehnung eines Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich alle demokratischen Parteien aufgerufen, das Staatsoberhaupt „vor ungerechtfertigten Angriffen“ zu schützen. „Die Erklärung der ukrainischen Regierung, dass ein Besuch des Bundespräsidenten in Kiew derzeit unerwünscht ist, ist bedauerlich und wird den engen und gewachsenen Beziehungen zwischen unseren Ländern nicht gerecht“, sagte Mützenich am Mittwoch in Berlin.

Er warnte die Ukraine gleichzeitig vor einer Einmischung in die deutsche Innenpolitik. „Bei allem Verständnis für die existenzielle Bedrohung der Ukraine durch den russischen Einmarsch erwarte ich, dass sich ukrainische Repräsentanten an ein Mindestmaß diplomatischer Gepflogenheiten halten und sich nicht ungebührlich in die Innenpolitik unseres Landes einmischen“, sagte er. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat Steinmeier für seine Russland-Politik in der Vergangenheit, aber auch die Bundesregierung für ihre Zurückhaltung bei Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferung mehrfach in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert.

Die ukrainische Regierung hatte am Dienstag einen Besuch Steinmeiers in Kiew abgelehnt. Geplant war ein gemeinsamer Solidaritätsbesuch mit den Staatschefs Polens und der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Die vier anderen Staatschefs sind nun ohne Steinmeier zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski nach Kiew gereist.

Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch nannte die ukrainische Entscheidung irritierend. „Präsident Selenski sollte seine Entscheidung überdenken, wenn er der Diplomatie eine Chance geben will“, sagte er für den Vorstand der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Gleichzeitig mahnte er zur Besonnenheit bei den Waffenlieferungen an die Ukraine: „Im Übrigen ist es richtig, dass die Bundesregierung bei der Frage der Waffenlieferungen sehr sorgfältig abwägt, um nicht einen Flächenbrand auszulösen, der in einem Dritten Weltkrieg münden kann.“ (dpa)

Putin: Können leicht Energieexporte in andere Länder umleiten

Das mit Sanktionen westlicher Staaten belegte Russland kann nach Darstellung seines Präsidenten Wladimir Putin seine Energieexporte leicht in andere Länder umleiten. Damit bekämen Länder russisches Gas und Öl, die das wirklich bräuchten, sagt Putin. Zugleich werde der Verbrauch an Öl, Gas und Kohle im Inland erhöht.

„Unfreundliche Länder“ hätten die Lieferketten in Russlands arktischen Regionen zerstört, einige Nationen erfüllten ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht. Dies habe Russland Probleme bereitet, sagt Putin bei einem Treffen mit Beamten, bei dem die Entwicklung der russischen Arktis erörtert wurde. (rtr)

Lukaschenko schließt Anschluss von Belarus an Russland aus

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat mutmaßliche Pläne für einen Beitritt der Ex-Sowjetrepublik zu Russland zurückgewiesen. „Wir sind mit Putin nicht so dumm, dass wir mit den alten Methoden arbeiten. Wir, das sage ich, errichten eine solche Einheit zwischen zwei unabhängigen Staaten, dass man von uns lernen wird“, sagte er am Mittwoch in Wladiwostok der staatlichen belarussischen Nachrichtenagentur Belta zufolge. Der russische Präsident Wladimir Putin sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, er wolle die vor gut 30 Jahren zerfallene Sowjetunion wieder errichten. Er weist das zurück.

Auch viele Menschen in den beiden Ländern, die bereits einen Unionsstaat aufbauen, befürchten, dass Russland das von ihm wirtschaftlich komplett abhängige Belarus annektieren könnte. Lukaschenko ist derzeit auf Einladung von Kremlchef Putin in Russlands Fernem Osten an der Pazifikküste. Belarus ist ein wichtiger Unterstützer Russlands in dem Krieg gegen die Ukraine.

Im Gegensatz zu Lukaschenko schätzen internationale Politikbeobachter die Möglichkeit eines Anschlusses von Belarus an Russland als durchaus real ein. Seit der umstrittenen Präsidentenwahl 2020, bei der sich Lukaschenko ohne Anerkennung im Westen zum Sieger erklärte, geriet Minsk zunehmend in Abhängigkeit von Moskau. Inzwischen ist Belarus international fast völlig isoliert und finanziell, aber auch militärisch auf Russland angewiesen. (dpa)

Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin unterhalten sich

Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin während eines Treffens, 12. April Foto: Mikhail Klimentyev/ITAR-TASS/imago

Russland: 1026 ukrainische Soldaten haben sich ergeben

Im belagerten Mariupol haben sich laut russischem Verteidigungsministerium 1026 ukrainische Soldaten ergeben, darunter 162 Offiziere. Sie hätten freiwillig ihre Waffen niedergelegt, als Ergebnis des russischen Vormarsches in der Gegend. Von ukrainischer Seite gibt es dazu zunächst keine Stellungnahme. Russischen Angaben zufolge sind 151 verwundete ukrainische Soldaten vor Ort versorgt und in ein Krankenhaus in Mariupol gebracht worden. (rtr)

In Mariupol warten über 100.000 Menschen auf Evakuierung

In Mariupol warten mehr als 100.000 Menschen darauf, dass sie die von russischen Truppen eingekesselte Hafenstadt verlassen können. Das teilt Wadym Bojtschenko im Fernsehen mit, der Bürgermeister der am Asowschen Meer gelegenen und bereits zu großen Teilen zerstörten Stadt. (rtr)

Charkiw von russischer Artillerie beschossen

Die seit Wochen umkämpfte ukrainische Stadt Mariupol ist nach Kiewer Angaben in der Nacht zum Mittwoch erneut Ziel russischer Luftangriffe gewesen. Wie das ukrainische Militär mitteilte, griffen russische Truppen auch den Hafen der Stadt und das Stahlwerk Asowstal an. In dem ausgedehnten Industriekomplex haben sich ukrainische Soldaten verschanzt.

Die Großstadt Charkiw im Osten des Landes sei von russischer Artillerie beschossen worden, hieß es. Die Angaben zum Kampfgeschehen waren nicht unabhängig überprüfbar. Der ukrainische Morgenbericht deutete aber darauf hin, dass sich die militärische Lage nicht stark verändert hat. Für die kommenden Tage oder Wochen wird eine großangelegte russische Offensive im Osten der Ukraine erwartet.

In Mariupol harren trotz der Zerstörung vieler Häuser immer noch Zivilisten aus, wie Vizebürgermeister Serhij Orlow den ARD-“Tagesthemen“ am Dienstag sagte. Die Menschen hielten sich in Kellern und Schutzräumen auf, um dem Beschuss zu entgehen. „Das ist kein Leben. Das ist Überleben“, sagte Orlow. Die ukrainische Verwaltung des Gebiets Donezk, zu dem Mariupol gehört, teilte am Dienstag mit, nach Schätzungen seien dort mehr als 20 000 Menschen getötet worden. Auch diese Zahl ist nicht überprüfbar. (dpa)

Zwei Frauen gehen in der Nähe von beschädigten Gebäuden in Mariupol entlang

Die Verwüstung durch russische Truppen in Mariupol ist nicht zu übersehen Foto: XinHua/dpa

USA wollen Putin zur Stützung der Wirtschaft zwingen

Die USA und ihre Verbündeten treiben nach Angaben des stellvertretenden US-Finanzministers Sanktionen gegen Russland voran, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin zwingen sollen, Geld für die Stützung der Wirtschaft statt für den Krieg in der Ukraine auszugeben. Wally Adeyemo, einer der Hauptkoordinatoren der US-Sanktionsstrategie, sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP am Dienstag (Ortszeit), das Ziel sei, Russland weniger in die Lage zu versetzen, in Zukunft Macht auszuüben.

Am selben Tag, an dem das Arbeitsministerium über den höchsten Stand der Inflation in den USA seit mehr als 40 Jahren berichtete, sagte Adeyemo, der Abbau von Rückständen in den Lieferketten und die Bewältigung der Pandemie seien der Schlüssel zur Senkung der steigenden Preise. Diese brachte er mit dem Krieg in der Ukraine in einen Zusammenhang, der zu steigenden Energiekosten beigetragen hat. Adeyemo erklärte, die USA und ihre Verbündeten würden als nächstes auf die Lieferketten abzielen, die zum Aufbau der russischen Kriegsmaschinerie beitrügen. (ap)

Wladimir Klitschko hofft auf späteren Besuch Steinmeiers

Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko setzt nach der Ablehnung eines Besuchs von Frank-Walter Steinmeier durch die Ukraine auf eine spätere Reise des Bundespräsidenten in das Land. „Ich hoffe, dass der Besuch des Bundespräsidenten in Kiew nur aufgeschoben ist und in den kommenden Wochen nachgeholt werden kann“, sagte der Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko am Dienstagabend der „Bild“-Zeitung. „Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir als Ukraine weiterhin Brücken nach Deutschland bauen“, betonte Klitschko. „Deutschland ist Partner Nummer eins bei der finanziellen Hilfe für die Ukraine, leistet humanitäre Unterstützung, hilft massiv Flüchtlingen und schickt immer mehr Waffen, auch wenn wir davon mehr brauchen“, fügte er hinzu.

Die ukrainische Regierung hatte einen Besuch Steinmeiers abgelehnt und setzt stattdessen auf eine Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kiew. Wladimir Klitschko sagte, Steinmeier habe in der Vergangenheit „viele Fehler“ gemacht, die der Ukraine „massiv geschadet“ hätten. Diese habe Steinmeier aber eingestanden und sich entschuldigt. (dpa)

🐾 Affront gegen Steinmeier

Man kann die Wut in Kiew auf die deutsche Russlandpolitik verstehen. Aber klug ist die demonstrative Ausladung von Steinmeier nicht, kommentiert Stefan Reinecke für die taz.

Nils Schmid: Absage an Steinmeier „mehr als ärgerlich“

Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid hat die Absage der Ukraine an einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisiert. „Das ist mehr als ärgerlich. Wir sind befreundete Länder und es wäre ein gutes Zeichen gewesen, wenn zusammen mit den anderen Regierungschefs auch Steinmeier nach Kiew gereist wäre“, sagte Schmid am Mittwoch im Deutschlandfunk. Die Entscheidung Kiews stoße „bei vielen in Deutschland auf völliges Unverständnis“.

Schmid vertrat die Ansicht, dass die Absage von den tatsächlichen Fragen nur ablenke. „Die Europäer und die Nato wollen die Ukraine weiter unterstützen. Und dann braucht man aber auch einen angemessenen Umgang untereinander unter befreundeten Nationen und auch selbstverständlich mit unserem Staatsoberhaupt“, sagte Schmid.

Steinmeier wollte eigentlich zusammen mit den Präsidenten Polens, Estlands, Lettlands und Litauens nach Kiew reisen. Die ukrainische Regierung lehnte den Besuch Steinmeiers ab, stattdessen erhielt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Einladung aus Kiew. „Kanzler gegen Bundespräsidenten auszuspielen, das geht überhaupt nicht“, sagte Schmid. Er sehe keinen Grund, wieso Scholz „einfach so nach Kiew reisen“ solle. (dpa)

🐾 Russlands Außenpolitik

Mehr Nato-Präsenz in Osteuropa, Nato-Beitritte, Aufrüstung der Ukraine: Putins zerstörerische und brutale Außenpolitik wendet sich nun gegen Russland, kommentiert Dominic Johnson für die taz.

Biden: Putin begeht „Völkermord“

Wegen der Kriegsgräuel in der Ukraine hat US-Präsident Joe Biden dem russischen Staatschef Wladimir Putin Völkermord vorgeworfen. Die Beweise dafür häuften sich, sagte Biden in der Nacht zum Mittwoch deutscher Zeit. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski verglich den russischen Angriff auf Mariupol mit der Nazi- Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg. In Deutschland drang Vizekanzler Robert Habeck auf schnelle Waffenlieferungen an die Ukraine. In Berlin gibt es jedoch auch Irritation, weil Kiew einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier abgelehnt hat.

Über das eigentliche Kriegsgeschehen berichtete das ukrainische Militär am Morgen von neuen Luftangriffen auf Mariupol, die seit Wochen belagerte und weitgehend zerstörte Hafenstadt in der Südukraine. Die Großstadt Charkiw im Osten des Landes sei von russischer Artillerie beschossen worden. Die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar.

Russland hatte das Nachbarland vor knapp sieben Wochen angegriffen und bereitet nach Einschätzung der Ukraine und westlicher Regierungen eine Großoffensive im Osten des Landes vor. Aus der Umgebung der Hauptstadt Kiew hatte sich das russische Militär hingegen in den vergangenen Tagen zurückgezogen. Dort wurden großflächige Zerstörungen, Massengräber und Leichen in den Straßen gefunden.

„Ich habe es Völkermord genannt, denn es wird klarer und klarer, dass Putin versucht, die Idee, überhaupt Ukrainer sein zu können, einfach auszuradieren“, sagte US-Präsident Biden bei einem Besuch im US-Staat Iowa. „Es kommen buchstäblich immer mehr Beweise für die schrecklichen Dinge ans Licht, die die Russen in der Ukraine getan haben.“ Letztlich müssten aber Juristen auf internationaler Ebene entscheiden, ob es sich um Genozid handele. (dpa)

Selenski lobt Biden

Selenski lobte auf Twitter Bidens Worte: „Die Dinge beim Namen zu nennen ist wichtig, wenn man sich gegen das Böse behaupten will.“ In seiner in der Nacht veröffentlichten Videoansprache reagierte Selenski zudem heftig auf Aussagen Putins vom Vortag, der Feldzug laufe nach Plan. Was tauge ein Plan, der den Tod Zehntausender eigener Soldaten vorsehe, fragte Selenski. Er sprach von 20 000 getöteten russischen Soldaten. Westliche Schätzungen liegen niedriger. Selenski sagte auch, die russische Belagerung von Mariupol gleiche der Blockade von Leningrad (heute St. Petersburg) durch die deutsche Wehrmacht zwischen 1941 und 1944 – eines der schlimmsten NS-Kriegsverbrechen.

Der ukrainische Präsident forderte vorbeugende Schritte gegen den möglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Russland. Selenski bezog sich auf Berichte aus Mariupol vom Vortag, wonach Russland dort mit einer nicht identifizierten chemischen Substanz angegriffen habe. Über diesen möglichen Chemiewaffeneinsatz äußerte sich auch die Kontrollbehörde OPCW in Den Haag besorgt.

Selenski schlug zudem einen Austausch des am Dienstag festgenommenen prorussischen Politikers Viktor Medwedtschuk gegen Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft vor. Der Politiker und Oligarch Medwedtschuk gilt als engster Verbündeter von Kremlchef Putin in der Ukraine. Ihm werden in Kiew Hochverrat und Unterschlagung vorgeworfen. (dpa)

🐾 Folteropfer in der Ukraine

Als russische Soldaten die Stadt Irpin besetzten, flüchtete Wjatscheslaw Pritulenko erst in den Keller des Elternhauses – und wurde dann fast ermordet, berichtet für die taz Anastasia Magasowa.

Mehr als 720 Tote in Butscha und anderen Kiewer Vororten

In Butscha und anderen Vororten der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind nach Angaben des Innenministeriums mehr als 720 Menschen getötet worden. In den Gebieten, die von russischen Truppen besetzt gewesen waren, gälten mehr als 200 weitere Menschen als vermisst, teilte das Ministerium am frühen Mittwochmorgen mit.

Allein in Butscha seien 403 Leichen gefunden worden, sagte Bürgermeister Anatolij Fedoruk, diese Zahl könne steigen, wenn Minensucher das Gebiet durchkämmten.

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft erklärte am Dienstag, sie untersuche auch Zwischenfälle im Bezirk Browary. Die Behörden erklärten, die Leichen von sechs Zivilisten seien mit Schusswunden in einem Keller im Dorf Schewtschenkowe gefunden worden und es werde angenommen, dass russische Streitkräfte dafür verantwortlich seien.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Dienstag gesagt, die russische Offensive in der Ukraine werde andauern, bis alle Ziele erreicht seien. Er pochte darauf, dass alles nach Plan laufe, trotz eines großen Rückzuges aus einigen Gebieten im Angesicht großen ukrainischen Widerstands und erheblicher Verluste. (ap)

Hier lesen Sie die Nachrichten vom Dienstag, 12. April 2022.

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