+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Seit Kriegsbeginn 89 Tote in Kiew

Die USA haben bei den UN beantragt, Russland aus dem Menschenrechtsrat auszuschließen. Nach Behördenangaben sind in Kiew seit Beginn des Krieges 89 Menschen ums Leben gekommen.

Eine Frau trauert an einem Grab mit provisorischen Holzkreuz

Mariya Ol'hovs'ka trauert um ihren Vater, der in Kiew durch eine russische Rakete getötet wurde Foto: Rodrigo Abd/AP/dpa

UN stimmt über Antrag zum Ausschluss Russlands ab

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen wird am Donnerstag über einen Antrag der USA abstimmen, Russland aus dem UN-Menschenrechtsrat auszuschließen. Das teilen Diplomaten mit. Für einen Rauswurf Russlands aus dem Gremium mit Sitz in Genf wegen grober und systematischer Verletzung der Menschenrechte ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den 193 Mitgliedern nötig. (rtr)

Nato-Generalsekretär: Krieg in der Ukraine könnte noch Jahre dauern

Die Nato rechnet mit einem noch lange anhaltenden Krieg in der Ukraine. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Russlands Präsident Wladimir Putin seine Ambitionen aufgegeben habe, die komplette Ukraine zu kontrollieren, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch am Rande eines Treffens der 30 Außenminister der Bündnisstaaten in Brüssel. Man müsse sich bewusst darüber werden, dass der Krieg noch „viele Monate oder sogar Jahre“ andauern könne.

Den Rückzug russischer Truppen aus dem Norden der Ukraine erklärte Stoltenberg mit einer nach Nato-Erkenntnissen geplanten Großoffensive im Osten. Die Streitkräfte sollen demnach verstärkt und neu bewaffnet werden, um den gesamten Donbass einzunehmen und eine Landbrücke zur bereits besetzten ukrainischen Halbinsel Krim zu schaffen.

Konsequenz aus den Entwicklungen ist laut Stoltenberg, dass sich die Nato auf einen langen Weg vorbereiten muss. „Wir müssen die Ukraine unterstützen, unsere Sanktionen aufrechterhalten, unsere Verteidigung und unsere Abschreckung stärken“, sagte er. (dpa)

Scholz nimmt Lambrecht bei Waffenlieferungen in Schutz

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) gegen den Vorwurf in Schutz genommen, sie gebe zu zögerlich Waffen an die Ukraine ab. „Ich weiß, dass die Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht alles unternimmt, was angesichts der Beschlusslage unserer Alliierten und mit Blick auf die Fähigkeiten der Bundeswehr machbar ist“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch über seine Parteikollegin in der Regierungsbefragung im Bundestag. „Was wir aus den aktuellen Beständen der Bundeswehr an Waffen liefern können, alles das, was sinnvoll ist und schnell wirkt, das wird geliefert.“

Die Bundesregierung hatte kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine beschlossen, Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern und damit ein Tabu gebrochen. Bisher hat sie unter anderem Luftabwehrraketen, Panzerfäuste, Maschinengewehre und mehrere Millionen Schuss Munition exportiert. Nach den Gräueltaten an Zivilisten in der ukrainischen Stadt Butscha sollen die Waffenlieferungen nun noch einmal ausgeweitet werden. Die CDU/CSU wirft Lambrecht vor, dabei zu zögerlich vorzugehen und nicht alles zu liefern, was zugesagt wurde.

Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau über ein Ende des Krieges nannte der Kanzler die von der Ukraine angebotene Neutralität ein „großes Zugeständnis gegenüber dem Aggressor“. Er machte zugleich klar: „Es darf nicht auf einen Diktatfrieden hinauslaufen.“ Die Frage von Sicherheitsgarantien für die Ukraine sei „noch nicht ausbuchstabiert“, sagte Scholz. „Selbstverständlich reden wir darüber – aber das auch in der notwendigen Vertraulichkeit – mit der Ukraine und tun das auch mit den anderen, die angesprochen sind.“ Dies lasse sich im Moment aber noch nicht weiter konkretisieren. (dpa)

von der Leyern

Jetzt auch ein Ölembargo?

Ukrainische Behörden melden 89 Tote in Kiew

Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar sind in der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach Angaben der Behörden 89 Menschen getötet worden. Weitere 398 Menschen wurden verletzt, teilt der Stadtrat mit. 167 Wohngebäude sei durch russische Luftangriffe beschädigt. Trotz des jüngsten Rückzugs der russischen Truppen aus der Region Kiew sollten die Menschen wachsam sein und die Luftalarm-Warnungen befolgen. „Es ist sicherer geworden in Kiew, aber die Gefahr von Luftangriffen bleibt.“ Russland bestreitet, Zivilisten anzugreifen.

In Mariupol ist mehr als 500 weiteren Menschen die Flucht gelungen. Das teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit. Ein IKRK-Team habe einen Konvoi aus Bussen und Privatautos in die südukrainische Stadt Saporischschja geleitet, nachdem die Zivilisten auf eigene Faust aus Mariupol geflohen seien, teilt die Hilfsorganisation mit. Allerdings benötigten weiterhin Tausende Zivilisten, die in Mariupol eingeschlossen seien, sicheres Geleit und Hilfe, sagt der IKRK-Delegationsleiter in der Ukraine, Pascal Hundt. Die Ukraine macht die russischen Streitkräfte dafür verantwortlich, dass mehrfach Bus-Konvois für größere Evakuierungen nicht nach Mariupol durchkamen. (rtr)

Scholz gegen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich dagegen ausgesprochen, wegen des russischen Kriegs in der Ukraine die Atomkraftwerke in Deutschland länger zu nutzen. Das sei „kein guter Plan“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im Bundestag. Die Atomkraftwerke seien nicht für einen Weiterbetrieb vorbereitet, außerdem habe sich Deutschland aus gutem Grund entschieden, den Betrieb auslaufen zu lassen. Deutschland ringt darum, unabhängiger von Öl- und vor allem von Gas-Importen aus Russland zu werden.

Wolle man die Kernkraftwerke deswegen länger laufen lassen, seien neue Brennstäbe und andere nukleare Ressourcen nötig, sagte Scholz. Diese seien jedoch nicht einfach verfügbar. Scholz sprach von einer Milchmädchenrechnung und wies darauf hin, dass sich auch lange nicht alle fossilen Importe durch Atomenergie ersetzen ließen. So würden etwa Öl-Importe auch zur Herstellung chemischer Produkte gebraucht.

Scholz kündigte außerdem weitere Waffenlieferungen an die Ukraine an. „Es muss unser Ziel sein, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt“, sagte Scholz im Bundestag. Man werde der Ukraine in Abstimmung mit den EU- und Nato-Partnern auch weiter Waffen liefern und den Druck auf Russland über Sanktionen erhöhen. (dpa/rtr)

🐾 „Schwere wirtschaftliche Folgen“

Erdgas ist nicht nur zum Heizen notwendig, sondern auch die Grundlage der Industrie, erklärt Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Er lehnt deshalb ein Gas- und Energieembargo gegen Russland ab, wie er im Interview mit Hannes Koch in der taz sagt.

In Luhansker Verwaltungssitz Siewierodonezk brennen zehn Hochhäuser
ein Panzer fährt auf einer Straße

Die russischen Angriffe auf Mariupol werden auch am Mittwoch fortgesetzt (Foto vom Dienstag) Foto: Alexander Ermochenko/Reuters

In Siewierodonezk nordwestlich der Stadt Luhansk stehen zehn Hochhäuser nach russischem Beschuss in Flammen, teilt der Bezirksgouverneur von Luhansk mit. In Siewierodonezk sitzt die ukrainische Bezirksverwaltung, da Luhansk, Hauptstadt des gleichnamigen Verwaltungsbezirks, seit 2014 unter Kontrolle von prorussischen Separatisten steht. (rtr)

EU stockt Lagerbestände auf

Die Europäische Union hat nach Angaben der EU-Kommission angesichts der Besorgnis über den Krieg in der Ukraine mit der Aufstockung ihrer Lagerbestände zum Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Vorfällen begonnen. Die EU werde ihre Reserven an Schutzausrüstung, Dekontaminationsmitteln, Medikamenten und Impfstoffen verstärken, die im Falle eines chemischen, nuklearen oder biologischen Zwischenfalls nützlich sein könnten, teilt die Brüsseler Behörde mit und bestätigte damit einen Reuters-Bericht der vergangenen Woche. (rtr)

Konjunktur- und Zinssorgen ziehen Börsen nach unten

Die Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen neuer Sanktionen des Westens gegen Russland hält die Börsen im Klammergriff. Dax und EuroStoxx50 fielen am Mittwoch um je rund zwei Prozent auf 14.140 beziehungsweise 3.824 Punkte. Spekulationen auf eine aggressivere geldpolitische Straffung der US-Notenbank trübten die Stimmung an der Wall Street vorbörslich und sorgten für einen Ausverkauf bei Staatsanleihen. Frankreichs Börsen zittern vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonntag.

Angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine steige das Risiko eines bislang von der EU vermiedenen Öl- und Gasembargos von Tag zu Tag und damit die Inflations- und Konjunkturrisiken für Europa, kommentierten die Analysten der Commerzbank. Russland selbst rückt einer Staatspleite näher: Erstmals wurden am Mittwoch Zahlungen für zwei Fremdwährungsanleihen nicht in Dollar, sondern in Rubel geleistet.

Die USA und ihre Verbündeten wollen die Daumenschrauben für die russische Wirtschaft weiter anziehen. Ein mit den G7-Staaten und der EU abgestimmtes Paket sollte am Mittwoch vorgestellt werden. „So viel steht fest: Mit jedem Eingriff nimmt das Risiko einer Rezession in Deutschland zu“, sagte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst vom Handelshaus CMC Markets. Die Industrieaufträge brachen im Februar hierzulande bereits stärker weg als erwartet. (rtr)

Russland will an diplomatischen Beziehungen zum Westen festhalten

Die Führung in Moskau will nach eigenen Angaben an ihren diplomatischen Beziehungen zum Westen festhalten. Mit der jüngsten Ausweisung zahlreicher russischer Diplomaten schadeten diese Länder nur ihren eigenen Interessen, zitiert die russische Nachrichtenagentur Interfax den stellvertretenden Außenminister Alexander Gruschko. Nach Deutschland und anderen europäischen Staaten wies am Mittwoch auch Griechenland als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine mehrere russische Diplomaten aus. Zwölf Diplomaten wurden zu unerwünschten Personen erklärt, wie das Außenministerium in Athen mitteilt. (rtr)

Studie: Zinserhöhungen könnten Energiepreise drücken

Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) können einer Studie zufolge die Energiepreise in Deutschland drücken. Diese dürften um bis zu vier Prozent fallen, geht aus der Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor, die der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Grund dafür ist die durch steigende Zinsen erwartete Euro-Aufwertung. Dadurch würden die Preise für in Dollar gehandelte Ölprodukte reduziert. Allerdings ginge damit auch eine unerwünschte Nebenwirkung einher: die Industrieproduktion würde ausgebremst, die Arbeitslosigkeit steigen.

„Die vorliegenden Berechnungen haben gezeigt, dass eine straffere Geldpolitik durchaus auch eine signifikante Wirkung auf die Energiepreise hat“, so das Fazit der DIW-Forscher. Zwar beeinflusse die EZB mit ihrer Zinsentscheidung nicht wesentlich den Preis auf dem Weltmarkt, dafür aber den Wert des Euro. „Wertet der Euro auf, sinken die Verbraucherpreise für Kraftstoffe und Heizkosten in Deutschland signifikant“, so die Experten. Mit einer Zinserhöhung hätte die EZB demnach theoretisch ein wirkungsvolles Instrument in der Hand, die Preise im Euroraum insgesamt zu stabilisieren.

Eine Leitzinserhöhung, die den Zins der einjährigen deutschen Bundesanleihe um ein viertel Prozentpunkt steigen lasse, würde dem DIW zufolge die deutschen Verbraucherpreise noch im selben Monat um 0,2 Prozent dämpfen. Das entspreche immerhin einem Zehntel des jährlichen Inflationsziels der EZB, das bei zwei Prozent liegt.

Eine Zinserhöhung hat dem DIW zufolge aber auch unangenehme Nebenwirkungen. „Schlechtere Finanzierungsbedingungen und eine sinkende Nachfrage lassen die Arbeitslosenquote nach dem Schock um etwas mehr als 0,1 Prozentpunkte steigen“, so die Forscher. Während die Industrie sich schnell erhole und nach rund drei Monaten zum Ausgangsniveau zurückkehre, sei der Anstieg der Arbeitslosenquote nachhaltiger. „Die EZB ist durch den Krieg in der Ukraine mit stark steigenden Energiepreisen und einer gefährdeten wirtschaftlichen Erholung somit in einer schwierigen Lage“, schlussfolgern die Ökonomen. (rtr)

Moskauer DJ neuer Chef von Gazprom Germania?

Dem Spiegel zufolge hat der russische Konzern Gazprom die Kontrolle an der deutschen Tochterfirma Gazprom Germania an einen DJ übertragen. Dmitrij Z. legt spiegel.de zufolge in Moskauer Clubs Progressive House auf und war als Geschäftsmann bislang eher im Autohandel aufgefallen.

Die Gazprom-Germania-Gruppe hat eine sehr wichtige Rolle beim Handel, Transport und Speichern von Erdgas. Zu den mehr als drei Dutzend Firmen der Gruppe gehören Wingas, Lieferant vieler Stadtwerke, und Astora, Betreiber des größten Gasspeichers Deutschlands in Rehden.

Gazprom hatte nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums in der vergangenen Woche die Firmen Gazprom Germania und Gazprom export business an zwei russische Firmen weitergegeben. Der neue Besitzer von Gazprom Germania hat die Liquidierung des Unternehmens angekündigt – damit bestand Gefahr für den Fortbestand laufender Verträge und die Versorgung der Kund:innen.

Daraufhin hatte die Bundesnetzagentur am Dienstag auf Anordnung des Bundeswirtschaftsministeriums die Treuhänderschaft für die Gazprom-Germania-Gruppe übernommen. Das Bundeswirtschaftsministerium greift zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik in dieser Form ein.

Der Spiegel hat sich die neuen Eigentümer angeschaut und stieß auf eine Aktiengesellschaft in Moskau namens Palmary. Im russischen Unternehmensregister sei ein einzelnes Zimmer in einem Bürokomplex als Firmensitz angegeben. Als Geschäftsgegenstand würden Immobiliendeals genannt. Laut russischem Handelsregister soll am 31. März 2022 ein neuer Geschäftsführer der Firma Palmary bestellt worden sein: Dmitrij Z. Der Spiegel hält ihn für einen Strohmann. Im russischen Unternehmerregister ist er mit einer Firma gelistet, deren Geschäftszweck mit „Einzelhandel mit elektrischen Haushaltsgeräten in Fachgeschäften“ angegeben wird. Wieder eine andere widmete sich dem „Großhandel mit Pkw“. Hinterlegt ist laut Spiegel im russischen Handelsregister auch eine persönliche Googlemail-Adresse. Das Profilbild des Accounts zeigt einen Mann bei einem Auftritt als DJ. Ähnliche Aufnahmen finden sich auf einem Facebook-Account, der auf den gleichen Namen registriert ist. Dort sieht man Z. im Blitzlichtgewitter von Diskotheken oder die Jazznummer „Georgia on my mind“ auf dem Klavier spielend. (jot/taz)

🐾 Nach dem Massaker in Butscha

Seit dem 1. April ist die Kleinstadt Butscha, ganz in der Nähe von Kiew gelegen, von den russischen Okkupanten befreit. Hier lebten vor dem Krieg etwa 35.000 Menschen. Die verbliebenen Einwohner haben den Schock des letzten Monats noch lange nicht überwunden. Ein Vor-Ort-Besuch von Anastasia Magasowa in der taz.

Russland will Beschlagnahmen vor Gericht anfechten

Die Führung in Moskau will eine Beschlagnahme von russischem Eigentum im Ausland vor Gerichten weltweit anfechten. „Die Gegner Russlands sollten verstehen, dass sie mit einer großen Anzahl von Fällen vor Gericht konfrontiert werden. Sowohl vor den nationalen Gerichten der Vereinigten Staaten und Europas als auch vor internationalen Gerichten“, teilt der Vizechef des nationalen Sicherheitsrates und ehemalige Präsident Dmitri Medwedew auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Am Montag etwa hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die bisherige Deutschland-Tochter des russischen Gasriesen Gazprom, Gazprom Germania, bis Ende September unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt. (rtr)

Von der Leyen droht neben Kohle-Sanktion mit weiteren Schritten

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen droht neben einem Importstopp von Kohle auch ein Ölembargo gegen Russland an. Mit Blick auf das am Dienstag von der Kommission vorgeschlagene Importverbot auf russische Kohle sagt von der Leyen vor dem Europäischen Parlament: „Diese Sanktionen werden nicht unsere letzten Sanktionen sein.“ Sie fügt hinzu: „Jetzt müssen wir uns Öl anschauen und die Einnahmen, die Russland aus fossilen Brennstoffen bezieht.“ (rtr)

Britischer Gesundheitsminister: Welt muss Massenmord in Ukraine stoppen

Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid sieht in den Berichten über Tötungen von Zivilisten durch russische Truppen in der Ukraine Parallelen zum Massaker im bosnischen Srebrenica vor rund 27 Jahren. „Dies ist ein Massenmord von noch nie dagewesenem Ausmaß in Europa. So etwas haben wir, glaube ich, seit 1995 nicht mehr gesehen“, sagt er im BBC-Fernsehen. Die Welt müsse handeln, um diesen Massenmord in der Ukraine zu stoppen. Damit verglich Javid die Ereignisse in der Ukraine mit dem Völkermord in Bosnien, als im Juli 1995 bosnisch-serbische Truppen eine Sicherheitszone der Vereinten Nationen in Srebrenica überrannten und rund 8.000 muslimische Jungen und Männer töteten. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Russland bestreitet die Vorwürfe von Gräueltaten an Zivilisten in der Ukraine und spricht von einer Propaganda-Inszenierung. (rtr)

Zeitung veröffentlicht Videoaufnahme

Die New York Times veröffentlichte in der Nacht von ihr verifizierte Videoaufnahmen, die tödliche Schüsse russischer Soldaten auf einen Zivilisten in Butscha belegen sollen. Das ukrainische Video stamme von Ende Februar – kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Die Militärverwaltung von Homostel – eines Nachbarorts von Butscha – erklärte laut lokalen Medien, dort würden nach der russischen Besatzung rund 400 Bewohner vermisst. Mehrere Bewohner von Hostomel seien auch in Butscha gefunden worden.

Aus Sicht der US-Regierung sind die Gräueltaten von Butscha womöglich nur „die Spitze des Eisbergs“. In Gebieten in der Ukraine, zu denen es noch keinen Zugang gebe, hätten russische Truppen „wahrscheinlich auch Gräueltaten begangen“, sagte Regierungssprecherin Jen Psaki.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Staatsoberhaupt Selenskyj Unterstützung für die Aufklärung der Gräueltaten zu, unter anderem in Form einer Sonderzahlung an den Internationalen Strafgerichtshof. In dem Telefonat redeten die beiden Präsidenten auch über Vergewaltigungen, die russische Soldaten in der Ukraine begangen haben sollen, wie es aus der französischen Regierung hieß. (rtr)

Wieder Explosionen in Lwiw

Selenskyj sagte in einer in der Nacht verbreiteten Videobotschaft, die ukrainischen Streitkräfte hielten die meisten Gebiete, in die Russland versucht habe vorzudringen. Am schwierigsten sei die Lage im Donbass und im Gebiet Charkiw im Osten des Landes. Russland sei zudem dabei, mehr Truppen für eine neue Offensive in die Ukraine zu schicken. Ukrainische Medien berichteten in der Nacht über Explosionen in den Gebieten Lwiw (Lemberg) im Westen und Dnipropetrowsk im Südosten des Landes. Informationen über Opfer oder Schäden gab es aber vorerst nicht.

Am Dienstag war es nach Angaben aus Kiew gelungen, 3.800 Menschen aus umkämpften Gebieten zu retten, darunter rund 2.200 Menschen aus der größtenteils zerstörten Stadt Mariupol und dem nahen Berdjansk. Das russische Verteidigungsministerium meldete laut Agentur Tass, binnen 24 Stunden seien mehr als 18.600 Menschen aus „gefährlichen Bezirken“ der Ukraine, der Region Luhansk und Donezk gerettet worden. Zugleich kündigte das Verteidigungsministerium weitere Gefechte um Mariupol an, da die Ukraine Aufforderungen zum Abzug ignoriere. (rtr)

Russische Truppen greifen Treibstofflager in Dnipro an

Russische Streitkräfte haben in der Nacht ein Treibstoffdepot und eine Fabrik in der ukrainischen Region Dnipro angegriffen. Die Zahl der Opfer sei noch unklar, teilte der Gouverneur der Region, Walentin Resnitschenko, am Mittwoch über die Nachrichten-App Telegram mit.

Die Nacht sei schwierig gewesen, schrieb der Gouverneur. „Der Feind griff unser Gebiet aus der Luft an und traf das Öldepot und eine der Fabriken.“ Das Öllager sei zerstört worden. Die Rettungskräfte seien noch damit beschäftigt, die Flammen im Werk zu löschen. „Es brennt sehr stark“, schrieb Resnitschenko.

In der Region Luhansk im Osten des Landes wurden am Dienstag beim Beschuss der Stadt Rubischne ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt, wie Gouverneur Serhij Haidai am Mittwoch auf Telegram mitteilte. Das russische Militär konzentriere sich weiterhin auf den Osten der Ukraine, erklärte der ukrainische Generalstab. Ziel sei es, die vollständige Kontrolle über die Regionen Donezk und Luhansk zu erlangen. Teile der Regionen werden seit 2014 von Rebellen gehalten, die von Russland unterstützt werden. Moskau erkennt sie als unabhängige Staaten an. (ap)

Abschiebungen in viele Länder ausgesetzt

Wegen des russischen Angriffskrieges haben alle Bundesländer Abschiebungen in osteuropäische Länder ausgesetzt. Das berichtet welt.de mit Verweis auf die Welt am Sonntag. Dies betreffe neben Russland und der Ukraine auch Belarus, Moldau, Rumänien und weitere Länder.

Abschiebungen seien „bis auf Weiteres aufgrund der Sperrung des Luftraums beziehungsweise der Aussetzung des direkten Linienflugverkehrs aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich“, hieß es unter anderem aus dem bayerischen Innenministerium. Demnach wurde der Luftraum über der Republik Moldau bis vorerst 25. April gesperrt und der Flughafen in der Hauptstadt Chisinau vorübergehend geschlossen.

Auch nach Polen, Rumänien, Tschechien und die Slowakei schieben die Bundesländer demnach nicht mehr ab: „aufgrund der hohen Belastung“, weil diese Länder besonders viele Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben. Polen und Rumänien hätten mitgeteilt, dass Überstellungen bis auf Weiteres nicht entgegengenommen werden. Ausnahmen seien nicht möglich, heißt es aus dem Innenministerium in Baden-Württemberg.

Allerdings wird in andere Länder weiter abgeschoben. Unter anderem soll es am Donnerstag nach Angaben des Twitter-Accounts Deportation Alarm eine Abschiebung in die Türkei geben. (jot/taz)

Kämpfe in Mariupol halten an

In der eingekesselten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol halten nach britischen Angaben die schweren Kämpfe und russischen Luftangriffe an. „Die humanitäre Lage in der Stadt verschlechtert sich“, teilt das britische Verteidigungsministerium auf Basis von Informationen des Militärgeheimdienstes mit. Die meisten der verbliebenen Einwohner müssten ohne Licht, Kommunikationsmöglichkeiten, medizinische Versorgung, Heizung oder Wasser auskommen. Die russischen Streitkräfte hätten den Zugang für humanitäre Hilfen verhindert, wahrscheinlich um den Druck auf die Verteidiger zur Kapitulation zu erhöhen. Die Angaben waren zunächst nicht unabhängig zu überprüfen.

Die USA wollen derweil die Ukraine mit weiteren 100 Millionen Dollar für Sicherheitssysteme unterstützen. Dazu gehörten Panzerabwehrsysteme, teilt US-Außenminister Antony Blinken mit. (rtr)

Selenski: Russland verstärkt Truppen in der Ostukraine

Die russischen Streitkräfte treiben nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski ihre Offensive in der Ostukraine voran. Die ukrainischen Truppen leisteten jedoch Widerstand und verhinderten ein weiteres Vorrücken, sagte Selenski am frühen Mittwochmorgen in einer Videobotschaft.

Die Ukraine sei sich bewusst, dass Russland Verstärkung für seine Offensive zusammenziehe, erklärte der Präsident. Die ukrainischen Streitkräfte seien mit Blick auf die Anzahl ihrer Soldaten und ihre Ausrüstung unterlegen. „Wir haben keine Wahl – das Schicksal unseres Landes und unseres Volkes wird gerade entschieden“, sagte er. „Wir wissen, wofür wir kämpfen. Und wir werden alles tun, um zu gewinnen.“

Selenski beriet nach eigenen Angaben mit westlichen Staats- und Regierungschefs über eine neue Sanktionsrunde gegen Russland. „Nach dem, was die Welt in Butscha gesehen hat, müssen die Sanktionen gegen Russland im Einklang mit der Schwere der Kriegsverbrechen stehen, die von den Besatzern verübt worden sind“, sagte er.

Die USA wollten in Absprache mit der EU und der Gruppe der sieben führenden Industrienationen am Mittwoch weitere Strafmaßnahmen gegen Russland bekanntgeben. Vorgesehen war unter anderem ein Verbot aller neuen Investitionen in Russland. Die EU-Kommission schlug zudem einen Stopp von Kohleimporten aus dem Land vor. Es wäre das erste Mal, dass der Staatenbund den lukrativen russischen Energiesektor wegen der Invasion in die Ukraine sanktioniert.

Der französische Präsident Emmanuel Macron habe sich bereit erklärt, technische und fachliche Unterstützung bei der Untersuchung der mutmaßlich von russischen Truppen in Butscha begangenen Verbrechen zu leisten, sagte Selenski dem türkischen Nachrichtensender „Habertürk“ am Dienstag. Er habe Macron auch gebeten, den Menschen in der belagerten südlichen Stadt Mariupol zu helfen. Selenski warf Russland vor, es wolle keine Hilfslieferungen in die belagerte Stadt zulassen. (ap)

Auto rammt Tor der russischen Botschaft in Bukarest – Fahrer tot

In der rumänischen Hauptstadt Bukarest ist ein Auto in das Tor der russischen Botschaft gekracht. Dabei sei der Fahrer ums Leben gekommen, teilt die Polizei mit. Ein Video, das vor dem Eintreffen der Feuerwehr aufgenommen wurde, zeigt, wie die Front des Autos in Flammen steht, während es in dem Tor verkeilt ist. Es war unklar, ob es sich um einen Unfall handelte oder ob der Mann absichtlich in das Tor fuhr. Die Identität des Fahrers nannte die Polizei nicht. In den vergangenen Wochen war es in mehreren europäischen Ländern vor russischen Botschaften zu Protesten gegen den Krieg in der Ukraine gekommen. Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar sind bislang rund 625.000 Ukrainer nach Rumänien geflüchtet, etwa 80.000 von ihnen befinden sich noch im Land. Rumänien hatte zuletzt wie auch andere europäische Staaten mehrere russische Diplomaten ausgewiesen. (rtr)

Langsamer fahren für die Ukraine – Greenpeace-Aktion an Autobahn

Mit Tempo-100-Schildern in den Nationalfarben der Ukraine – Blau und Gelb – wirbt Greenpeace für befristete Geschwindigkeitsbegrenzungen. Anhänger der Organisation brachten die Schilder am Mittwochmorgen an der A9 südlich von Potsdam an. Ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen und 80 auf Landstraßen hätte nach Greenpeace-Berechnungen seit Kriegsbeginn 170 Millionen Euro an Zahlungen für russisches Öl eingespart.

„Zumindest für die Zeit dieses schrecklichen Kriegs das Tempo generell zu drosseln, ist ein einfacher Schritt, die Abhängigkeit von Ölimporten zu senken“, erklärte die Organisation. Sie rief die FDP auf, sich für Tempolimits zu entscheiden. Greenpeace setzt sich für einen Importstopp für russisches Öl ein. Im Gegenzug soll es autofreie Sonntage geben, verlängerte Homeoffice-Regelungen und einen Stopp von Inlandsflügen. (dpa)

🐾 Voller Barrieren

Unter den Geflüchteten sind auch viele Menschen mit Behinderung. Ohne Ehrenamtliche würde das System in Deutschland längst zusammenbrechen. Sonja Smolenski hat sich für die taz mit dem Thema beschäftigt.

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