+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Schweiz soll Konten einfrieren
Bei einem Luftangriff in Mykolajiw wurden mindestens 50 Soldaten getötet. Selenski spricht per Video zu Demonstranten in der Schweiz.
Angeblich Seeminen im Schwarzen Meer vor ukrainischer Küste
Wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine wächst im nordwestlichen Schwarzen Meer vor der ukrainischen Küste die Gefahr durch Seeminen. Beide Seiten machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.
Die ukrainische Marine habe die Häfen Odessa, Otschakiw, Tschornomorsk und Piwdenny vermint, teilte der russische Inlandsgeheimdienst FSB am Samstag in Moskau mit. Einige der mehr als 420 verankerten Seeminen hätten sich im Sturm aber losgerissen. Das bedrohe Schiffe auf dem Schwarzen Meer. Schlimmstenfalls könnten Minen durch die türkischen Meerengen ins Mittelmeer treiben, hieß es in der FSB-Mitteilung.
Das auf Schifffahrt spezialisierte ukrainische Portal BlackSeaNews zitierte am Samstag ebenfalls die russische Warnung vor treibenden Seeminen. Es berichtete aber unter Berufung auf eigene Quellen, die russische Schwarzmeerflotte habe die Seeminen auf der Route zwischen Odessa und dem Bosporus gelegt. Unabhängige Bestätigungen dafür gab es nicht.
Seit dem russischen Angriff vom 24. Februar liegt die Schifffahrt im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres ohnehin zwangsweise still. Vor den Küsten der EU-und Nato-Mitglieder Rumänien und Bulgarien ist nur wenig Verkehr zu sehen. (dpa)
Dutzende Tote bei russischem Angriff auf Kaserne in Mykolajiw
Bei einem russischen Luftangriff auf eine Militärkaserne im südukrainischen Mykolajiw sind Augenzeugen zufolge dutzende Menschen getötet worden. „Nicht weniger als 200 Soldaten schliefen in den Baracken“, sagte der 22-jährige Soldat Maxim der Nachrichtenagentur AFP am Samstag, einen Tag nach dem Raketenangriff. „Mindestens 50 Leichen wurden aus den Trümmern gezogen, aber wir wissen nicht, wie viele dort noch liegen.“ Die Rettungsarbeiten dauerten an.
Die Russen „führten feige Raketenangriffe auf schlafende Soldaten durch“, hatte der Regionalgouverneur von Mykolajiw, Vitali Kim, zuvor am Samstag in einem im Onlinenetzwerk Facebook veröffentlichten Video erklärt. Er warte auf Informationen über Verluste der ukrainischen Streitkräfte. Ein weiterer Soldat vor Ort sagte AFP, der Angriff könnte 100 Menschen getötet haben. „Wir zählen weiter, aber angesichts des Zustands der Leichen ist es fast unmöglich, die Zahl festzustellen“, sagte einer der Rettungskräfte.
Der Bürgermeister von Mykolajiw, Oleksij Senkewjtsch, sagte ukrainischen Medien, dass die Stadt, die vor dem Krieg fast eine halbe Million Einwohner zählte, aus der benachbarten, von Russland kontrollierten Region Cherson bombardiert worden sei. „Die Bombardierung geschieht zu schnell, um sie zu erfassen und das Alarm-System in Gang zu setzen“, sagte er.
Rund um Mykolajiw gibt es heftige Kämpfe. Die Stadt gilt als strategisch wichtig, da sie vor der großen Hafenstadt Odessa liegt. Odessa wurde bislang von Angriffen verschont.
Die Ukraine gab unterdessen bekannt, bei Angriffen auf einen Flugplatz außerhalb von Cherson einen weiteren russischen General getötet zu haben. Es handele sich um den fünften hochrangigen Offizier der russischen Armee, der seit Beginn der Invasion am 24. Februar getötet worden sei. (AFP)
Selenski fordert von Schweiz das Einfrieren von Konten russischer Oligarchen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte in einer Liveschalte nach Bern die Schweizer Regierung auf, die Konten aller russischen Oligarchen zu sperren. „Auch das ist ein Kampf gegen das Böse“, sagte Selenskyj nach Angaben des Übersetzers vor tausenden Antikriegsdemonstranten, die vor dem Schweizer Parlament demonstrierten.
Auch in Deutschland demonstrierten Menschen am Samstag in mehreren Städten gegen den Krig in der Ukraine. Rund 600 Menschen hätten in Düsseldorf an einem Aufzug vom Landtag zum Hofgarten teilgenommen, sagte ein Sprecher der Polizei. „Stand with Ukraine“ oder „Putin kills children“ hieß es auf den Bannern. Zudem hatten die Teilnehmer eine ukrainische Landesfahne vom Rhein an der Staatskanzlei vorbei gespannt. Die Demonstration sei friedlich und störungsfrei verlaufen, so der Sprecher. Zuvor hatte die Polizei mit erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen gerechnet und bis zu 1000 Demonstranten erwartet.
In Münster beteiligten sich etwa 50 Menschen an einer Friedensdemonstration auf dem Prinzipalmarkt. Dort habe es ebenfalls keine besonderen Vorkommnisse gegeben, teilte ein Polizeisprecher mit. In Köln nahmen der Polizei zufolge circa 150 Menschen an einem Friedenszug vom Roncalliplatz zum Rudolfplatz teil. (dpa)
190.000 Zivilisten aus Kampfgebieten evakuiert
Die Ukraine hat seit Beginn der russischen Invasion 190.000 Zivilisten aus Frontgebieten über Fluchtkorridore evakuiert, wie die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk in einem Fernsehinterview sagt. Die Korridore in den Regionen Kiew und Luhansk waren am Samstag offen, aber ein geplanter Korridor zur belagerten östlichen Hafenstadt Mariupol sei nur teilweise funktionsfähig, da Busse von russischen Truppen nicht durchgelassen würden. (rtr)
USA schicken Militärkontingent nach Bulgarien
Zur Stärkung der Nato-Ostflanke wollen die USA ein Truppenkontingent nach Bulgarien entsenden. Das sagte der bulgarische Ministerpräsident Kiril Petkow nach Gesprächen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Samstag in Sofia. Dieses Kontingent soll unter dem Kommando des Nato-Oberbefehlshabers in Europa stehen. (dpa)
Polen plädiert für Handelsblockade durch die EU
Polen hält wegen des russischen Einmarschs in der Ukraine eine schärfere Sanktionen der EU für angebracht. Ministerpräsident Mateus Morawiecki fordert daher einen vollständigen Handelsstopp der EU mit Russland. „Russland komplett vom Handel auszuschließen, könnte Russland zum Nachdenken bringen, diesen grausamen Krieg besser zu beenden“, sagte Ministerpräsident Mateus Morawiecki. Deshalb schlage Polen ein Einfahrverbot russischer Schiffe mit russischen Waren in europäischen Seehäfen vor sowie ein Verbot des Handels auf dem Landweg. Ein solcher Schritt könne Russland dazu bewegen zu überlegen, ob es nicht besser wäre, diesen grausamen Krieg zu beenden, sagte Morawiecki laut dem Deutschlandfunk weiter.
Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur wurden im vergangenen Jahr Waren im Wert von gut 33 Milliarden Euro aus der Russischen Föderation importiert; der Wert der Exporte beläuft sich demnach auf rund 26,5 Milliarden. (dpa/rtr/taz)
Verteidiger von Mariupol können nicht auf Unterstützung hoffen
Die ukrainischen Verteidiger der umkämpften Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer können nicht auf Verstärkung hoffen. Olexij Arestowytsch, ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, erklärte am Freitagabend, die nächstgelegenen Streitkräfte, die jenen in Mariupol helfen könnten, seien bereits in Kämpfe gegen die „überwältigende Macht des Feindes“ verwickelt, mindestens 100 Kilometer weit entfernt – oder beides. „Es gibt gegenwärtig keine militärische Lösung für Mariupol“, sagte er. „Das ist nicht nur meine Meinung, das ist die Meinung des Militärs.“
Auch am Samstag gab es wieder russische Angriffe auf Mariupol. Unter anderem kämpften ukrainische und russische Soldaten um das Azovstal-Stahlwerk, eines der größten in Europa. Der Berater des ukrainischen Innenministers, Wadym Denysenko, erklärte am Samstag im ukrainischen Fernsehen: „Ich kann sagen, dass wir diesen Wirtschaftsgiganten verloren haben.“ (AP)
Mitarbeiter der belarussischen Botschaft verlassen Ukraine
Alle elf Mitarbeiter:innen der belarussischen Botschaft haben die Ukraine verlassen, wie das unabhängige belarussische Medienprojekt Nexta mitteilte. Nexta bezieht sich auf Aussagen des Botschafters Igor Sokol. Er habe gesagt, dass sein Auto an der Grenze von oben bis unten untersucht worden sei und einige Mitarbeiter:innen die ganze Nacht über an der Grenze festgehalten worden seien. Die letzten hätten die Ukraine am Samstagmorgen um 9 Uhr verlassen.
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sagte am Samstag, er wolle keine russischen Atomwaffen in seinem Land erlauben. Das schreibt das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ich habe nicht vor, hier Atomwaffen aufzustellen, hier Atomwaffen zu produzieren, Atomwaffen zu bauen oder gegen irgendjemanden einzusetzen“, habe er laut einem am Freitag von seinem Büro veröffentlichten Interview mit dem japanischen Fernsehsender TBS gesagt. Zuvor hatte er noch angeboten, russische Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Lukaschenko bezeichnete seine frühere Erklärung laut RND als Reaktion auf Gespräche im Westen über eine mögliche Verlegung taktischer US-Atomwaffen von Deutschland nach Polen. (jot)
Österreich ist vorerst auf russisches Gas angewiesen
Der österreichische Öl- und Gaskonzern sieht kurzfristig nur wenig Spielraum für sein Land, unabhängig von russischen Gaslieferungen zu werden. „Für Österreich sind die Alternativen kurzfristig wirklich begrenzt. Lieferverträge laufen bis 2040. Derzeit werden damit 80 Prozent des heimischen Gasbedarfs gedeckt“, sagte Konzernchef Alfred Stern dem ORF. Natürlich könne man einen früheren Ausstieg rechtlich prüfen. „Wir beschäftigen uns zurzeit wirklich hauptsächlich damit, die Versorgungssicherheit sicherzustellen. Welche anderen Konsequenzen das hat, das wird sich über die nächsten Monate dann herausstellen.“ (rtr)
Britische Ex-Premiers fordern Kriegsverbrechertribunal für Ukraine
Die beiden früheren britischen Premierminister Gordon Brown (Labour) und John Major (Konservative) haben sich für ein gesondertes Kriegsverbrechertribunal für die Ukraine ausgesprochen. Hintergrund ist, dass eine Anklage gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen des Befehls zum Angriffskrieg gegen die Ukraine unwahrscheinlich sei, sagte Brown der BBC am Samstag.
„Im Rahmen des Internationale Strafgerichtshofs werden Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord bestraft“, sagte Brown. Aber hinsichtlich des Verbrechens eines Angriffskrieges gebe es dort ein juristisches Schlupfloch, weil Moskau gegen eine solche Anklage beim UN-Sicherheitsrat ein Veto einlegen könne.
Eine Petition für die Einrichtung eines Sondertribunals sei innerhalb von zwei Tagen bereits von mehr als 750.000 Menschen, darunter zahlreichen Rechtsexperten sowie etwa 40 früheren Regierungs- und Staatschefs aus der ganzen Welt unterzeichnet worden, sagte Brown. Der Labour-Politiker verglich das Vorhaben mit den Strafgerichtstribunalen für Ruanda, Ex-Jugoslawien und den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg.
Brown schloss sich der Einschätzung von US-Präsident Joe Biden an, dass sich Putin Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat. „In Nürnberg haben die wir Nazis zur Rechenschaft gezogen. Jetzt acht Jahrzehnte später, müssen wir sicherstellen, dass es einen Tag der Abrechnung für Putin geben wird“, so Brown weiter. (dpa)
Russland: Hyperschall-Rakete zerstört Raketenarsenal in Ukraine
Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges in der Ukraine berichtet Russland vom Einsatz der Hyperschall-Rakete „Kinschal“. Mit der auch als Dolch bezeichneten ballistische Rakete habe die russische Luftwaffe ein ukrainisches Raketenarsenal im Gebiet Iwano-Frankiwsk zerstört, teilte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums am Samstag mit.
Durch die Hyperschall-Rakete sei das unterirdische Munitionsdepot der ukrainischen Luftwaffe in Deljatyn im Südwesten der Ukraine am Freitag vernichtet worden, teilte die russische Seite mit. Es sei der erste Einsatz im Kampf überhaupt, hieß es. Im Gebiet Odessa am Schwarzen Meer seien zwei Stützpunkte der militärischen Aufklärung zerstört worden. Überprüfbar waren die Angaben nicht.
Ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurii Ihnat, bestätigte ukrainischen Medien den Beschuss des Munitionsdepots. Demnach erfolgte der Angriff am Freitag. Es müsse jedoch erst noch bestätigt werden, ob es sich bei der von Russland eingesetzten Rakete um die Hyperschallrakete „Kinschal“ gehandelt habe, sagte er.
Bisher kamen die „Kinschal“-Raketen vor allem bei Manövern zum Einsatz – zuletzt wenige Tage vor der Invasion in die Ukraine, die am 24. Februar begann. Abgefeuert werden sie von Kampfflugzeugen des Typs MiG-31. Sie können nach russischen Angaben Ziele in bis zu 2000 Kilometer Entfernung treffen – unter Umgehung aller Luftabwehrsysteme und übertreffen die Schallgeschwindigkeit um ein Mehrfaches: Sie sollen mit mehr als 6000 Kilometern pro Stunde fliegen. (dpa/ap)
Selenski an Russen: Stellen Sie sich 14.000 Leichen im Stadion vor
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski äußerte sich zum Auftritt des Kremlchefs Wladimir Putin im Luschniki-Stadion in Moskau am Freitag – und konterte mit einem Zahlenvergleich: Knapp 100.000 Menschen vor dem Stadion, in der Arena selbst 95.000 Menschen – dies entspreche zusammen etwa der Zahl der russischen Soldaten, die in die Ukraine eingefallen seien, sagte er in einer Videoansprache. „Und jetzt stellen Sie sich 14.000 Leichen in diesem Stadion vor, dazu noch Zehntausende verwundete und verstümmelte Menschen.“
Zugleich rief er Russland nachdrücklich zu ernsthaften und ehrlichen Gesprächen über eine Friedenslösung auf. Sein Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk betonte die sogenannten roten Linien für die Verhandlungen mit der russischen Seite – Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine sowie ihre staatliche Unabhängigkeit.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko rief die westlichen Verbündeten zu weiteren Waffenlieferungen für die Ukraine auf. Im Interview der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera (Samstag) sagte er: „Bitte, unterstützen Sie uns“. Die europäischen Verbündeten und die Nato seien angehalten, benötigte Waffen für die Verteidigung des Luftraumes über Kiew zu schicken. (dpa)
Krieg könnte Getreideexporte wegen Eigenbedarfs ausbremsen
Der Krieg in der Ukraine könnte die Getreideexporte aus dem Land zum Erliegen bringen, wie Oleh Ustenko, Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten, sagt. „Die Ukraine hat genügend Getreide und Lebensmittelreserven, um ein Jahr zu überleben.“ Aber wenn der Krieg weitergehe, werde das Land nicht in der Lage sein, Getreide zu exportieren. Nach seinen Angaben ist die Ukraine bisher der weltweit fünftgrößte Weizenexporteur. (rtr)
Mehr als 200.000 Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland registriert
In Deutschland registrierte die Bundespolizei seit Beginn des russischen Angriffs nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Samstag 207.742 Kriegsflüchtlinge. Die Zahl der tatsächlich Angekommenen dürfte aber deutlich höher sein. Nach UN-Angaben sind seitdem mehr als 3,1 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Allein in Polen kamen bisher rund zwei Millionen Menschen an.
Bildungspolitiker in den Ländern schätzen, dass etwa die Hälfte der in Deutschland ankommenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Kinder und Jugendliche sind, die früher oder später in Schulen oder Kitas unterkommen. Es gebe bisher keine verlässlichen Daten, sagte der Chef der neuen Taskforce der Kultusministerkonferenz (KMK) für das Thema, Hans Beckmann (SPD), beim ersten Treffen der Expertengruppe am Freitag hätten Ländervertreter aber eine solche Schätzung abgegeben.
Am Wochenende waren in vielen deutschen Städten Demonstrationen und Konzerte für den Frieden in der Ukraine angekündigt – am Samstag etwa in Münster, Düsseldorf, Frankfurt, Magdeburg, Hannover und Hamburg. Am Sonntag war unter anderem am Brandenburger Tor in Berlin eine große Kundgebung mit dem Titel „Sound of Peace“ mit zahlreichen Musikern geplant. (dpa)
Selenski warnt Russland vor hohem Preis des Krieges
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat den russischen Streitkräften vorgeworfen, mit der Blockade der größten Städte die Bevölkerung in die Knie zwingen zu wollen. Er sagte, die Russen verhinderten es, dass Lieferungen die eingekreisten Städte im Zentrum des Landes sowie im Südosten erreichten. Er warnte am Samstag, diese Strategie werde scheitern und Moskau werde langfristig verlieren, falls es den Krieg in der Ukraine nicht beende.
„Die Zeit ist gekommen, die territoriale Integrität und das Recht für die Ukraine wiederherzustellen. Andernfalls werden Russlands Kosten so hoch sein, dass sie mehrere Generationen lang nicht wieder aufstehen können.“ Dem Kreml attestierte er eine „vorsätzliche Taktik“, mit der eine humanitäre Katastrophe herbeigeführt werden solle, um die Ukrainer zur Kooperation zu zwingen. Er appellierte erneut an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sich mit ihm zu treffen. Er verwies auf eine Kundgebung in einem Moskauer Stadion, an der am Freitag 200.000 Menschen teilgenommen hatten, um zu verdeutlichen, was auf dem Spiel steht.
„Stellen sie sich vor, dass in diesem Stadion in Moskau 14.000 Leichen sind und Zehntausende weitere Verletzte und Verstümmelte. Das sind die russischen Kosten während der Invasion“, erklärte er in seiner nächtlichen Videoansprache, die vor dem Präsidialamt in Kiew aufgezeichnet wurde. In dem Moskauer Stadion war der Jahrestag der russischen Krim-Annexion aus dem Jahr 2014 gefeiert worden.
Die Kämpfe in der Ukraine dauerten unterdessen an mehreren Fronten an. In der Hafenstadt Mariupol kämpften ukrainische und russische Soldaten um das Azovstal-Stahlwerk, eines der größten in Europa. Der Berater des ukrainischen Innenministers, Wadym Denysenko, erklärte am Samstag im ukrainischen Fernsehen: „Ich kann sagen, dass wir diesen Wirtschaftsgiganten verloren haben.“ Und: „Tatsächlich wird eines der größten Hüttenwerke in Europa zerstört.“
Das russische Militär verkündete den ersten Einsatz der Hyperschallrakete „Kinschal“ im Kampf. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konoschenkow, erklärte am Samstag, damit sei ein unterirdisches Munitionsdepot der ukrainischen Luftwaffe in der westlichen Region Iwano-Frankiwsk zerstört worden. Konaschenkow sagte zudem, die russischen Streitkräfte hätten das Schiffsabwehr-Raketensystem „Bastion“ eingesetzt, um militärische Einrichtungen nahe Odessa anzugreifen. Dieses Waffensystem hatte Russland erstmals 2016 in Syrien eingesetzt.
Die Ukraine und Russland verständigten sich nach Angaben der stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk auf zehn humanitäre Korridore. Den Angaben vom Samstag zufolge schließt dies einen Korridor aus dem umkämpften Mariupol sowie mehrere in den Regionen Kiew und Luhansk ein. Wereschtschuk gab zudem Pläne bekannt, humanitäre Hilfen in die Stadt Cherson zu liefern, die derzeit vom russischen Militär kontrolliert wird.
Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft erklärte am Samstag, 112 Kinder seien seit Beginn des russischen Angriffs auf das Land getötet worden. Zudem seien 140 Kinder verletzt worden.(dpa)
Deutschland schließt militärisches Eingreifen der Nato weiter aus
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) schließt ein militärisches Eingreifen des westlichen Bündnisses in der Ukraine kategorisch aus: „Die Nato wird nicht zur Kriegspartei, dabei bleibt es“, sagt sie der Süddeutschen Zeitung. „Wir müssen verhindern, dass aus diesem furchtbaren Krieg ein Flächenbrand wird.“ Auch die von der Ukraine geforderte Flugverbotszone über dem von Russland angegriffenen Land lehnt sie weiterhin ab: „Die Gefahr wäre unkalkulierbar. Deswegen haben wir so klar entschieden, keine solche Zone einzurichten.“
Allerdings verstärkt Deutschland nach Angaben von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze die Hilfen für die Ukraine unter anderem mit schwerem Gerät zur Brandbekämpfung und für den Zivilschutz der Bevölkerung im Krieg. „Wir helfen zum Beispiel mit Feuerlöschgeräten, Sattelschleppern, Stromgeneratoren, Unterkünften für Menschen auf der Flucht und psychologischer Betreuung“, sagt die SPD-Politikerin der Augsburger Allgemeinen einem Vorabbericht zufolge. Am Freitag sei bereits eine Ladung in das kriegsgeplagte Land geschickt worden. (rtr)
Ausgangssperre in südukrainischer Stadt Saporischschja
Das ukrainische Militär verhängt in Saporischschja eine Ausgangssperre ab 15.00 Uhr MEZ. Sie gelte für 38 Stunden bis zum frühen Montagmorgen, teilt der stellvertretende Bürgermeister Anatolii Kurtiew mit. „Geht zu dieser Zeit nicht raus!“ Die Stadt im Süden der Ukraine ist zu einem wichtigen Durchgangspunkt für Flüchtlinge geworden, insbesondere aus der umkämpften Hafenstadt Mariupol im Südosten des Landes. (rtr)
Drei russische Kosmonauten an der ISS angekommen
Inmitten schwerster Spannungen zwischen Russland und dem Westen ist eine rein russische Besatzung an der Internationalen Raumstation ISS mit Umarmungen und Klatschen in Empfang genommen worden. Die Kosmonauten Oleg Artemjew, Denis Matwejew und Sergej Korssakow dockten am Freitag mit ihrem Raumschiff vom Typ Sojus MS-21 an der ISS an, wie Live-Bilder der US-Raumfahrtbehörde Nasa zeigten.
Kurz darauf schwebten sie in die ISS und wurden dort von ihren Kollegen – den Russen Anton Schkaplerow und Pjotr Dubrow, den US-Amerikanern Mark Vande Hei, Thomas Marshburn, Raja Chari und Kayla Barron und dem Deutschen Matthias Maurer – mit Jubel, Umarmungen, Händeschütteln, Klatschen, hochgestreckten Daumen und Erinnerungsfotos empfangen.
Auf der Erde sorgten auch die Fluganzüge, die die Kosmonauten dabei trugen, für Gesprächsstoff: Sie waren gelb mit einigen blauen Aufnähern. Beobachter erinnerte das an die Farben der ukrainischen Flagge. Ob damit eine Botschaft verbunden war, war zunächst unklar. Seit Beginn des Krieges drücken viele Menschen mit Flaggen und den ukrainischen Nationalfarben Unterstützung für die Ukraine aus.
Einer der Neuankömmlinge, Oleg Artemjew, erklärte jedoch, jede Besatzung wähle ihre Fluganzüge selbst aus. „Wir haben tatsächlich viel gelbes Material angesammelt, das wir also benutzen mussten. Deshalb also mussten wir Gelb tragen.“
Die drei Kosmonauten waren rund drei Stunden vor dem Andocken vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gestartet. Das hatten Live-Bilder der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos gezeigt. Zu sehen war, wie die Rakete in den Nachthimmel über Zentralasien aufstieg.
In der Vergangenheit war anders als diesmal meist ein US-Astronaut oder etwa ein Astronaut der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa bei Starts in der Sojus mitgeflogen. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa nutzt seit einiger Zeit wieder US-Raumschiffe zur ISS.
Die wegen des Angriffs auf die Ukraine gegen Moskau verhängten Sanktionen haben auch die Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland in der Raumfahrt schwer belastet – auch wenn beide Seiten betonen, die Station zunächst weiter betreiben zu wollen. Roskosmos hatte zuletzt allerdings die Zukunft der ISS nach Auslaufen des Vertrags 2024 offen gelassen. Die Nasa strebt eine Laufzeit bis 2030 an. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“