+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Russland beklagt „Nazi-Politik“

Moskau kritisiert Vorschläge für ein EU-weites Einreiseverbot von Rus­s:in­nen in die Europäische Union scharf. Bundeskanzler Scholz kritisiert Russland.

Porträt von Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu

Sergej Schoigu wählt bezüglich eines möglichen Einreiseverbots für Russ_innen in die EU drastische Worte Foto: Pavel Golovkin/dpa

Luftangriff auf Melitopol trifft russischen Stützpunkt

Das ukrainische Militär hat in der Nacht auf Samstag Ziele in der russisch besetzten Stadt Melitopol angegriffen. Der ukrainische Bürgermeister Iwan Fedorow schrieb auf Telegram von gewaltigen Explosionen, die in der ganzen Stadt zu hören gewesen seien. Erste Erkenntnisse deuteten seinen Angaben zufolge darauf hin, dass bei einem ukrainischen Präzisionsschlag ein russischer Militärstützpunkt getroffen worden sei. Die Leiterin der russischen Verwaltung in Melitopol, Galina Daniltschenko, berichtete hingegen, Wohngebiete seien beschädigt und ein Zivilist sei verletzt worden. „Die russische Luftabwehr hat Raketen abgefangen, aber wegen des Beschusses wurden die Häuser von Bewohnern auf (zwei) Straßen teilweise zerstört und beschädigt“, schrieb sie auf Telegram. Federow machte in einem weiteren Post die russischen Besatzungskräfte für den Beschuss von zehn Wohnhäusern verantwortlich.

Melitopol ist die größte russisch besetzte Stadt in der Region Saporischschja im Süden des Landes und wurde bereits zu Beginn des Angriffskrieges erobert. Bürgermeister Fedorow war Mitte März entführt worden und kam kurz darauf im Zuge eines Gefangenenaustauschs wieder frei. (ap)

Moskau kritisiert möglichen EU-Einreisestopp für Rus­s:in­nen

Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat die Vorschläge für ein EU-weites Einreiseverbot von Russen in die Europäische Union als „Nazi-Politik“ kritisiert. „Wir beobachten heute noch ein klares Hervortreten einer nazistischen Politik, wenn von den höchsten europäischen Tribünen aktiv die russophobe Idee vorangetrieben wird, allen russischen Bürgern die Einreise in die Länder der EU zu verbieten“, sagte Schoigu am Samstag auf dem Ersten Internationalen Antifaschistischen Kongress in der Nähe von Moskau.

Immer mehr Länder setzen der Reisefreiheit Grenzen und schränken die Vergabe von Schengen-Visa an Russen im Alleingang ein. Dazu gehören Estland, Lettland, Litauen und Tschechien. Finnland will ab September folgen, Polen erwägt eine ähnliche Regelung. Dänemark dringt auf eine EU-Lösung und will sonst ebenfalls selbst handeln.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte den Westen aufgerufen, Russen die Einreise zu verbieten. Schoigu kritisierte, dass sich in der Ukraine eine nationalistische Politik seit Jahren gegen alles Russische richte. Das sei zu einer Bedrohung für Russlands Sicherheit geworden, sagte er und rechtfertigte damit einmal mehr den Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar.

In den russischsprachigen Regionen Donezk und Luhansk „hat das Kiewer Regime acht Jahre lang schreckliche Verbrechen verübt gegen die Bürger“, sagte der Verteidigungsminister mit Blick auf 2014, den Beginn der Kämpfe zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Separatisten. „Zugleich begann die Nato damit, sich das ukrainische Gebiet militärisch zu erschließen. Kiew nahm Kurs auf einen Nato-Beitritt. Das alles hat unannehmbare Gefahren für die Sicherheit Russlands geschaffen“, sagte Schoigu. (dpa)

Scholz würdigt Nawalny und kritisiert Russland

Anlässlich der Vergiftung des Kreml-Gegners Alexej Nawalny vor zwei Jahren und des Kriegs in der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz den Umgang mit den Menschenrechten in Russland kritisiert. Nawalny habe den Mordanschlag damals knapp überlebt, sagte Scholz am Samstag in einer Videobotschaft. Er würdigte den Oppositionspolitiker als mutigen Mann, der nach seiner Erholung in Deutschland nach Russland zurückgekehrt sei, um für Demokratie, Freiheit und den Rechtsstaat zu kämpfen. Nawalny sei jedoch gleich verhaftet worden und sitze nun in einem Straflager. „Daran sollten wir jetzt denken. Denn der Krieg, den Russland gegen die Ukraine begonnen hat, ist ein Krieg, der auch Konsequenzen für Russland hat.“ Freiheit und Demokratie seien schon vorher gefährdet gewesen. „Aber jetzt ist die Meinungsfreiheit noch viel mehr gefährdet und viele fürchten sich, ihre eigene Meinung zu sagen.“

Gerade deshalb sei es wichtig, jetzt auch an Nawalny zu denken, sagte Scholz. Dieser sei unverändert ein mutiger Mann, der für die Prinzipien stehe, „die für viele Bürgerinnen und Bürger Russlands eine gute Perspektive weisen. Nämlich dass man am besten lebt in einer Demokratie und einem Rechtsstaat“. (rtr)

Ukraine warnt vor Katastrophe an Atomanlage Saporischschja

Vertreter der Ukraine haben die fortgesetzten Kämpfe im Nahbereich des Atomkraftwerks Saporischschja im Südosten des Landes kritisiert. Kyrylo Tymoschenko vom ukrainischen Präsidialbüro erklärte, „die Gefahr einer Umweltkatastrophe von globalem Ausmaß“ bleibe wegen des regelmäßig wiederkehrenden Beschusses der Atomanlage durch Russland akut. Durch russischen Beschuss seien in der Nähe des größten Kernkraftwerks in Europa zudem „3700 Infrastruktur-Objekte“ zerstört worden, einschließlich Einrichtungen für die Beheizung sowie die Strom-, Gas- und Wasserversorgung.

Auch Präsident Wolodimir Selenski machte die Lage um die Atomanlage in seiner abendlichen Videoansprache am Freitag zum Thema. Wenn Russlands atomare Erpressung anhalte, könne dieser Sommer in verschiedenen europäischen Ländern als einer der tragischsten aller Zeiten in die Geschichte eingehen, erklärte er. Es gebe keine Verfahren für den Umgang mit dem Fall, dass ein „terroristischer Staat“ ein Atomkraftwerk zu einem Ziel mache. Kiew und Moskau werfen sich gegenseitig den Beschuss im Umfeld der Anlage vor, die von Russland militärisch kontrolliert, aber von ukrainischem Personal betrieben wird.

Unterdessen sprachen sich der russische Präsident Wladimir Putin und der französische Präsident Emmanuel Macron in ihrem ersten Telefonat seit dem 28. Mai am Freitag für eine Inspektion der Atomanlage durch ein Team der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) aus, wie der Élysée-Palast mitteilte. (ap)

Krim: Drohne am Stab der Schwarzmeerflotte abgeschossen

Auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim ist es erneut zu einer Explosion gekommen. Am Samstag schlugen in der Stadt Sewastopol nach Angaben der Behörden Trümmerteile einer abgeschossenen Drohne im Stabsgebäude der Schwarzmeerflotte ein. Die Luftabwehr der Flotte habe die Drohne getroffen, sagte der Verwaltungschef der Stadt, Michail Raswoschajew. „Sie fiel auf das Dach und brannte.“ Es gebe keine Opfer.

Der Beamte veröffentlichte ein Bild des zerstörten Dachs. Raswoschajew machte der Ukraine für den Angriff verantwortlich. Russland hatte die Krim 2014 annektiert.

Auf zunächst nicht überprüfbaren Bildern und Videos, die in den sozialen Netzwerken verbreitet wurden, war nach einer Explosion eine Rauchwolke zu sehen, die in den Himmel stieg. „Bewahren Sie die Ruhe und bleiben sie nach Möglichkeit die nächste Stunde zuhause“, schrieb der Verwaltungschef in seinem Kanal im Telegram-Nachrichtendienst. Es gebe keine schweren Zerstörungen. (dpa)

Zwei weitere Getreide-Frachter legen ab

Der Export von Getreide über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen geht weiter. Zwei Frachter legten von Tschornomorsk ab, wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilt. Insgesamt sind damit seit der Wiederaufnahme der Lieferungen, die durch ein von den Vereinten Nationen und der Türkei vermitteltes Abkommen ermöglicht wurde, 27 Getreide-Schiffe aus den Häfen ausgelaufen. Die Häfen waren nach Beginn des russischen Krieges monatelang blockiert. (rtr)

Selenski wirft Russland Erpressung mit Energie vor

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wirft Russland Erpressung auf dem Energiesektor vor. In seiner abendlichen Videoansprache führte Selenski die geplante Unterbrechung der Gaslieferungen des russischen Exporteurs Gazprom durch Nord Stream 1 als Beispiel an. Russland wolle mit seinen Gaslieferungen Probleme in Europa schaffen. „Je schneller alle in Europa ihre Energiesysteme auf einen Betrieb ohne Energiequellen aus Russland vorbereiten, desto schneller werden sie in der Lage sein, jeden Winter zu überstehen.“ Russland terrorisiere die weltweiten Energiemärkte.

In seiner abendlichen Videoansprache sagte der ukrainische Präsident, Moskau plane eine „groß angelegte Provokation“ am Atomkraftwerk Saporischschja, um eine Abkoppelung des Kraftwerks vom ukrainischen Stromnetz zu rechtfertigen und es an das russische Stromnetz anzuschließen. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig für den anhaltenden Beschuss des Atomkraftwerks verantwortlich. (rtr)

Nouripour gegen generelles EU-Einreiseverbot für Russen

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sieht Überlegungen kritisch, russischen Staatsbürgern keine Kurzzeit-Visa für Besuche in der EU mehr auszustellen. Damit steht er in dieser Frage nahe bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich bereits gegen den in der Europäischen Union diskutierten Vorschlag positioniert hatte.

Er verstehe die Gefühle derjenigen, die angesichts des brutalen Angriffs auf die Ukraine touristische Reisen russischer Bürger in die EU unterbinden wollten, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts der hohen Zustimmung für Präsident Wladimir Putin in Russland, „muss man auch klar machen, dass das so nicht geht“, fügte er hinzu. Auf der anderen Seite sei das Erleben von Rechtsstaatlichkeit in den Staaten der Europäischen Union etwas, „was sehr, sehr hilfreich ist, gerade gegen solche Diktaturen“.

Porträt Omid Nouripour, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen

Omid Nouripour, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, sieht ein Einreiseverbot für Rus­s:in­nen kritisch Foto: Kay Nietfeld/dpa

Immer mehr Länder setzen der Reisefreiheit Grenzen und schränken die Vergabe von Schengen-Visa an Russen im Alleingang ein. Dazu gehören Estland, Lettland, Litauen und Tschechien. Finnland will ab September folgen, Polen erwägt eine ähnliche Regelung. Dänemark dringt auf eine EU-Lösung und will sonst ebenfalls selbst handeln. (dpa)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.