+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Ukraine lehnt Waffenruhe ab
Die Ukraine meldet Kämpfe in weiten Teilen im Osten des Landes. Präsident Selenski fordert weitere Sanktionen. Polens Präsident reist nach Kiew.
Ampel-Politiker warnen vor verstärkten Cyberattacken
Sicherheitspolitiker der Ampel-Koalition haben vor einer Zunahme russischer Cyberattacken auf deutsche Unternehmen gewarnt. „Die IT-Sicherheitslage in Deutschland muss weiterhin als extrem angespannt betrachtet werden“, sagte der Vorsitzende des Geheimdienstgremiums im Bundestag, Konstantin von Notz (Grüne), dem „Handelsblatt“. Nachdem in den vergangenen Wochen bereits mehrere Anbieter aus dem Bereich der strategischen Infrastruktur angegriffen worden seien, „beobachten wir derzeit eine Ausweitung von Attacken auch auf andere Bereiche“, sagte er.
Der Grünen-Fraktionsvize sprach von „zahlreichen“ Firmen, die verstärkt in den Fokus der Angreifer gerieten. Betroffen seien zudem deutsche Sicherheitsbehörden, Verfassungsorgane wie der Bundestag und wissenschaftliche Einrichtungen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, sieht Cyberangriffe „ganz klar“ als Teil der Kriegsführung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Je mehr Putin unter Druck gerät, sei es durch die Sanktionen des Westens oder ausbleibende Erfolge seiner Truppen in der Ukraine, desto mehr müssen wir mit groß angelegten Angriffen auf Deutschland rechnen“, sagte er dem „Handelsblatt“. Diese Angriffe „könnten nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern vermehrt auch die Wirtschaft betreffen“.
Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sagte, die jüngsten Attacken auf deutsche Behörden und Ministerien seien nur ein „Vorgeschmack“ auf mögliche weitere Angriffe. „Russische Cyberangreifer gehören weltweit zu den aggressivsten und fähigsten.“
Von Notz kündigte Gegenmaßnahmen der Ampel-Koalition an. Es würden nun wichtige Vorhaben wie die Vorlage eines Gesetzes zum Schutz strategisch wichtiger Infrastrukturen oder die Schaffung eines beim Technischen Hilfswerk (THW) angedockten Cyberhilfswerk angeschoben. (afp)
Schwere Kämpfe um Sjewjerodonezk im Luhansker Gebiet
In der Ostukraine gibt es weiter schwere Kämpfe um die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Luhansker Gebiet. Positionen ukrainischer Truppen würden in dem Bereich entlang der gesamten Frontlinie mit russischer Artillerie beschossen, teilte der Generalstab in Kiew am Sonntag mit. Russische Truppen versuchten demnach erfolglos, Ortschaften nördlich, östlich und südlich von Sjewjerodonezk zu stürmen. Ebenso hart werde um Dörfer südlich der Trasse von Lyssytschansk nach Bachmut im Donezker Gebiet gekämpft.
Die russische Armee versucht seit Tagen, die ukrainischen Gruppen rund um Sjewjerodonezk und Lyssytschansk vom Nachschub aus dem Donezker Gebiet abzuschneiden. Am Vortag wurde dabei ukrainischen Angaben zufolge gezielt eine Brücke über den Siwerskyj Donez zwischen den Zwillingsstädten Lyssytschansk und Sjewjerodonezk mit 240-Millimeter Mörsern zerstört. Artilleriegefechte und Bombardements habe es auch im Donezker Gebiet gegeben.
Russlands Verteidigungsministerium teilte unterdessen mit, in den vergangenen 24 Stunden seien insgesamt knapp 40 Ziele aus der Luft angegriffen worden, darunter fünf Waffenlager im Donbass. Zudem seien landesweit mehr als 580 Ziele mit Raketen und Artillerie beschossen worden. (dpa)
Kiew: Moskau intensiviert Luftangriffe im ganzen Land
Russland intensiviert nach ukrainischen Angaben seine Luftangriffe in der gesamten Ukraine. Die russische Armee setze „ihre Raketen- und Luftangriffe auf das gesamte Territorium“ fort und habe „die Intensität erhöht“, erklärte der Generalstab der ukrainischen Armee am Sonntag. Demnach setzt Moskau zunehmend die Luftwaffe ein, „um wichtige Infrastrukturen zu zerstören“.
Örtliche ukrainische Behörden bestätigten einen russischen Raketenangriff auf die Ortschaft Malyn westlich von Kiew. Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte am Samstag erklärt, dort mit „hochpräzisen seegestützten Langstreckenwaffen“ eine bedeutende westliche Waffenlieferung zerstört zu haben. Die ukrainischen Behörden sprachen hingegen von Schäden an „ziviler Infrastruktur“. Der Generalstab machte keine Angaben zu einer beschossenen Waffenlieferung.
In der östlichen Donbass-Region versuchen die russischen Truppen nach der kompletten Einnahme der Hafenstadt Mariupol nun offenbar, auch die letzten ukrainischen Stellungen zu erobern. In der Region Luhansk werden inzwischen nur noch die durch einen Fluss getrennten Städte Sewerodonezk und Lyssytschansk von der Ukraine kontrolliert.
Nach Ansicht von Experten droht Sewerodonezk, komplett von russischen Truppen umzingelt und belagert zu werden. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sprach von „brutalen und absolut unsinnigen“ Bombardements und Angriffen auf die Zivilbevölkerung, die in Kellern und Tunneln Zuflucht suche. Die Lage im Donbass sei „extrem schwierig“, die ukrainische Armee dränge die russische Offensive aber zurück, sagte Selenski in einer Videobotschaft am Samstagabend.
Allerdings könne der Krieg letztlich nur durch Diplomatie beendet werden, sagte der Präsident weiter. „Es gibt Dinge, die wir nur am Verhandlungstisch erreichen können.“ Zugleich forderte Selenski vom Westen weitere Waffenlieferungen und Sicherheitsgarantien für die Ukraine. (afp)
Ukraine lehnt nach Donbass-Offensive Waffenruhe ab
Angesichts einer verstärkten Offensive Russlands in der Donbass-Region demonstriert die Ukraine Durchhaltewillen und erteilt dem Ruf nach einer Waffenruhe eine Absage. Präsident Wolodimir Selenski räumte in einer Ansprache in der Nacht zum Sonntag ein, die Lage im Donbass sei „extrem schwierig“. Die russische Armee versuche die Städte Slowiansk und Siewierodonezk anzugreifen, doch die ukrainischen Streitkräfte hielten den Vormarsch auf. Der Präsidenten-Berater Mychailo Podoljak schloss unterdessen eine unmittelbare Kampfpause aus, wie sie von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi ins Gespräch gebracht worden war.
Damit würde sich die Ukraine nur selbst schaden, da Russland nach einer Waffenruhe nur umso härter zuschlagen würde, sagte der Berater des ukrainischen Präsidenten: „Sie starten dann eine neue Offensive, noch blutiger und größer angelegt.“ Kiew werde auch keine Konzessionen machen, die auf Gebietsabtretungen hinausliefen, fügte er hinzu. (rtr)
Erdoğan stellt Bedingungen für Nato-Erweiterung
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat Forderungen an Schweden und Finnland für die Zustimmung seines Landes zu ihrem Nato-Beitritt gestellt. Erdoğan rief am Samstag beide Länder zur Beendigung ihrer Unterstützung für „terroristische“ Gruppen auf. Indes stoppte Russland wenige Tage nach dem offiziellen Antrag Finnlands auf die Nato-Mitgliedschaft wie angekündigt seine Gaslieferungen an das Nachbarland.
Erdoğan sagte Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson laut der türkischen Präsidentschaft in einem Telefongespräch, sein Land erwarte „konkrete und ernsthafte Schritte“, die zeigten, dass es Ankaras Befürchtungen bezüglich der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihrer irakischen und syrischen Ableger ernst nehme. Erdoğan forderte demnach zudem das Ende schwedischer Restriktionen für die türkische Rüstungsindustrie.
In einem Telefonat mit Finnlands Präsidenten Sauli Niinistö habe Erdoğan zudem gesagt, es sei „unvereinbar mit dem Geist der Freundschaft und des Bündnisses“, vor „Terrororganisationen“, die eine Bedrohung für einen Nato-Verbündeten darstellten, die Augen zu verschließen.
Erdoğan telefonierte auch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Nach Angaben seines Büros sagte er, die Türkei werde Finnlands und Schwedens Nato-Mitgliedschaft „nicht positiv betrachten“, solange sie sich im „Kampf gegen den Terrorismus“ nicht „solidarisch“ zeigten. Stoltenberg schrieb anschließend auf Twitter: „Wir sind uns einig, dass die Sicherheitsbedenken aller Verbündeten berücksichtigt und die Gespräche fortgesetzt werden müssen.“
Finnland und Schweden hatten am Mittwoch unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gemeinsam ihre Mitgliedsanträge bei der Nato eingereicht. Dem Beitritt eines Staates zur Nato müssen alle 30 bisherigen Mitgliedsländer zustimmen. Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der Nato. (afp)
Polnischer Präsident Duda in die Ukraine gereist
Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda ist nach Angaben seines Büros zu einem nicht angekündigten Besuch in der Ukraine eingetroffen. Am (heutigen) Sonntag sei eine Rede Dudas vor dem ukrainischen Parlament geplant, hieß es.
Polen gilt als enger Unterstützer der Ukraine und hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Nachbarland Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Zudem gelangen über Polen humanitäre Hilfe und Waffen in die Ukraine. Nach der Blockade ukrainischer Häfen durch Russland läuft ein Teil der ukrainischen Exporte von Getreide und anderen Agrarprodukten über Polen.
Der ukrainische Botschafter in Polen hatte am Samstag erklärt, er hoffe, dass die EU bald Milliarden Euro für Polen freigebe, damit die Unterstützung für sein Land nicht „auf Kosten des polnischen Volks“ gehe. Zwar sei es trotz der Aufnahme von Millionen Ukrainern bislang nicht zu größeren sozialen Spannungen gekommen, sagte Andrij Deschtschyzja. Angesichts der Dimension der polnischen Hilfe befürchte er aber, dass sich das ändern könnte.
Deschtschyzja bezog sich auf die für Polen vorgesehenen 36 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds, die von der EU-Kommission wegen Bedenken über die Rechtsstaatlichkeit im Land bislang zurückgehalten werden. (ap)
Selenski spricht von „extrem schwieriger Lage“ im Donbass
Das ukrainische Militär hat heftige Kämpfe in weiten Teilen des Donbass im Osten des Landes gemeldet. „Die Lage im Donbass ist extrem schwierig“, sagte Präsident Wolodimir Selenski in seiner abendlichen Videoansprache in der Nacht zum Sonntag. Wie in den Vortagen versuche die russische Armee, Slowjansk und Sjewjerodonezk anzugreifen. Ukrainische Truppen wehrten die Offensive „jeden Tag“ ab, sagte er.
Sjewjerodonezk ist in der Region Luhansk, die zusammen mit der Region Donezk das Donbass bildet, die wichtigste Stadt unter ukrainischer Kontrolle. Gouverneur Serhij Haidai sagte, das einzige noch funktionierende Krankenhaus der Stadt habe nur drei Ärzte, die Versorgung reiche noch für zehn Tage.
Slowjansk in der Region Donezk ist entscheidend für das russische Kriegsziel, den gesamten Osten der Ukraine einzunehmen. Nach dem Abzug russischer Truppen aus dem Raum Kiew kam es dort im April zu heftigen Kämpfen. Nach Angaben des Gouverneurs kamen am Samstag in der Region sieben Zivilisten durch russischen Beschuss ums Leben, zehn weitere wurden verletzt.
Nach Angaben der Regionalpolizei vom Samstag wurde ein Kloster im Dorf Bohoroditschne in Donezk von einem russischen Luftangriff getroffen und evakuiert. Etwa 100 Mönche, Nonnen und Kinder hätten im Keller der Kirche Schutz gesucht, erklärte die Polizei auf Facebook. Niemand sei verletzt worden. Dazu veröffentlichte die Polizei ein Video, das das stark beschädigte Kloster und die Evakuierung von Nonnen, Mönchen und Kindern mit Bussen am Freitag zeigt.
Selenski betonte am Samstag in einer Pressekonferenz mit dem portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa in Kiew, der Donbass bleibe Teil der Ukraine. Die ukrainischen Truppen versuchten, „unser Territorium zu befreien“. (ap)
Selenski fordert neue Sanktionen
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski pocht auf weitere Strafmaßnahmen des Westens gegen Russland. Das sechste Sanktionspaket der europäischen Staaten müsse beschleunigt werden, sagte das Staatsoberhaupt in einer Videobotschaft, die in der Nacht zum Sonntag veröffentlicht wurde. Darüber habe er zuletzt auch mit Italiens Regierungschef Mario Draghi gesprochen. Viele westliche Staaten haben bereits beispiellose Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt. (dpa)
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