+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Angriffe bei Bachmut ausgebremst
Dichter Schneefall verlangsamt die russische Offensive auf Bachmut. Das IOC kritisiert den Boykott-Aufruf Kyjiws. SPD-Politiker rufen Scholz zu Friedensinitiative auf.
Kyjiw: „Russischer Vorsitz im UN-Sicherheitsrat ist Schande“
Die Ukraine hat die turnusmäßige Übernahme des Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat durch Russland als Schande bezeichnet. Es sei ein weiterer Schlag gegen geregelte internationale Beziehungen, twittert der Chef des Präsidenten-Stabes, Andrij Jermak. Er kritisiert auch den Iran wegen Waffenlieferungen an Russland. „Es ist sehr bezeichnend, dass am Feiertag eines Terrorstaates – Iran – ein anderer Terrorstaat – Russland – den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernimmt“, schreibt Jermak und bezieht sich dabei auf den Feiertag anlässlich der Gründung der Islamischen Republik Iran. (rtr)
Selenskyj fordert Gerechtigkeit für Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat für sein Land nachdrücklich Gerechtigkeit gefordert. Am Freitag hatte er im Kyjiwer Vorort Butscha mit internationalen Gästen der Opfer der kurzen russischen Besatzungszeit gedacht. Am Gedenken nahmen die moldauische Präsidentin Maia Sandu und die Regierungschefs der Slowakei, Sloweniens und Kroatiens – Eduard Heger, Robert Golob und Andrej Plenkovic – teil.
Nach ihrem Einmarsch vor gut 13 Monaten eroberten russische Truppen Anfang März 2022 die Kleinstadt Butscha bei Kyjiw. Am 30. März zogen sie wieder ab. Drei Tage später sorgten veröffentlichte Bilder von gefesselten Leichen von Zivilisten international für Entsetzen. Butscha gilt weltweit als Symbol für russische Kriegsverbrechen.
Mit seinen Gästen hielt Selenskyj am Nachmittag eine Konferenz von „United for Justice“ (Vereint für Gerechtigkeit), bei der die Ukraine Unterstützung für die Verfolgung russischer Kriegsverbrechen sammeln will. „Und der Tag wird kommen, an dem die Welt hören wird, dass die Gerechtigkeit für die Ukraine wiederhergestellt wurde“, kündigte Selenskyj an. (dpa)
IOC kritisiert Boykott-Aufruf der ukrainischen Regierung
Das Internationale Olympische Komitee hat den Boykott-Aufruf der ukrainischen Regierung kritisiert. Die Sportler der Ukraine waren am Donnerstag offiziell angewiesen worden, Wettbewerbe zu boykottieren, an denen Athleten aus Russland oder Belarus teilnehmen. Das IOC habe diese Entscheidung zur Kenntnis genommen. „Sollte eine solche Entscheidung umgesetzt werden, würde sie nur die ukrainischen Athleten verletzen und sich in keiner Weise auf den Krieg auswirken, den die Welt beenden will und den das IOC so vehement verurteilt hat“, teilte das IOC am Samstag mit.
Das IOC habe stets betont, „dass es nicht Sache der Regierungen ist, zu entscheiden, welche Athleten an welchen internationalen Wettkämpfen teilnehmen können“. Sollte die Anweisung umgesetzt werden, „würde sie auch gegen die Position einiger ukrainischer Sportler und anderer Mitglieder der ukrainischen olympischen Gemeinschaft verstoßen“, hieß es vom IOC.
Das IOC argumentierte zudem, dass es weltweit 70 bewaffnete Konflikte, Kriege oder Krisen gebe und sich davon betroffene Nationale Olympischen Komitees an die Grundsätze der Olympischen Charta halten und zu keinen Boykotten aufrufen würden.
Die Entscheidung war auf Vorschlag des Ministers für Jugend und Sport und des Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine, Wadym Hutzajt, gefasst worden. Der Beschluss gelte für alle Wettbewerbe, einschließlich der Qualifikationswettbewerbe für die Olympischen Spiele 2024. Sollten Sportler dennoch an Wettbewerben teilnehmen, bei denen auch Sportler aus Belarus oder Russland antreten, könne dies dazu führen, dass den jeweiligen Verbänden der nationale Status aberkannt werde.
Damit reagierte die ukrainische Regierung auf Empfehlungen des IOC, Sportler aus Russland und Belarus als neutrale Teilnehmer an Wettkämpfen wieder zuzulassen. (dpa)
SPD-Politiker rufen Scholz zu Ukraine-Friedensinitiative auf
Der frühere Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Reiner Hoffmann und weitere SPD-Politiker haben in einem von der Frankfurter Rundschau (Samstagsausgabe) veröffentlichten Aufruf zu einer Friedensinitiative für die Ukraine aufgerufen. Sie ermutigten Bundeskanzler Olaf Scholz, „zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen“, hieß es in dem Aufruf, den der Historiker Peter Brandt, Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) initiierte.
Verfasser des Aufrufs waren zudem neben Ex-DGB-Chef und SPD-Mitglied Hoffmann der ehemalige SPD-Abgeordnete Michael Müller sowie Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro. Unterzeichner waren unter anderem der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen (beide SPD).
„Mit jedem Tag“ wachse „die Gefahr der Ausweitung der Kampfhandlungen“, hieß es in dem Text. Der „Schatten eines Atomkrieges“ liege über Europa, die Welt dürfe „nicht in einen neuen großen Krieg hineinschlittern“. Es sei „das Wichtigste“, nun „alles für einen schnellen Waffenstillstand zu tun, den russischen Angriffskrieg zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen zu finden“. Nur dann könne „der Weg zu einer gemeinsamen Sicherheitsordnung in Europa geebnet werden“. (afp)
Kyjiw bestellt 100 gepanzerte Militärfahrzeuge von Polen
Die Ukraine hat nach polnischen Angaben 100 gepanzerte Mehrzweckmilitärfahrzeuge des in Polen hergestellten Typs Rosomak bestellt. Das teilte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki am Samstag bei einem Besuch der Rosomak-Fabrik in der südpolnischen Stadt Siemianowice Slaskie mit. Demnach sollen die Fahrzeuge dort produziert werden.
Die Bestellung werde durch Mittel finanziert, die Polen von der Europäischen Union erhalten habe sowie mit US-Geldern für die Ukraine, sagte Morawiecki, ohne weitere Details des Vertrags zu nennen oder Angaben zu den Kosten zu machen.
Die USA und ihre Verbündeten unterstützen die Ukraine seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 umfangreich mit finanziellen Mitteln und Waffen. Bei den Rosomaks handelt es sich um achträdrige gepanzerte Fahrzeuge, die unter Lizenz des finnischen Rüstungskonzern Patria hergestellt werden. (afp)
Russische Angriffe bei Bachmut ausgebremst
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben weitere Angriffe auf die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut abgewehrt. „In den vergangenen 24 Stunden haben unsere Verteidiger gegnerische Attacken im Bereich der Ortschaften Bohdaniwka und Iwaniwske zurückgeschlagen“, teilte der ukrainische Generalstab am Samstag mit. Beide Ortschaften liegen an wichtigen Zufahrtsstraßen nach Bachmut. Schon zuvor hatten russische Quellen von massiven Schneefällen berichtet, die das Vorankommen der angreifenden Truppen beeinträchtigten.
„Die Verschlechterung des Wetters erschwert die Führung aktiver Handlungen“, klagte der russische Militärexperte Boris Roschin in der Nacht zum Samstag. Auf Bildern und Videos aus der Gegend ist massiver Schneefall und eine dicke Schneedecke zu sehen. Das Wetter ist ein wichtiger Faktor im Kriegsgeschehen. So wird in den kommenden Wochen auch eine ukrainische Gegenoffensive erwartet. Dazu müssen Experten zufolge aber zunächst einmal die Böden trocknen, weil die schweren Militärfahrzeuge sonst teils im Schlamm steckenbleiben könnten.
Seit Monaten ist Bachmut schwer umkämpft. Die russischen Angreifer haben die inzwischen völlig zerstörte Stadt inzwischen von drei Seiten umfasst und kontrollieren nach eigenen Angaben etwa 70 Prozent des Stadtgebiets. Für Russland ist die Eroberung Bachmuts wichtig, um das Kriegsziel der Eroberung des ostukrainischen Donbass-Gebiets zu erreichen. Bachmut ist Teil der Verteidigungslinie vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk, den letzten großen Städten, die die Ukraine im Gebiet Donezk noch hält. (dpa)
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