+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Hoffen auf Kairo
Nach Verhandlungen in Doha liegen die Hoffnungen nun auf einem Treffen in Kairo nächste Woche. Währenddessen bereitet Israel einen neuen Militäreinsatz im Gazastreifen vor.
Verhandlungen sollen in Kairo fortgesetzt werden
Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen sollen nächste Woche in der ägyptischen Hauptstadt Kairo fortgesetzt werden. Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas sei ein neuer Kompromissvorschlag vorgelegt worden, teilte das Weiße Haus in Washington am Freitag mit. „Dieser Vorschlag baut auf den Bereichen auf, in denen in der vergangenen Woche eine Einigung erzielt wurde, und überbrückt die verbleibenden Lücken in einer Weise, die eine rasche Umsetzung des Abkommens ermöglicht“, hieß es in einer Erklärung, die auch von den beiden anderen Vermittlern Katar und Ägypten unterzeichnet wurde.
Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der dort festgehaltenen israelischen Geiseln waren am Donnerstag in der katarischen Hauptstadt Doha wieder aufgenommen worden.
Der Konflikt im Nahen Osten hatte sich zuletzt erheblich zugespitzt. Der Iran und die libanesische Hisbollah-Miliz drohen Israel seit den Tötungen von Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran und Hisbollah-Militärchef Fuad Schukr in Beirut Ende Juli mit Vergeltung. Die Hamas und der Iran machen Israel für beide Angriffe verantwortlich. Die USA, Israels wichtigster Verbündeter, erhöhten angesichts der drohenden Eskalation ihre Militärpräsenz in der Region.
US-Präsident Joe Biden hatte die Erwartung geäußert, eine Einigung über eine Waffenruhe im Gazastreifen könnte auch den Iran von einem Angriff auf Israel abhalten und so eine weitere Eskalation des Konflikts in der Region verhindern. (afp)
Polio-Impfung für Kinder in Gazastreifen geplant
UN-Organisationen planen Massenimpfungen gegen Polio im Gazastreifen in den kommenden Wochen. Ende August und im September sollen mehr als 640.000 Kinder in zwei Impf-Runden gegen das Virus geschützt werden, das Kinderlähmung auslösen kann, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf mitteilte.
Die UN-Gesundheitsbehörde berichtete, dass bereits bei drei Kindern im Gazastreifen der Verdacht von akuten Lähmungssymptomen bestehe, die für Polio typisch seien. In dem dicht besiedelten Kriegsgebiet war das Virus im Juli in Abwasserproben festgestellt worden.
Die WHO und das UN-Kinderhilfswerk Unicef forderten die Konfliktparteien – Israel und die Terrororganisation Hamas – auf, die Kämpfe sieben Tage lang einzustellen, damit Kinder und ihre Familien sicher in Gesundheitszentren geimpft werden können. Außerdem müsse es Impfpersonal ermöglicht werden, zu Kindern zu gelangen, die solche Zentren nicht erreichen können. „Ohne die humanitären Kampfpausen ist die Durchführung der Kampagne nicht möglich“, hieß es. (dpa)
Israel ruft Bewohner in Gazastreifen zur Flucht auf
Die israelische Armee hat die Anwohner im Norden von Chan Junis sowie im Osten von Deir al-Balah im Gazastreifen vor einem neuen Militäreinsatz zur Flucht aufgerufen. Sie sollten sich in eine humanitäre Zone begeben, deren Grenzen neu gezogen worden seien, teilte die Armee den Menschen mit Hilfe von Flugblättern, per SMS, Telefonanrufen sowie per Medienberichten in arabischer Sprache mit. „Die Terrororganisation Hamas hat in einem als humanitäre Zone ausgewiesenen Gebiet eine terroristische Infrastruktur errichtet“, hieß es von der Armee zur Begründung.
Aus der Gegend würden etwa Raketen Richtung Israel abgefeuert. „In diesem Gebiet zu bleiben, ist gefährlich geworden.“ Die Armee werde dort gegen die Hamas vorgehen. Ziel der Warnungen sei es, Zivilisten zu schützen, hieß es in einer Mitteilung des Militärs.
Chan Junis liegt im südlichen Gazastreifen, Deir al-Balah im Zentrum des Gebiets. Die humanitäre Zone, die sich zwischen beiden Orten im Westen des Gazastreifens erstreckt, werde derzeit angepasst, teilte das Militär weiter mit. Auf einer Karte der Armee ist zu sehen, dass das Gebiet verkleinert wird und mehrere Viertel nicht mehr Teil der Zone sind.
Am Donnerstag waren Armeeangaben zufolge Raketen aus Chan Junis Richtung Israel abgefeuert worden. (dpa)
Siedler töten Palästinenser im Westjordanland
Bei einem Angriff jüdischer Siedler im Westjordanland ist nach palästinensischen Angaben ein Mensch getötet worden. Ein weiterer Palästinenser sei schwer verletzt worden, erklärte das palästinensische Gesundheitsministerium am Donnerstag. Demnach ereignete sich der Angriff in der Ortschaft Dschit zwischen Nablus und Kalkilija. Die amtliche palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete, bewaffnete Siedler hätten Dschit angegriffen und mehrere Fahrzeuge in Brand gesetzt.
Die israelische Armee erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, dass am Abend „dutzende israelische Zivilisten“, einige von ihnen maskiert, in Dschit eingedrungen seien, Fahrzeuge und Infrastruktur in dem Gebiet in Brand gesetzt und Steine und Molotowcocktails geworfen hätten. Ein Israeli sei festgenommen worden.
„Gewaltsame, radikale Ausschreitungen sind das Gegenteil von allem, was der israelische Staat an Kodex und Werten hochhält“, schrieb der israelische Verteidigungsminister Joav Galant auf der Plattform X. Er werde das Militär und die Ermittlungsbehörden bei „der Bewältigung dieses Problems“ unterstützen.
Das Amt von Ministerpräsident Netanjahu teilte mit, der Regierungschef nehme die Ausschreitungen „äußerst ernst“. Die Verantwortlichen würden gefasst und vor Gericht gestellt werden. Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid verurteilte den Gewaltausbruch. Damit sei ein „moralischer Tiefstpunkt“ erreicht worden, zitierten ihn Medien. „Mit Judentum hat das nichts zu tun.“
Der israelische Präsident Herzog verurteilte den Vorfall „aufs Schärfste“. Es handele sich um eine „extremistische Minderheit“, die den gesetzestreuen Siedlern, der Siedlung und dem Ruf Israels in der Welt „in einer besonders sensiblen und schwierigen Zeit“ Schaden zufüge, schrieb er im Onlinedienst X, ehemals Twitter. Das Büro von Benjamin Netanjahu teilte mit, der israelische Regierungschef nehme den Vorfall ernst.
Im von Israel besetzten Westjordanland hat sich die Lage seit dem Beginn des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen deutlich verschärft. Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP auf Grundlage palästinensischer Angaben wurden seit dem 7. Oktober im Westjordanland mindestens 633 Palästinenser durch israelische Soldaten oder Siedler getötet. Mindestens 18 Israelis wurden nach israelischen Angaben bei Angriffen militanter Palästinenser getötet. (afp/dpa)
Verhandlungen über Waffenruhe gehen weiter
Nach der Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der dort festgehaltenen israelischen Geiseln in Katar steht eine Einigung aus. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte, er gehe davon aus, dass die Gespräche am Freitag fortgesetzt werden. Über die Verhandlungen wollen am Freitag auch der britische Außenminister David Lammy und sein französischer Kollege Stéphane Séjourné bei einem Besuch in Israel mit ihrem Kollegen Israel Katz sprechen.
Kirby sprach angesichts der am Donnerstag wieder aufgenommenen Gespräche in der katarischen Hauptstadt Doha von „einem vielversprechenden Beginn“. Es bleibe allerdings eine Menge Arbeit zu erledigen.
Die neue Runde findet auf Drängen der Vermittler Katar, USA und Ägypten statt. An den Gesprächen in Doha nimmt der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, teil. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor bestätigt, dass sein Land die Chefs seines Auslandsgeheimdienstes Mossad und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, David Barnea und Ronen Bar, nach Doha entsenden werde.
Der Hamas-Vertreter Osama Hamdan sagte, die radikalislamische Palästinenserorganisation habe an den Gesprächen am Donnerstag nicht teilgenommen. Sie sei aber bereit, in die indirekten Verhandlungen einzusteigen, wenn mit neuen Zusagen Israels zu rechnen sei. Die Hamas will nach eigenen Angaben erreichen, dass ein Ende Mai von US-Präsident Joe Biden vorgestellter Vorschlag für eine Waffenruhe umgesetzt wird.
Bidens mehrstufiger Plan ist Grundlage für die erneuten Gespräche. Er sieht zunächst eine sechswöchige Waffenruhe vor, die für Verhandlungen über ein dauerhaftes Ende der Kämpfe verlängert werden könnte. Zudem soll sich die israelische Armee aus bewohnten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen, israelische Geiseln in der Gewalt der Hamas sollen im Austausch für palästinensische Gefangene freigelassen werden.
Später am Donnerstag sagte der Hamas-Vertreter Hossam Badran, jede Vereinbarung müsse eine umfassende Waffenruhe, einen vollständigen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen und die Rückkehr der Vertriebenen erreichen.
Derweil demonstrierten vor dem Hintergrund der laufenden Gespräche über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg Angehörige von Geiseln und Sympathisanten in Tel Aviv für schnelle Ergebnisse. Teilnehmer des Marsches durch die Innenstadt der Küstenmetropole riefen Medienberichten zufolge an die israelischen Verhandler gerichtet: „Kommt nicht heim ohne einen Deal!“ (afp/dpa)
Zahl der Toten im Gazastreifen übersteigt 40.000
Die Zahl der seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als zehn Monaten im Gazastreifen getöteten Menschen ist nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf über 40.000 gestiegen. Mehr als 92.400 weitere Palästinenser seien in dem Zeitraum verletzt worden, teilte die Behörde mit. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Sie unterscheiden auch nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten.
Volker Türk, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, sprach in einer Mitteilung von einem „düsteren Meilenstein für die Welt“. Die meisten der Toten seien Frauen und Kinder. Diese „unvorstellbare Situation“ sei „überwiegend auf die wiederholte Nichteinhaltung der Kriegsregeln durch die israelischen Streitkräfte zurückzuführen.“
In den vergangenen zehn Monaten seien in Gaza im Durchschnitt pro Tag etwa 130 Menschen getötet worden. Das Ausmaß der Zerstörung von Häusern, Krankenhäusern, Schulen und Gotteshäusern durch das israelische Militär nannte Türk „zutiefst schockierend“.
Das humanitäre Völkerrecht lege eindeutig fest, dass der Schutz der Zivilbevölkerung sowie von zivilem Eigentum und ziviler Infrastruktur von größter Bedeutung ist, hieß es weiter. „Unser Büro hat schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht sowohl durch das israelische Militär als auch durch palästinensische bewaffnete Gruppen, darunter den bewaffneten Flügel der Hamas, dokumentiert.“ Türk rief erneut zu einer sofortigen Waffenruhe und der Freilassung von Geiseln und willkürlich verhafteten Palästinensern auf. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos