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taz FUTURZWEI

Der F2-Kommentar von Udo Knapp Werden CDU und AfD die neue GroKo?

Wenn sich die liberaldemokratischen Parteien nach der Bundestagswahl ihre kleinkarierten Roten Linien um die Ohren hauen, kann die Union irgendwann Gespräche mit der AfD aufnehmen, kommentiert Udo Knapp für taz FUTURZWEI.

Düstere Aussichten: Die Bundestagswahl verspricht konservativ-populistischen Zumutungen Foto: picture alliance/dpa | Armin Weigel

taz FUTURZWEI | Mit allen regieren können, mit der AfD aber auf keinen Fall, das ist die Ansage aller anderen Parteien (die Grünen-Phobie der CSU jetzt mal außen vor.) Nach der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 sind somit nur wenige Koalitionen möglich.

Womöglich sogar nur eine Koalition aus Union und SPD oder Schwarz-Grün. Schaffen es FDP, BSW oder Linkspartei doch über die 5 Prozent und diese Zweierbündnisse reichen zur einfachen Mehrheit im Bundestag nicht aus, dann könnte zumindest die FDP noch bei der Regierungsbildung mitentscheiden.

Die Union aber hat in jeder Verhandlungskonstellation einen großen Vorteil. Sie kann SPD und Grünen ihren programmatischen Willen aufzwingen oder, wenn das nicht gelingt, eben doch mit der AfD ein Regierungsbündnis aushandeln. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Bündnisses ist aus meiner Sicht sogar groß – trotz aller Versicherungen von Friedrich Merz, niemals mit der AfD regieren zu wollen. Irgendein Unions-Politiker wird sich finden, der dann an seiner Stelle der Kanzler werden will und das dann mit staatspolitischer Verantwortung erklärt.

Warum sollte es bei uns anders laufen, als jüngst in Österreich und den USA, zuvor in Italien und bald wohl auch in Frankreich? Die hohe Zustimmung zu autoritären und faschistischen Positionen, ist eine Antwort des Souveräns auf die Unfähigkeit oder den Unwillen der liberaldemokratischen Parteien des Westens für die Lösung der großen Krisen überzeugende politische Ideen vorzutragen und Konzepte anzubieten.

Die Zukunftslosigkeit des liberaldemokratischen Spektrums

Keine diese Parteien zeigt die Kraft und den Willen, ein Land und seine Gesellschaft in die Zukunft zu führen. Die Erfolge und Fortschritte in allen Zukunftsfragen der Zivilisation bieten dazu beste Voraussetzungen. Eigentlich. Stattdessen agieren sie alle im Klein-Klein ihrer eigenen, auf Wahlperioden bezogenen Machtträume. Und jenseits jeder Vernunft- und Verantwortungsethik.

Alles wird so bleiben oder weitergehen wie es bisher war, das ist ihr Versprechen. Aber selbst die Dümmsten erkennen: Das ist ein verlogenes Versprechen, Politik eben. Sie erfahren ja jeden Tag, dass nichts so bleibt, wie es immer war. Deshalb ist das radikale Angebot der Populisten so attraktiv. Nämlich jede Veränderung, alles Neue und Vernünftige mit der Destruktion demokratischer Kultur, ihrer Strukturen und geregelten Verfahren aufzuhalten.

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Die Liberaldemokraten sehen das, kritisieren das, aber genau betrachtet, kümmert sie das nicht. Sich grundsätzlich überlegen und unantastbar fühlend, spielen sie ihre schon verlorenen Spiele parteipolitischer Rabulistik weiter.

Parteien im Rückwärtsgang

Führende CDUler hantieren damit, die Lohnfortfortzahlung im Krankheitsfall einzuschränken, den Frauentag abzuschaffen, das Zulassungsende für Verbrenner-Autos in der EU 2035 rückabzuwickeln, die Atomkraftwerke wieder anzudrehen und mit Steuersenkungen den Unternehmern auch in der Transformation Extragewinne zu sichern.

Führende SPDler wollen, neuerdings wieder im Namen der „kleinen Leute“, die Steigerung der Sozialleistungen mit der Gießkanne fortsetzen, die fossile Autoindustrie vor unabwendbaren Modernisierungszwängen schützen und manche scheinen sogar dazu bereit, die Menschen in der Ukraine den Russen auszuliefern.

Die Grünen halten sich im Wahlkampf bei der Klimapolitik zurück, obwohl sie hier außerordentlich erfolgreich waren und das Potential haben, die große Zukunftspartei der ganzen Republik zu werden.

Die FDP schafft sich mit der Orientierung an der anarcho-libertären Kettensäge Javier Mileis selber ab.

Ein absehbares Scheitern?

Wenn diese Parteien nach dem 23. Februar zusammensitzen sollten, um sich gegenseitig die No Go's und Roten Linien ihres parteipolitischen Kleinkrams um die Ohren zu schlagen, werden sie scheitern. In der Folge kann die Union dann Gespräche mit der AfD aufnehmen, um eine Bundesregierung mit ihr zu bilden.

Sollte es so kommen, wird aus der Bundesrepublik keine illiberale Demokratie. Doch die Periode der freiheitlichen Erneuerung wäre Geschichte, die 1968 begann und lange von allen Parteien, wenn auch widerstreitend, mitgetragen wurde. Auch wenn das verfassungsrechtlich gesicherte Fundament der Republik stabil genug sein mag, um so eine konservativ-populistische Zumutung wegzustecken, würde das Leben auf vielen Ebenen einfach unerträglich eklig werden.

Irgendwie dräut im Hinterkopf immer diese Angst vor der Niedertracht solch einer konservativ-populistischen Herrschaft, vor deren Abwendung von Vernunft und Aufklärung, von Tatsachen, von Respekt vor dem Anderen und vor der Relativierung der Rechtstaatlichkeit. Die Republik würde wieder mit den „pseudoliberalen deutschen Spießern leben müssen, die schnell ihre Bückling-Haltung einnehmen, jede Selbstachtung und Würde aufgeben“, wie Robert Misik in der taz schrieb.

Resignierender Hinweis

Der Gedanke an diese nicht auszuschließende Union/AfD-Regierung löst Depressionen aus, weil es Spaltungen vertiefen und viele Opfer kosten würde, bis diese Zukunftsverweigerer an den Folgen des Stillstands, am Wegducken vor den Herausforderungen der Moderne scheitern werden.

„Nicht immer zu glauben, was man denkt“ – Sich nicht vom bösen Alltag runterziehen lassen, sich den klaren Blick nicht trüben lassen - das hat kürzlich ein Philosoph als Reaktion auf die mögliche Niederlage der Demokratie empfohlen. Soll wohl ermutigend klingen, ist aber nicht mehr als der resignierende Hinweis eines Klügeren darauf, dass die Hoffnung auf Vernunft zuletzt stirbt, also niemals verloren geht. 🐾

■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.

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