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Aktivrente für alle GenerationenNicht schlecht, aber noch nicht gut genug

Gereon Asmuth

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Gereon Asmuth

Ab 2026 können Rent­ne­r:in­nen bis zu 2.000 Euro steuerfrei dazuverdienen. Vielleicht könnte die Idee ausgeweitet werden? Hier einige Vorschläge.

Was das bringen soll? Fachkräfte! Foto: Mint Images/plainpicture

E s war nicht alles schlecht im Jahr 2025. Das muss man kurz vor Silvester deutlich betonen, damit es nicht untergeht. Selbst bei der schwarz-roten Bundesregierung, die sich eher so mit Ach und Krach durchs Jahr geschlagen hat, ist hier und da ein Stückchen zu finden, das glänzt. Oder zumindest glänzen könnte. Und damit wären wir bei der Aktivrente.

Ab Januar 2026 sollen alle Menschen, die das Renteneintrittsalter erreicht haben, aber weiter arbeiten wollen, von ihrem Verdienst weniger an den Staat abgeben. 2.000 Euro pro Monat dürfen sie steuerfrei verdienen. Das ist toll. Denn für diejenigen, die sich weiter der Arbeit widmen wollen, können oder müssen, kann das einen Unterschied von mehreren Hundert Euro auf dem Konto machen. Monat für Monat. Das rentiert sich.

Natürlich wäre es unangemessen, die Regierung dafür zu loben, dass sie mal an die denkt, die es gebrauchen können. Da ist bekanntlich das Gegenteil der Fall, wie die Reform – oder nennen wir es präziser beim Namen – die Zerstörung des Bürgergeldes zeigt. Hier wie dort geht es nicht um die Unterstützung der mehr oder weniger Armen. Es geht um die Wirtschaft. Und das lässt sich der Staat richtig was kosten. An die 900 Millionen will er dafür, nein, nicht ausgeben. Aber immerhin weniger einnehmen.

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Was das bringen soll? Fachkräfte! Die sind in nahezu allen Branchen Mangelware. Und die Lage wird sich zuspitzen, weil in den kommenden Jahren jeweils deutlich mehr Menschen in Deutschland das Rentenalter erreichen werden, als Junge nachwachsen. Es ist also eine durchaus kluge Investition, wenn die Regierung die vorhandenen Fachleute dazu bringt, länger zu arbeiten und somit Wachstum zu generieren, das am Ende sogar wieder die Mindereinnahmen durch erhöhte Steuereinnahmen an anderer Stelle ausgleichen könnte. Das wäre dann fast schon so was wie das Perpetuum Mobile der Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Eine im Selbstmarketing begabte Regierung könnte die Anhebung der Freibeträge als großes Sozialprojekt verkaufen

Diese Vorrede ist wichtig, um zum eigentlichen Punkt zu kommen: Die Aktivrente ist klasse. Aber sie fasst mal wieder zu kurz. Denn was alles könnte sie bewirken, wenn sie nicht nur für die angestellt Arbeitenden jenseits der 67 gelten würde, sondern für alle. Kurz gesagt: Wie wäre es, die Einkommensteuer erst bei Verdiensten über 2.000 Euro im Monat anzuheben?

Lohnabstandsgebot und „Sozialschmarotzer“

Der Effekt könnte enorm sein. Er würde gleich auf mehreren Ebenen angebliche oder tatsächliche Probleme auf dem Arbeitsmarkt und bei der nach sozialem Ausgleich schielenden Sozialpolitik lösen.

Punkt 1: Das viel beklagte Lohnabstandsgebot. Immer wieder heißt es, die armen „Sozialschmarotzer“, die sich von der wohligen Staatsknete baumeln lassen, seien nicht zur Arbeit zu begeistern, weil sich die nicht lohne. Da ist ja tatsächlich was dran. Nicht, weil die Menschen wirklich faul wären. Aber die Abgaben an den Staat, die nicht nur aus zu zahlenden Steuern bestehen, die beim (Zu-)Verdienst anfallen, sondern vor allem durch die rabiaten Kürzungen der staatlichen Unterstützung entstehen, die schon bei Geringverdienern anfällt, sind enorm. Da kommt man schnell mal auf Grenzabgaben, bei denen jeder Multimillionär stöhnen würde, weil sie locker höher liegen können, als die 45 Prozent Maximalsteuersatz, die die Superreichen zahlen müssten, wenn sie sich nicht durch lukrative Abschreibeprojekte und andere ganz legale Steuertricks davor drücken dürften.

Jede Reform, die den Abstand zwischen Nichtarbeitenden und Arbeitenden erhöht, weil letzten mehr Geld auf dem Konto bleibt, ist also ein Schritt in die richtige Richtung. Für die tatsächlich Schaffenden, für die Arbeitnehmersuchenden und letztlich auch für eine Regierung, der es gelingt, den Laden am Laufen zu halten.

Punkt 2: Eine Erhöhung des monatlichen Steuerfreibetrags von aktuell 1.000 auf 2.000 Euro im Monat wäre eine Steuerform, die allen Verdienenden zugutekäme. Sofort. Und deutlich spürbar. Nicht nur für die Geringverdiener:innen, sondern auch für die mit fetten Gehältern. Letztere würden, je nach Auslegung der Reform, sogar überproportional davon profitieren – wie von nahezu jeder Änderung der Steuersätze.

Denn wenn man etwas an der Steuerlast dreht, klingelt es stets bei denen stärker im Beutel, die 45 Prozent Steuern entrichten müssen, als bei denen, die nur 20 Prozent zahlen müssen. Das gehört zu den oft übersehenen Geheimnissen der Steuerpolitik, auch wenn es nur schnöde Mathematik ist.

Kurz gesagt: Eine im Selbstmarketing begabte Regierung könnte die Anhebung der Freibeträge als großes Sozialprojekt verkaufen (Hallo, SPD!) und gleichzeitig die Topverdiener mitpampern (Na, CDU/CSU?).

Punkt 3: So eine Reform würde natürlich viele Milliarden Euro kosten. Aber sie würde, ähnlich wie oben bei der Aktivrente beschrieben, Prozesse in Gang setzen, die fehlende Staatseinnahmen an anderer Stelle wieder ausgleichen könnten. Denn eine mehr arbeitende Bevölkerung bewirkt nicht nur automatisch Wachstum (das ist zumindest das, was Marktliberale gern so predigen). Hinzu kommt ja auch noch die Ausgabenseite.

Geld für Konsum?

Wenn Menschen, die es nicht so dicke haben, plötzlich mehr Geld auf dem Konto haben, geben sie es aus. Jedenfalls eher als die oberen Millionen, die es nur in irgendwelchen Projekten parken, um damit mehr Geld zu machen und Steuern zu sparen. Aus ökologischer Sicht ist es bedenklich, wenn die Massen ihr Geld für Konsum raushauen. Aber je mehr sie kaufen, desto mehr brummt die Wirtschaft. Wachstum, Wachstum und Wachstum sind die drei wichtigsten Faktoren jeder Politik. Und letztlich werden die mit wenig Geld immer noch sinnvoller Dinge erwerben, als diejenigen, die schon von allem zu viel haben.

Tatsächlich gäbe es nur ein Problem bei dieser Freibetragsrevolution: Was passiert, wenn die Menschen gar nicht zu wenig arbeiten, weil der Verdienst zu niedrig ist? Sondern weil sie sich um anderes kümmern wollen? Kurz gesagt: das gute Leben. Oder müssen? Kinder, pflegebedürftige Eltern oder Ähnliches. Dann würde die Reform verpuffen. Aber da ja immer der Glaube an die all heilende Wirksamkeit von Geld gepredigt wird, darf man solche Bedenken locker zurückstellen.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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6 Kommentare

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  • "alle Menschen, die das Renteneintrittsalter erreicht haben, aber weiter arbeiten wollen, von ihrem Verdienst weniger an den Staat abgeben." Eben nicht alle. Selbstständigkeit ist anscheinend nicht erwünscht.

  • Bitte noch eine kurze Information zu den Krankenversicherungsbeiträgen, die auf die Aktivrente fällig werden.

  • Eine charmante Idee. Ich habe mich auch schon gefragt, warum wir einerseits anfangen, bereits ab 12.000 EUR im Jahr Einkommensteuer zu erheben und andererseits sagen Jahreseinkommen bei Vollzeittätigkeit müssen mindestens bei 30.000 EUR liegen (wird über den Mindestlohn sichergestellt), da es sonst Ausbeute wäre.

    Da wäre es doch naheliegend, auch erst ab 30.000 EUR Einkommensteuer zu erheben. Wie sollen Leute, die weniger haben als den Mindestlohn von ihrem wenigen dann auch noch Steuern zahlen?

    Ich denke, neben den massiven Einnahmeausfällen (Kleinvieh macht auch Mist), gibt es auch noch einen anderen Grund, der dagegen spricht:

    Ein Staat ist ein Gemeinschaftsprojekt aller hier lebenden Menschen und dementsprechend sollten sich möglichst alle Haushalte (außer eben soziale Härtefälle wie Bürgergeldbezieher) auch an der Finanzierung dieses Projektes beteiligen. Und zwar nicht nur über anonyme Verbrauchssteuern, sondern über persönliche Mitgliedsbeiträge entsprechend íhrer finanziellen Möglichkeiten, besser bekannt unter dem Begriff Einkommensteuer. Dies stärkt die Identifikation mit dem Staat und auch die Dekmokratie.

  • "Natürlich wäre es unangemessen, die Regierung dafür zu loben, dass sie mal an die denkt, die es gebrauchen können."

    Gerade wer sich für ein paar Kröten krumm schuftet, wird die aktuelle "Aktivrente" kaum in Anspruch nehmen können; weil Knochen kaputt.

  • Der zuletzt beschriebene Einwand hängt aber wesentlich von den Marketingfähigkeiten der Regierung, bzw. der Verwaltung ab.



    Daran wird die Umsetzung letztlich scheitern, denn die Politik traut ihrer eigenen Verwaltung nur wenig zu - zurecht?!

  • Ein klasse Beitrag, geschrieben mit makro-ökonomischen Sachverstand.

    George Müller



    Berlin