Rassismus bei der Wohnungssuche: Schwarze und muslimische Menschen haben es besonders schwer
Laut einer Studie werden rassistisch markierte Personen seltener zur Wohnungsbesichtigung eingeladen. Außerdem wohnen sie öfter beengter und prekärer.
Stellen Sie sich vor: Zwei Frauen bewerben sich auf eine Wohnung. Beide sind gleich alt, 44, wohnen in Westdeutschland, haben mittlere Bildungsabschlüsse und verdienen gut – nur ist die eine Muslima und die andere nicht. Wer glauben Sie, hat bessere Chancen, die Wohnung zu bekommen?
Dieses Fallbeispiel ist hypothetisch. Aber es stammt aus der neuen Studie „Gewohnt ungleich – Rassismus und Wohnverhältnisse“ des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Das statistisch berechnete Modellbeispiel soll zentrale Ergebnisse der Studie veranschaulichen.
Die Auflösung des Fallbeispiels lautet: Die Wahrscheinlichkeit für die muslimische Frau, nicht zur Wohnungsbesichtigung eingeladen zu werden, liegt bei 27 Prozent – dreimal höher als bei der Frau, die nicht von Rassismus betroffen ist (8 Prozent).
Schlechtere Chancen auch bei besserem Verdienst
Verdienen beide weniger, verschlechtern sich die Chancen auf eine Wohnungsbesichtigung bei beiden deutlich. Die muslimische Frau wird dann mit 38-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht eingeladen, bei der nicht von Rassismus betroffenen Person steigt die Wahrscheinlichkeit auf 12 Prozent. Das heißt auch: Selbst eine gut verdienende Muslima hätte ein höheres Risiko, im Bewerbungsprozess früher ausgeschlossen zu werden, so unterschiedlich sind die Ausgangslagen.
Der empirische Zugang zum Thema Rassismus sei „höchst anspruchsvoll“, erklärte der Soziologe und Direktor des DeZIM-Instituts, Frank Kalter, bei der Vorstellung der Studie. Eine zentrale Herausforderung sei „in der Analyse von Ungleichheitsstrukturen, diskriminierende und rassistische Mechanismen von anderen Einflussfaktoren zu trennen“. Es gäbe deshalb den Forschungskonsens, dass es verschiedener Untersuchungsansätze und Zugänge bedürfe.
Für die Untersuchung wurden zwischen August 2024 und Januar 2025 gut 9.500 Menschen befragt. Die Studie ist Teil des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors, einem langfristig angelegten Forschungsprojekt, das im Auftrag der Bundesregierung Daten zu rassistischer Diskriminierung erhebt.
Schwarze und muslimische Menschen besonders betroffen
In der Studie wurden die Befragungen durch objektive Daten ergänzt – etwa zu Luft- oder Klimabelastungen. Zusätzlich wurde ein Feldexperiment durchgeführt, bei dem identische Wohnungsbewerbungen von fiktiven Bewerber*innen verschickt wurden – aber mit unterschiedlichen Herkunftsnamen. Die Gesamtanalyse zeigt: Rassismus im Bereich Wohnen ist kein Randphänomen.
„Menschen mit gleichen Voraussetzungen werden unterschiedlich behandelt – allein aufgrund rassistischer Markierung“, erklärte der Hauptautor der Untersuchung, Tae Jun Kim. Besonders betroffen seien Schwarze und muslimische Menschen. Dieses Muster zeigte sich auch im Feldexperiment.
Menschen, die Rassismus erleben, werden in der Studie als „rassistisch markierte Menschen“ bezeichnet. Diese leben laut Studie häufiger auf engerem Raum und in unsichereren Mietverhältnissen. Sie haben zum Beispiel öfter befristete Verträge als nicht rassifizierte Menschen (12 Prozent vs. 3 Prozent), häufiger Indexmietverträge (13 Prozent vs. 9 Prozent) oder Staffelmietverträge (13 Prozent vs. 9 Prozent).
Schahina Gambir, Mitglied im Innenausschuss für Bündnis 90/Die Grünen
Rassistisch markierte Menschen wohnen der Studie zufolge auch seltener in Wohneigentum, aber häufiger in Gegenden mit schlechter Luftqualität und mit wenig Grün. Und sie haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, durch Wohnkosten überlastet zu sein. Ein Ergebnis lautet zum Beispiel: 36 Prozent der Mieter:innen, die von Rassismus betroffen sind, sind nach Abzug der Wohnkosten armutsgefährdet, bei nicht rassistisch markierten Menschen sind es 19 Prozent. Rassistisch markierte Personen berichten zudem häufiger von Mängeln in der Wohnung und Diskriminierungen in der Nachbarschaft.
Strukturen, die in der Gesellschaft verankert sind
„Die Zahlen dokumentieren abermals, wie tief rassistische Strukturen in unserer Gesellschaft verankert sind“, sagte Schahina Gambir, Mitglied im Innenausschuss für Bündnis 90/Die Grünen. Rassistisch markierte Personen kämpften „nicht nur mit einem angespannten Markt, sondern auch mit systematischer Benachteiligung und Ausgrenzung“.
Die Bundesregierung dürfe „nicht länger wegschauen“, forderte Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, mit Blick auf die Ergebnisse. Wohnungen müssten diskriminierungsfrei vergeben werden. Es brauche zudem „ein bundesweites Diskriminierungsmonitoring und ein scharfes Antidiskriminierungsrecht mit Beweislastumkehr und Verbandsklagerecht“. Auch Wohnungsunternehmen müssten sich „einem Antidiskriminierungscheck unterziehen“.
Auch das Forschungsteam formulierte verschiedene Handlungsempfehlungen. Diese reichen von einer Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hin zu mehr gemeinnützigem Wohnraum und stärkeren Mietregulierungen.
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