Trockenheit in Iran: Nicht vom Himmel gefallen
Iran erlebt eine Dürrekrise. In Teheran fiel dieses Jahr nur ein Millimeter Regen. Das Land leidet auch unter seinem schlechten Wassermanagement.
„Wir haben das Land kaputtregiert“, sagte Irans Präsident Massud Peseschkian am Dienstag vergangene Woche im Teheraner Parlament. „Ein verhungerndes, verdurstendes Volk zu beherrschen, ist keine Ehre.“ Von außen mögen diese Worte überraschen. Damit zeigt er: Er teile die allgemeine Stimmung im Land, kennt die Probleme und versuche, etwas zu ändern.
Solche Klagen gehören seit jeher zum Repertoire iranischer Präsidenten, besonders wenn gemäßigte Kräfte regieren. Dazu zählt auch die regelmäßige Beschwerde über „mächtige Kreise“ und „nicht gewählte Institutionen“, die ihm Steine in den Weg legen. Vor allem aber ist die Krise, die den Präsidenten derzeit zu solchen Aussagen treibt, real.
Iran leidet unter der schwersten Dürre seit 50 Jahren. Sadegh Ziaeian, Leiter des nationalen Zentrums für Wettervorhersage, erklärte Mitte Oktober, die Niederschläge seien seit Jahresbeginn landesweit um 86 Prozent und in Teheran sogar um 96 Prozent zurückgegangen. In der Hauptstadt fiel nur ein Millimeter Regen – ein Phänomen, das es im letzten Jahrhundert nicht gab. Zwischen 1991 und 2020 lag der durchschnittliche Jahresniederschlag bei 220 Millimetern.
„Wir müssen Teheran evakuieren, wenn es in diesem Herbst nicht regnen sollte“, sagte Präsident Peseschkian bereits Anfang Oktober. Seitdem hat es nicht geregnet und die Meteorologen machen wenig Hoffnung auf Besserung. In der Stadt wird das Wasser zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens abgestellt. Tagsüber droht eine Rationierung, die in einigen Stadtteilen bereits umgesetzt wird.
Auch der Rest des Landes sitzt auf dem Trockenen
Wie genau sich Peseschkian eine Evakuierung vorstellt, bleibt unklar. Zumal das Problem sich ja nicht nur auf Teheran begrenzt. Hashem Amini, Geschäftsführer des staatlichen Wasser- und Abwasserunternehmens, berichtete der Zeitung Etemad, die Wasservorräte der fünf Stauseen, die Teheran versorgen, seien auf den niedrigsten Stand der letzten 60 Jahre gesunken. Einige Stauseen enthalten nur noch wenige Prozent Wasser. In sozialen Netzwerken kursieren Bilder von Touristen, die durch ausgetrocknete Stauseen spazieren. Andere berichten von Leichen, die im Karaj-Stausee aufgetaucht seien. Die Justiz droht diesen „Gerüchteverbreitern“ mit harten Strafen.
Auch die Lage im Süden Irans ist katastrophal: In den Provinzen Buschehr, Fars und Hormozgan hat es kaum geregnet. Neun große Seen und Feuchtgebiete, darunter Urmia, Bachtegan und Gavkhouni, sind im vergangenen Sommer vollständig oder teilweise ausgetrocknet.
Neben der Trockenheit verschärft eine jahrzehntelange Übernutzung der Wasserressourcen die Krise. Experten warnten immer wieder vor den nationalen Sicherheitsrisiken. Gehe es so weiter, sei die Existenz des Landes als Heimat der Nation gefährdet. So dramatisch das klingt, so nah ist es an der Realität.
Die Politik hat diese Umweltzerstörung maßgeblich vorangetrieben. Seit der Gründung der Islamischen Republik stieg die Zahl der Grundwasserbrunnen unkontrolliert. Man baute Staudämme an jedem Fluss, um die Landwirtschaft zu fördern und Autarkie zu erreichen. Die Machthaber wussten, dass ihre konfrontative Außen- und Atompolitik internationale Sanktionen nach sich ziehen würde. Heute ist Iran das am meisten sanktionierte Land der Welt.
Wissenschaftler spricht von „Wasserinsolvenz“
Kaveh Madani, Leiter des Instituts für Wasser und Gesundheit der Universität der Vereinten Nationen in Tokio, prägte für den Zustand Irans den Begriff „Wasserinsolvenz“. Wer sein „Girokonto“ (Oberflächenwasser) leert und seine „Ersparnisse“ (Grundwasser) aufbraucht, bleibt mit Gläubigern (Verbrauchern) zurück, deren Forderungen er nicht mehr erfüllen kann. So beschrieb Madani 2021 den Zustand des Landes. Heute, vier Jahre später, hat sich die Krise zu einer Megakatastrophe ausgeweitet.
Der 44-jährige Umweltexperte, international ausgezeichnet und an westlichen Universitäten ausgebildet, wurde 2017 zum Vizeumweltminister ernannt. Mit seiner Hilfe wollte man die akuten Wasserprobleme lösen, die damals schon offensichtlich waren. Madani trat das Amt mit Elan an, bereiste das Land und präsentierte auf Konferenzen seine Pläne.
Doch der Aufbruch währte nur Wochen. Der Geheimdienst der Revolutionsgarden verhaftete Madani und andere Umweltschützer wegen angeblicher Spionage. Während einer kurzen Freiheitspause zwischen Vernehmungsterminen floh er ins Ausland. Seine Mitstreiter sitzen bis heute im Gefängnis.
Vier Jahre später, als tödliche Proteste in der Provinz Chuzestan wegen der Wasserverteilung die internationale Presse erreichten, schrieb Madani im Guardian: „Irans Machthaber sind Hauptverantwortliche der Wasserkrise.“ In dem Beitrag zählte er eine lange Liste hausgemachter Katastrophen auf:
„Austrocknende Flüsse, verschwindende Seen, schrumpfende Feuchtgebiete, sinkende Grundwasserspiegel, Bodensenkungen, Erdfälle, Wüstenbildung, Bodenerosion, Staubstürme sowie Luft-, Wasser- und Abfallverschmutzung, Verlust der biologischen Vielfalt, Entwaldung und Waldbrände.“ All das sei die logische Folge jahrzehntelanger Misswirtschaft. Als Forscher wünschte er sich noch nie so sehr, „dass all meine Prognosen falsch gewesen wären“, schrieb der Wissenschaftler.
Am Beispiel des Urmiasees in der Provinz Aserbaidschan wird das Ausmaß der Katastrophe deutlich. Einst ein mächtiges Gewässer, schrumpfte er zu einer Salzwüste. Vor 30 Jahren bedeckte er 4.800 Quadratkilometer – neunmal so viel wie der Bodensee. Heute bedroht die Austrocknung die Existenz von 15 Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen. Aserbaidschan war einst die Kornkammer Irans.
Doch statt Lösungen zu suchen, raten etwa schiitische Geistliche aus der Stadt Ghom zu mehr Regengebeten – und weniger Kopftuchlosigkeit.
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