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Debatte um Wehrpflicht und DrohnenGeneralinspekteur gegen Losen beim Wehrdienst

Bundeswehr-Generalinspekteur Breuer will jeweils den gesamten Jahrgang mustern. Dem Abschuss von verdächtigen Drohnen erteilt er eine Absage.

Will alle jungen Männer mustern lassen: Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer Foto: Kay Nietfeld/dpa

afp | In der Debatte über den neuen Wehrdienst hat sich der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, entschieden gegen den Vorschlag eines Losverfahrens bei der Musterung gewandt. „Aus militärischer Sicht ist es entscheidend, dass jeweils der gesamte Jahrgang gemustert wird“, sagte Breuer den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Montag. „Nur so wissen wir, wer zur Verfügung steht.“

Die Musterung des gesamten Jahrgangs verschaffe die nötigen personellen Reserven und ausreichend Flexibilität, sagte Breuer weiter. „Wenn wir stattdessen erst dann, wenn es darauf ankommt, nachmustern müssten, würden wir Zeit verlieren, die wir in einer Krisensituation nicht haben.“ Ein Losverfahren schränke die eigenen Handlungsmöglichkeiten ein.

Koalitionseinigung steht aus

In der Koalition gibt es derzeit Streit über den geplanten neuen Wehrdienst. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) setzt in seinem Gesetzentwurf zunächst auf Freiwilligkeit, um Rekrutinnen und Rekruten für die Bundeswehr zu gewinnen. Der Union reicht das nicht aus. Sie will einen Automatismus in Richtung einer Wehrpflicht, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden.

Fachpolitiker von Union und SPD im Bundestag hatten deshalb Mitte Oktober einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet. Demnach sollte ein Losverfahren bestimmen, wer zur verpflichtenden Musterung muss. Die Einigung scheiterte zunächst, Pistorius ist aber weiterhin zuversichtlich, dass das Gesetz bis zum Jahresende durchs Parlament kommt.

Erst Freiwilligkeit, dann Zwang

Breuer geht nach eigenen Worten davon aus, „dass wir mit dem Prinzip der Freiwilligkeit zum Erfolg kommen werden“. Dabei komme es vor allem auf einen sinnstiftenden und attraktiven Wehrdienst an, dann werde es auch „ein hohes Freiwilligenaufkommen“ geben. „Sollte die Zahl der Freiwilligen jedoch nicht ausreichen und eine verpflichtende Einberufung durch Kabinett und Bundestag beschlossen werden, würden wir diejenigen heranziehen, die besonders qualifiziert und motiviert sind“, sagte er zugleich.

Derzeit dienen etwa 182.000 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Um die Verpflichtungen gegenüber der Nato zu erfüllen, wird eine Aufstockung auf rund 260.000 aktive Kräfte angestrebt. Hinzukommen sollen 200.000 Reservistinnen und Reservisten.

Drohnen: Breuer will auf Abschuss verzichten

Breuer will auf den Abschuss von Drohnen, die in den deutschen Luftraum eindringen, möglichst verzichten. „Es geht darum, den Nutzen der Drohnen für den Gegner zu begrenzen und gleichzeitig unsere eigene Handlungsfähigkeit zu sichern“, sagte er. „Das kann man zwar erreichen, indem man Drohnen abschießt – aber dabei entsteht ein Problem: Die getroffene Drohne stürzt ab, und auch die verschossene Munition fällt irgendwo zu Boden.“

Im Umfeld von Städten könne so größerer Schaden entstehen. Die Bundeswehr setze deswegen auf andere Techniken, erläuterte Breuer: „Etwa indem wir Drohnen elektronisch von ihrer Flugbahn abbringen, sie übernehmen oder mit einem Netz einfangen.“ Das gehe „ohne Kollateralschäden am Boden“ und hierfür habe die Bundeswehr in den vergangenen Monaten ihre Fähigkeiten verstärkt ausgebaut.

Der Generalinspekteur unterstrich mit Blick auf die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gewünschte Amtshilfe bei der Drohnenabwehr, dass diese wegen prinzipiell unterschiedlicher Aufgaben Grenzen habe. „Wenn eine zivile Behörde über bestimmte Fähigkeiten nicht verfügt, kann sie die Unterstützung der Bundeswehr anfordern. Hier unterstützen wir, wenn wir die Kapazitäten und Fähigkeiten haben“, sagte Breuer.

Innenbehörden für die innere Sicherheit verantwortlich

Klar sei zugleich, dass die Zuständigkeiten klar geregelt sind und die Innenbehörden die innere Sicherheit verantworten. „Wir bereiten uns primär gegen eine militärische Bedrohung von außen vor, und wir begegnen ihr mit militärischen Fähigkeiten“, betonte der General. Und „100-prozentige Sicherheit kann es nicht geben“.

Offenkundig sei, dass es „eine Zunahme von hybriden Angriffen“ gebe, sagte Breuer dem RND weiter. Dazu zählten Cyberangriffe, Sabotageakte und auch Luftraumverletzungen, etwa durch Drohnen über Industrieanlagen oder Kasernen. „Das ist nicht mehr ganz Frieden. Aber es ist auch kein offener Krieg.“

Krieg zeige sich heute in verschiedenen Formen. „Russland begreift Krieg als Kontinuum und denkt nicht in den Kategorien von Frieden, Krise und Krieg, wie wir dies machen. Diese hybriden Angriffe sind Teil dieses Kontinuums.“ Er habe in seinen 40 Jahren als Soldat jedenfalls „noch keine Lage erlebt, die so gefährlich war wie die aktuelle Bedrohung durch Russland“.

In Europa gab es zuletzt immer wieder Drohnensichtungen, unter anderem an Flughäfen. So wurde zum Beispiel am Sonntagabend der Flugverkehr am Bremer Flughafen wegen der Sichtung einer Drohne kurzzeitig unterbrochen und am Freitagabend der Flugbetrieb am Berliner Hauptstadtflughafen BER.

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