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30 Jahre FriedensabkommenDayton ist gescheitert

Erich Rathfelder

Kommentar von

Erich Rathfelder

Das Abkommen vom 21. November hat Bosnien und Herzegowina Frieden gebracht. Doch das Denken entlang ethnischer Grenzen wurde verfestigt.

Während des Bosnienkriegs war Sarajevo vom 5. April 1992 bis zum 29. Februar 1996 belagert worden Foto: Oryk Haist/imago

D as Abkommen von Dayton am 21. November 1995 hat den fast vier Jahre währenden Krieg in Bosnien und Herzegowina beendet und war für die USA und Präsident Bill Clinton ein Erfolg. Dass dieser Erfolg 30 Jahre danach in den USA aber immer noch den damals regierenden Demokraten zugeschrieben wird, scheint den jetzigen Präsidenten Donald Trump herauszufordern. Den Ruhm für den „Frieden“ in Bosnien den Demokraten zu überlassen, darf ja nicht sein.

Die Friedensverhandlungen in Dayton in Ohio haben unter US-Aufsicht eine Verfassung geschaffen, die das Land in ein Korsett presst, das keine ernsthaften Reformen zulässt. Indem das Land entlang streng „ethnisch“ definierter Zonen aufgeteilt und mit einer komplizierten Verfassung ausgestattet wurde, versuchte die Internationale Diplomatie damals um des Friedens willen den Kriegsparteien aus Serben, Kroaten und Bosniaken entgegenzukommen – mit dem Resultat, dass das Denken in Ethnien, die ideologische Basis des Krieges, verfestigt wurde.

Und die serbischen Angreifer konnten so fast alle ihrer Eroberungen absichern. Die serbische Republika Srpska erhielt 49 Prozent des Territoriums, 51 Prozent die Kroatisch-Bosniakische Föderation, die wiederum in zehn Kantone unterteilt ist. 2 Prozent entfallen auf das selbstverwaltete Sondergebiet Brčko. Die Struktur des Staates ist kompliziert, jeder Teilstaat hat eigene Parlamente, eigene Exekutiven, ein eigenes Gerichtssystem. Sie eröffnet viele Möglichkeiten der (Selbst-)Blockade.

Die meisten Diplomaten und Unterhändler haben die komplexe Geschichte des Landes gar nicht verstanden

Zwar sollte der per UN-Resolution eingesetzte Hohe Repräsentant die Entwicklung zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit überwachen und demokratische Strukturen durchsetzen, doch all dies blieb Stückwerk. Die hoffnungsvolle Perspektive scheiterte nicht nur am Widerstand der Nationalisten und der hinter ihnen stehenden Staaten, sondern auch an den Widersprüchen der internationalen Institutionen selbst. Die meisten Diplomaten und Unterhändler haben die komplexe Geschichte des Landes gar nicht verstanden.

Noch kurz vor dem Angriff serbischer Truppen und Freischärler aus Serbien war die überwältigende Mehrheit der bosnisch-herzegowinischen Bevölkerung davon überzeugt: „Bei uns kann es keinen Krieg geben, wir leben doch alle so gut zusammen.“ Über Jahrhunderte lebten Muslime, Katholiken und Orthodoxe, Juden und noch weitere Minderheiten friedlich zusammen.

Ja, es gab sie, die Jahrhunderte währende bosnischen Tradition des friedlichen Zusammenlebens. Doch genau diese Positionierung der Gesellschaft war für die aufkommenden Nationalisten aus Serbien und Kroatien ein rotes Tuch, sie wollten diese Gesellschaft zerschlagen. Nationalisten können sich einen Staat nur vorstellen, in der ihre Volksgruppe dominant ist. Sie können eine tolerante, nicht nationalistische Gesellschaft nicht ertragen.

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Vieles spricht dafür, dass dies der wichtigste Grund für den Krieg war. Schon im März 1992, noch vor dem Krieg in Bosnien und Herzegowina, hatten sich die Präsidenten Franjo Tudjman und Slobodan Milošević getroffen, um über die territoriale Aufteilung von Bosnien und Herzegowina zu sprechen. Als die serbischen Truppen im April 1992 losmarschierten und in wenigen Monaten über 60 Prozent des Territoriums Bosnien und Herzegowinas eroberten, sicherten die Kroaten nur ihre Mehrheitsgebiete in der Herzegowina.

Die Verbrechen der ethnischen Säuberungen mit ihren über 100.000 Opfern haben sich bei Bosniaken und den anderen Minderheiten bis heute tief eingeprägt. Fast die Hälfte der Bevölkerung wurde zur Flucht ins Ausland oder in die noch nicht okkupierten Gebiete Bosnien und Herzegowinas gezwungen. Nach diesen Erfahrungen sollte in Dayton eigentlich ein Neuanfang durchgesetzt werden. Dem UN-Tribunal gegen Kriegsverbrechen gelang es zwar, die Verbrechen zu dokumentieren und einige Verantwortliche zu verurteilen.

Doch die Nationalisten taten und tun bis heute alles, um mit Geschichtslügen die eigenen Verbrechen zu minimieren und die Schuld der Gegenseite in die Schuhe zu schieben. Leider ist heute, 30 Jahre danach, der Kenntnisstand der Öffentlichkeiten so niedrig, dass die falschen Narrative der Nationalisten auch auf internationale Resonanz stoßen. Nicht einmal die Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, der seit 2009 die Dayton-Verfassung wiederholt als unvereinbar mit europäischen Werten definiert hat, drang durch. Die EU und der Hohe Repräsentant waren nicht in der Lage, diese Position nachdrücklich durchzusetzen.

Wenig Rechte für Minderheiten

Russland dagegen unterstützte ohne Wenn und Aber von Beginn an die nationalistischen Extremisten in Bosnien und Herzegowina, auch im UN-Sicherheitsrat. In der EU setzte sich zwar die Haltung durch, das Land habe eine Chance für die Integration in die EU. Sie nahm aber immer die Positionen der nationalistischen Extremisten hin, die genau dies verhindern wollen. So konnte Bosnien kein normaler Staat, keine normale Demokratie werden.

Dazu gehört ein Wahlsystem, dass die Kollektivrechte der großen Volksgruppen (Serben, Kroaten und Bosniaken) über Individualrechte setzt, zugleich aber Rechte von Minderheiten – Roma etwa – zu wenig berücksichtigt. Als Richard Holbrooke, der Schöpfer von „Dayton“, einmal forderte, ein „Dayton 2“ zu verhandeln, um grundlegende demokratische Freiheiten und rechtsstaatliche Strukturen durchzusetzen, fand er keine Unterstützung. Dayton, das muss nach 30 Jahren konstatiert werden, ist gescheitert.

Doch keiner weiß, wie es weitergeht. Auch nicht der deutsche Außenminister Wadephul, der gerade das Land besucht hat. Und was Donald Trump eigentlich vorhat, weiß auch niemand so genau. Spekulationen allerdings, er wolle Bosnien in drei ethno-nationalistisch definierte Gebiete aufteilen, sind wohl nicht völlig aus der Luft gegriffen.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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30 Kommentare

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  • "Über Jahrhunderte lebten Muslime, Katholiken und Orthodoxe, Juden und noch weitere Minderheiten friedlich zusammen"



    Ein kurzer Blick in ein Geschichtsbuch lässt mich da eher skeptisch werden. In Wahrheit gibt es kaum Beispiele auf der Erde wo das jemals auch nur für kurze Zeit wirklich funktioniert hat.

    • @Šarru-kīnu:

      Zum Verständnis der langen Vorgeschichte fand ich den Roman "Die Brücke über die Drina" von Ivo Andrić sehr gut, dessen Handlung sich über Jahrhunderte erstreckt und in dem keine einseitige Parteinahme vorgenommen wird. Da ergibt sich schon das Bild eines über längere Zeiträume friedlichen, aber periodisch immer wieder von Gewaltexzessen durchbrochenen Miteinanders. Und offenbar ist - zumindest auf serbischer Seite - ein nationalistischer Erlösungsglaube, der u.a. zu Sarajevo 1914 führte, paradoxerweise vor allem von jungen Männern mitgebracht worden, die mit solchem Gedankengut Anfang des 20. Jh. an den Universitäten Österreich-Ungarn vertraut geworden waren. Sozusagen war es in vielem ein "westlicher" Import, der auf die alten Mythen und Rivalitäten aufgepfropft wurde.

    • @Šarru-kīnu:

      Fazit:



      Es gab immer Spannungen – aber die Aussage „kaum Beispiele“ ist historisch genauso unpräzise wie die romantisierte Version „alle lebten friedlich zusammen“. Die Realität liegt dazwischen: Koexistenz ist möglich, aber nie konfliktfrei und immer politisch fragil.

    • @Šarru-kīnu:

      Das stimmt so pauschal nicht. Ja, es gab Konflikte – aber es gab auch konkrete, historisch gut belegte Phasen, in denen religiöse Gruppen über lange Zeiträume relativ stabil und friedlich zusammenlebten, ohne dass das sofort in Bürgerkriege umschlug. Beispiele:

      1. Al-Andalus (Teile Spaniens, 8.–12. Jh.): Kooperation von Muslimen, Christen und Juden in Verwaltung, Wissenschaft und Handel. Keine Idylle, aber im Vergleich zur damaligen Welt ungewöhnlich pluralistisch.

      2. Osmanisches Millet-System: Jüdische, orthodoxe und armenische Gemeinden lebten über Jahrhunderte mit eigenen Gerichten und Autonomieformen.

      3. Polnisch-Litauische Adelsrepublik (16.–17. Jh.): Eine der religiös tolerantesten Gesellschaften Europas, in der Katholiken, Orthodoxe, Juden, Protestanten und Muslime relativ friedlich koexistierten.

      4. Mogulreich in Indien (besonders unter Akbar): Politisch geförderte Koexistenz und religiöse Toleranz zwischen Hindus, Muslimen, Sikhs, Jain, Christen.

    • @Šarru-kīnu:

      Das osmanische Reich hatte ein sehr einfaches Rezept: Macht religiös, was ihr wollt. Zwar hatten Muslime etwas weniger Steuern, etwas mehr Rechte, aber es wurde nicht wie im Rest-Europa teils eine Religion für alle mit dem Schwerte durchgedrückt, sondern Steuern und Soldaten eingefordert und gut war's. Millet-System. Die 'Brücke über die Drina' beschreibt es literarisch für einen bosnischen Ort.



      Auch wenn mich die ungleichen Rechte immer noch stören, so zolle ich doch Respekt. König Friedrich II. ging auch mit Toleranz vor, als er das katholische Schlesien erbeutete, Kaiser Friedrich II. disputierte mit Muslimen auf Arabisch in Sizilien, Man muss nur Menschen aus ihren Schubladen lassen und gewisse Grundregeln einfordern, dann erkennen spätestens ihre Kinder, dass sie alle Menschen sind, und sind die Grüppchen schnell nicht mehr so wichtig.



      Sobald ein Nationalismus allerdings einsetzt, der "Einheitlichkeit" verherrlicht und als Voraussetzung für "Stärke" ansieht, wird es rasch ungemütlich. Warum können "die" nicht so werden wie "wir"? Armenier, Kurden, Griechen spürten so die Agonie des Osmanischen Reichs und die neue Zeit auf die ganz harte Art.

  • Der Fall Bosnien wäre ein guten BSP das wir "der Werte-Westen" erstmal Selbstkritik üben denn "unsere" Entscheidungen haben z.T. den Boden für den Bosniekrieg bereitet.

    Um zu verstehen wovon ich spreche, vorab die Demografische Zusammensetzung Bosniens vor Kriegsbegin 1991:

    43% Bosniaken



    32% Serben



    17% Kroanten



    sowie sonstige

    Vor allem von Kriegsende 1945 bis über die 1960er waren die Serben die größte Voksgruppe in Bosnien.

    Das sich Bosnien 1991 als mehr oder minder "Bosnischer Nationalstaat" für unabhängige erklärt hat war nur auf eine ca 60% Mehrheit der Bosnier und Kroaten gestützt und für den Serbischen Teil der Bevölkerung provzierend.

    "Wir" haben diese Unabhängikeitserklärung sofort anerkannt, hätten wir das nicht getan und weitere Verhandlungen zwischen Serbien und Bosnien gefordert hätte dieser bultige Bosneikrieg vielleicht verhindert werden können.

    Der Praktische Vorschlang heute wäre:

    Bosnien UND Serbien in den EU auf-zu-nehmen und z.B. via Staatsverträger eine doppelte Staatsbürgerschaft für bosnsicher Serben und Kroaten ein-zu-führen.

    Das würde den Konflikt zwischen Bosnischer Staatsbürgerschaft und "gefühlter" zugehörigkeit zu Serbien entspannen.

    • @Jörg Heinrich:

      Genau dieses geschichtsrevisionistische Märchen ist die Sichtweise vieler "Linker" damals wie heute. Der serbische Völkermord von Srebrenica wird so entschuldigt und dem Westen dafür die Schuld zugesschoben.



      1. Die Konstitution Jugoslawiens erlaubte die Loslösung der Teilrepubliken.



      2. Die Mehrheit des jugoslawischen Offizierscorps war serbisch, was u.a. zur serbischen Vorherrschaft und Nationalismus beitrug



      3. Der ehem. KP- Chef Milosewic verstärkte den serbischen Nationalismus, hob die Autonomie des Kosovo auf, stürzte den moderaten Präsidenten Serbiens, schlug mit Panzern Studentendemos nieder und stellte die Niederlage auf dem Amselfeld von 1389 als serbische Schmach dar.



      4. Wegen der Drohungen aus Belgrad trat zuerst Slowenien, dann Mazedonien aus Jugoslawien aus. Kroatien und Bosnien folgten. Serbien und Kroatien antworteten mit ethnischen Säuberungen, KZs und Massentötungen vor allem der muslimischen Bevölkerung.



      5. Deutschland/der Westen hatte am Auseinanderfallen Jogoslawiens kein Interesse. Eine regionale Destabilisierung war als Resultat abzusehen.



      6. " Der Westen"/UNO hätte Kriegsverbrecher wie Milosevic und Mladic durch eine humanitäre Intervention stoppen können.

  • "Die Verbrechen der ethnischen Säuberungen mit ihren über 100.000 Opfern haben sich bei Bosniaken und den anderen Minderheiten bis heute tief eingeprägt"



    Irgendwie benennt der Artikel nur Serben und Kroaten als Täter.



    Was ist mit den Verbrechen der Mudschahedin?



    Tausende Al-Qaida-Kämpfer, teils von Osama bin Laden höchstpersönlich nach Bosnien geschickt, kämpften damals schon unter der schwarzen Islamistenfahne die wir zuletzt bei ISIS gesehen haben und setzen in abgelegenen Dörfern gar die Scharia durch. Und auch damals schon führte die Route der Kämpfer über Syrien. Und auch schon damals hielten sie ihre Gräueltaten fest, auf Videokasetten die weltweit vertrieben. Einzelne Szenen daraus gingen um die Welt - die Szene wie sie mit einem abgetrennten Kopf Fußball spielen habe ich heute noch im Kopf.



    Die Bosniaken waren alles andere als nur Opfer und "die Jahrhunderte währende bosnischen Tradition des friedlichen Zusammenlebens" die der Artikel benennt, hatte meiner Meinung nach nur Bestand, weil immer ein viel mächtigerer Overlord dahinterstand, der den Frieden erzwang.



    Ja sie haben zusammengelebt, aber immer mit Faust in der Tasche. Wollen und müssen sind ein Unterschied.

    • @Saskia Brehn:

      Die Türkei und andere wurden regelgerecht daran gehindert, dort die Muslime militärisch zu schützen, meint der Hinterkopf (Le Monde diplo'?). Muslime in Europa passten vielleicht sowieso nicht so ins Bild. Obwohl die Religion lokal eher egal war, es gab wohl kaum einen softeren Islam.



      Dieser Nicht-Schutz gab den Gaga-Kämpfern die Bühne. Die gegenüber den Zivilistenabknallern von Sarajewo oder kroatischen "Säuberern" eine Nebenbühne war, die selbstverständlich auch erwähnt sei.

  • Shure. But

    Leider hat Old Genschman des Naheliegende nicht vorausgesehen/sehen wollen.



    🤖Hans-Dietrich Genscher war als deutscher Außenminister maßgeblich an der Politik gegenüber dem zerfallenden Jugoslawien beteiligt, insbesondere durch die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens im Dezember 1991. Diese frühe Anerkennung wurde in Deutschland und international kontrovers diskutiert: Einerseits wurde er dafür kritisiert, den Zerfallsprozess beschleunigt und die nachfolgenden Kriege mitverursacht zu haben. Andererseits argumentierte er, dass eine Nicht-Anerkennung die Gewalt durch die jugoslawische Volksarmee noch verstärkt hätte.“

    • @Lowandorder:

      Über den Zeitpunkt mag man streiten aber durch das serbische Streben nach Dominanz über Jugoslawien war der Separatismus bereits vorgezeichnet. Vielvölkerstaaten werden durch die eiserne Faust eines Diktators, gemeinsame Feinde oder echte Gleichberechtigung zusammengehalten. Zu letzterem waren die serbischen Rechten nicht bereit (und wurden darin auch immer durch Russland gestützt).

      Abgesehen davon hatte die dt. Anerkennung nur symbolischen Effekt auf dem Balkan.

      • @Chris McZott:

        Ja wie? meinen?

        “… hatte die dt. Anerkennung nur symbolischen Effekt auf dem Balkan.“

    • @Lowandorder:

      Ja, Genscher hat vieles richtig gemacht. Sich von einer FAZ-Kampagne in eine europäisch nicht abgestimmte Anerkennung ohne Minderheitsrechte drücken zu lassen, war hingegen schon einer seiner größten Fehler.

      Was die Rolle Milosevi´cs und Tudjmans nicht schmälern sollte, einige katholische Kroaten und orthodoxe Serben aus der 'Elite' wollten den Kuchen und zerquetschten dafür bewusst die muslimisch-bosnischen Pistazien. Es gibt Bücher, die das jetzt differenzierter beschreiben, doch nur zum Antippen.

      • @Janix:

        Fein gesagt … anschließe mich.

    • @Lowandorder:

      Es ist heutzutage viel Jugonostalgie unterwegs. Es hat einen Grund warum gewaltige Kohorten an jungen Leuten in den Westen gegangen sind um Geld zu verdienen und mit ihren Rücksendungen und den Krediten die Tito organisiert hat das Land über Wasser zu halten. Ohne das, wäre es schön früher zerfallen.



      Ah ja, Nationalismus kam erst auf als Tito tot war?



      Das sollte man Mal Geschichte studieren. Allein schon der Weg in den ersten Weltkrieg sollte genug Aussagen. Und befriedet war es nur Dank der Armee und Goli otok. Und das auch nur oberflächlich.



      Aber klar, Genscher war schuld... Was man gesehen hat ist wie die Serben auf Zerfall reagieren siehe Kosovo.



      Aber klar, Slowenien und Kroatien sind schuld...

      • @Duplozug:

        Sach mal so - Vorschnell mit dem Urteil ist die Jugend. Nur.

        Wer wäre ich denn - Geschichte & die des Balkans insonder - monokausal zu denken?!



        Kazantzakis, Nikos Brudermörder - sollten wir zu Ihrem noch als Einwertungsrahmen dazunehmen.



        🤖“Fazit



        Genschers Haltung zu Jugoslawien wird bis heute kontrovers bewertet. Seine Politik trug zur Anerkennung der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens bei und löste eine hitzige Debatte aus. Einigkeit besteht darin, dass Genschers Haltung während des Zerfalls Jugoslawiens einen Wendepunkt darstellte und von einer politisch brisanten Einzelmeinung ausging, die auch den Zerfall Jugoslawiens aktiv förderte.“



        & btw



        Persönlich glaube ich, daß Genscher das später nicht unähnlich gesehen und deswegen sich aus der Politik weitgehend zurückgezogen hat. Mit dieser Meinung steh ich nicht allein.

        • @Lowandorder:

          Zu dem Nebenpunkt. Jemand meinte mal, Genscher habe das Vertrauen der US-Amerikaner gar nicht mehr gehabt und daraus die Konsequenzen gezogen. Jugoslawien allein hätte er durchgestanden.

          • @Janix:

            Hola. Mir neu - mal zu Gemüte führen



            btw



            (Genschmans wohnten in Halle bei uns - neben früher Ströbeles v.Schlabrendorffs usw - um die Ecke & unsere alte Dame*04 hatte dazu eine dezidierte Meinung was NSDAP anging)

        • @Lowandorder:

          Es ist ja unstrittig das einige Parteien keine Aufspaltung des Balkans wollten. Die blickten aber auch von außen darauf. Die deutschen fuhren in den Urlaub an die Adria, und da war natürlich alles heile Welt.

          • @Duplozug:

            Ja wie?

            Sie - wollten die Aufspaltung?!



            &



            btw Anfang der 70 die Küste bis Kotor - Mostar Sarojewo - etc



            mit Opa-VW



            &



            @Janix heute 09.09



            @fleischsalat 08:45

            (ps 1965 🚣 Mittelmeermeisterschaften



            Die Yugos Roter Stern Belgrad



            Winner of the chauvi🏆😅;)

  • Zumindest schwiegen die Waffen. Und es kamen ja sogar einzelne Menschen vor Gericht.



    Die RpblkSrpsk etwa ist dabei zugleich eine Farce eines serbomanen Großspurers.



    Der Preis war ethnische "Säuberung", die schon bei Türkei/Griechenland vor hundert Jahren nicht funktioniert hat, die auch gar nicht abgehen muss, wenn Minderheiten eben nicht unterdrückt werden, sondern das auch entspannt bleiben können. Muslime oder einfach nur Ahmad sein, ohne Verräter, minderwertig, ... zu sein.



    Ich gebe dem damaligen Polen und CSSR noch einen kleinen Punkt, da dort die Minderheiten frisch vom Gorilla Mitteleuropas funktionalisiert worden waren. Doch ansonsten brauchen wir Respekt und keine Vertreibung, da nicht, in Palästina nicht, in ... nicht. Wir brauchen eine Kultur des universalen Respekts und der individuellen Rechte, in einer Demokratie nicht in einer strukturellen unterdrückten Minderheit zu sein. Dann erst wird es aus dem Wir-oder-die herauswachsen können.



    War hierzulande u.a. mal mit Katholiken/Protestanten ansatzweise so oder Bayern/"Preußen" oder ...

  • Dort gab (!) es mal einen europäischen Islam. D.h., die Leute waren so muslimisch wie wir katholisch oder evangelisch sind. Vor ein paar Jahren habe ich bei Mostar auf einem Campingplatz mit einer Muslimin im Bikini Bier getrunken. Sie war im Krieg mit ihren Eltern nach Deutschland geflohen und jetzt auf Verwandtschaftsbesuch. Sie erzählte, der säkular orientierte Islam sei in ihrer Ex-Heimat auf dem Rückzug zu Gunsten der ultraorthodoxen Variante aus Saudi Arabien. All die schönen neuen Moscheen wurden mit diesem Geld gebaut.

    Bosnien / Herzegowina wäre die Keimzelle für einen europäischen Islam auch bei uns gewesen. Alles vertan durch strunzdumpfen Nationalismus.

  • Einen Friedensplan der Frieden gebracht hat als gescheitert zu bezeichnen ist etwas überzogen. Das Töten wurde beendet und das war das primäre Ziel.



    Ihre Aussage „Leider ist heute, 30 Jahre danach, der Kenntnisstand der Öffentlichkeiten so niedrig, dass die falschen Narrative der Nationalisten auch auf internationale Resonanz stoßen.“ zeigt mal wieder wie schwer sich Links mit der Akzeptanz anderer Positionen tut. Wer anders denkt kennt sich also nicht aus - etwas mehr Bildung und Aufklärung und alle haben dann die richtige Meinung.



    Ich habe nicht die Lösung für BH - aber wenn was nicht zusammenpasst, dann sollte man über eine Trennung nachdenken. Leider hat das nur bei der Tschechoslowakei friedlich funktioniert.

    • @M_Kli:

      Zu behaupten, es gäbe keine "Geschichtsinfluencer", die bewusst Fakten verdrehen oder weglassen, ist aber auch nicht korrekt.



      Klar, gibt es Leute, die ihre eigene rechtere Meinung haben oder Leute wie livingironicallyineurope, der seine eigenen serbischen Gefühle in seine humoristischen Videos über Osteuropa einfließen lässt, ohne dafür gleich gecancelt werden zu müssen, wenn er antinato-Sprüche klopft, aber andere setzen auf Faktenverdrehung zur Stärkung ihres Narrativs. Das sollte man auch nicht einfach wegwischen.

    • @M_Kli:

      Haben sie den Artikel gelesen, waren sie mal in BiH und haben vielleicht einen subjektiven Eindruck beim Gespräch mit Bewohnern bekommen, die je nach Ethnie schon vor 20 Jahren Sorge hatten, was passiert, wenn die Truppen der UN abziehen.



      Haben sie das Gräberfeld in Srebrenica gesehen, welche der Nationalismus hinterlassen hat?

      Anscheinend hat es ja mal hunderte Jahre zusammen gepasst und ein friedliches Nebeneinander war mal möglich und wurde durch den Nationalismus der Serben und Kroaten zerstört.

      Nur die Bildung und Aufklärung hilft im besten Falle, die Wiederholung dieser Gräuel in Zukunft zu verhindern.

      Es geht mitnichten um die Unterdrückung anderer Meinungen, sondern zu zeigen wie die Vergangenheit war, was daraus durch machtversessene Menschen wurde und wie es endete. Mit Hass und Vernichtung von Menschen.

      Wenn die Bildungsmisere in Deutschland so weiter geht, glaubt die Generation nach mir auch bald wieder, Uropa war kein Verbrecher.



      Aber vielleicht ist es das, was sie möchten Verbrechen gegen Menschen relativieren, umdeuten und verherrlichen, um wieder im mordenden Nationalismus zu versinken und sich wieder groß zu fühlen.

      • @BarfußimSommer:

        Es hat hunderte Jahre gepasst? Sagen sie Mal, haben sie schon Mal ein Geschichtsbuch aufgeschlagen? Erst waren die Osmanen da, die ganz sicher nicht so tolerant waren wie sie suggerieren. Von den Janitscharen ganz zu schweigen. Danach kam Österreich Ungarn was vergleichsweise besser war. Aber da war der serbische Nationalismus und der Traum von Groß Serbien. Dann kam Jugoslawien was ebenfalls mit Gewalt und Auswanderung zusammengehalten wurde. Und klar, die Zeit war besser als davor.. Aber ein Paradies war das auch nicht. Und nach Tito zerfiel der Rest dann einfach, da der Führerkult das noch zusammengehalten hat.

        • @Duplozug:

          May be. But.



          Weil Tito nichts mehr zu verteilen hätte - mitdenken.

    • @M_Kli:

      Anders denken heißt in dem Fall 'das Land gehört uns, die Bewohner vertrieben'. Dass sich Linke da mit der Akzeptanz schwertun, finde ich angemessen.

  • ...und leider hat die europäische Linke, wie zur Ukraine und Syrien, auch zu Bosnien eine unrühmliche ideologische Denke gespielt, nach dem Motto "der Feind (Serbien/Russland/Assad) meines Feindes (der Westen) ist mein Freund".

    • @Rinaldo:

      Die Karte "Der Feind meines Feindes ist mein Freund " wird von allen politischen Lagern genutzt.