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Naumburger Altar zieht nach RomModernes Marienbild muss weichen

Der Naumburger Cranach-Altar, komplettiert durch ein zeitgenössisches Bild, ist so groß wie einst das Original. Jetzt stört er angeblich die Sicht.

Der Cranach-Triegel-Altar aus dem Dom von Naumburg steht nun für zwei Jahre in der Kirche Santa Maria della Pietà in Rom Foto: Christoph Sator/dpa

Von

Petra Schellen aus Berlin

Es ist schon bizarr in diesen säkularen Zeiten: Da streitet man sich jetzt um den Altar einer Kirche, die seit Jahren Unesco-Welterbe ist und also Touristenattraktion – und argumentiert plötzlich damit, dass die Kirche ein sakraler Raum sei, kein Museum. Die Rede ist vom Cranach-Triegel-Altaraufsatz im Naumburger Dom, der für zwei Jahre nach Rom wandern soll.

Pilgerschaft von Ausstattungsstücken aus Kirchen ist kein Novum, wohl aber die Vorgeschichte dieses Exils: Zwischen 1517 und 1519 schuf Lucas Cranach d. Ä. für den Westchor des damals noch katholischen Doms einen dreiflügeligen Marienaltar: im Mittelteil vermutlich eine Marienszene, auf den Seitenflügeln Heilige und StifterInnen. Den Reformatoren galt Marienverehrung dann als Frevel. Der Mittelteil überstand deren Bildersturm 1541 daher nicht, der Dom wurde protestantisch.

Ddie Lücke am Cranach-Retabel blieb, und warum, so dachte das Naumburger Domkapitel vor einigen Jahren, sollte man den Altar nicht um Zeitgenössisches ergänzen? Kurzum, man beauftragte Michael Triegel, einen Vertreter der Neuen Leipziger Schule, einen neuen Mittelteil zu schaffen. Im Juni 2022 war das Bild fertig, auch Dietrich Bonhoeffer war abgebildet sowie der Bettler Burkhard Scheffler, der Ende 2022 am Rand des Petersplatzes erfror. Ein waches, zeithistorisch bewusstes und sozialkritisches Bild.

Allerdings, das Cranach-Triegel-Projekt war nicht mit dem Denkmalschutz besprochen. Streit entbrannte – etwa über die Frage, ob der Mittelteil einst wirklich eine Marienszene zeigte. Vor allem verdeckt laut Icomos, dem International Council on Monuments and Sites, für die Einhaltung der Welterbe-Kriterien zuständig, der nun (wieder) mächtige Altar die Sicht auf die berühmten steinernen Stifterfiguren, Uta von Naumburg und Markgraf Ekkehard II. von Meißen. Ihretwegen war der Naumburger Dom 2018 Welterbe geworden. Die Figuren schauen aus der Höhe zum Altar, werden das auch beim Original getan haben – sich als Stifter der heiligen Maria anbefehlend, um ob ihrer Gaben vielleicht der Hölle zu entkommen.

Angst vorm Verlust des Welterbe-Status

Aber wie um den Bildersturm zu re-enacten, streitet man nun erneut über den Marien-Mittelteil. Und ob Icomos explizit mit Entzug des Welterbe-Status drohte oder ob man das nur fürchtet: Der Altar muss weg, möglichst weit, nach Rom. In der katholischen Marienkirche wird er dort stehen, auf dem Gelände des Campo Santo Teutonico – einem Friedhof, auf dem deutsche Katholiken bestattet sind. Da bleibt er erstmal bis 2027, bis eine Lösung in Deutschladn gefunden ist.

Anderseits ist der Ort gar nicht so abwegig, war der Altar ja einst katholisch gedacht. Außerdem – aber das kam erst später heraus – liegt der von Triegel porträtierte Bettler auf ebenjenem Friedhof begraben. Eine berührende Koinzidenz. Ob Transport und Umlagerung dem Altar konservatorisch guttun, scheint bei alldem unerheblich, es geht ja ums Prinzip.

Und auch wenn die Angelegenheit nicht die Brisanz hat wie Emmanuel Macrons Plan, den empfindlichen Teppich von Bayeux aus dem 11. Jahrhundert aus politischen Gründen nach Großbritannien zu verleihen: Kann es wirklich sein, dass dies eine Retourkutsche für das unbotmäßige Naumburger Domkapitel ist? Das möge Gott verhüten.

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