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Berliner CDU-FördergeldaffäreGuter Jude, schlechter Jude

Die Kulturverwaltung räumt weitere Fehler in der Fördergeld-Affäre ein. Eine Antisemitismus-Fachjury soll zudem als „zu links“ abgelehnt worden sein.

Der gecancelte Shai Hoffmann und Jouanna Hassouns, ausgezeichnet als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Erik Peter

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Erik Peter und Anselm Mathieu aus Berlin

Die Vorwürfe der politischen Einflussnahme durch Abgeordnete und Senatoren der CDU bei der Vergabe von Fördergeldern im Kampf gegen Antisemitismus weiten sich aus – und werden nun auch zum Teil durch die Senatskulturverwaltung selbst bestätigt. Der taz liegt eine entsprechende Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion vor.

Das Dokument ist Teil der Berichterstattungspflicht des Senats im Rahmen der Haushaltsberatungen und wurde am vergangenen Freitag veröffentlicht. Dort bestätigt die Kulturverwaltung, dass bei der Vergabe von Fördermitteln nicht Fachpersonal, sondern CDU-Politiker*innen die maßgeblichen Entscheidungen über die zu fördernden Projekte getroffen haben.

Das betrifft den Sondertopf von 3,4 Millionen Euro, die 2025 für „Projekte von besonderer politischer Bedeutung“ im Einsatz gegen Antisemitismus vergeben wurden. Statt den regulären Weg einer eingehenden Prüfung durch die Verwaltung zu gehen, wurden die bezuschussten Projekte von Christdemokraten nach eigenen Vorstellungen – und mit Druck auf Verwaltungsangestellte – ausgewählt. „Die Bescheidung der Projektanträge lag in der Verantwortung der Hausleitung; beteiligt waren Mitglieder der Koalitionsfraktionen“, heißt es unverblümt in dem Senatsbericht.

Zudem heißt es in der Antwort, dass bei der Entscheidung über die Förderungen keine „inhaltlich-fachliche Prüfung“ stattgefunden habe. Wie die taz bereits berichtete, sollen die Abgeordneten Dirk Stettner (CDU) und Christian Goiny (CDU) die Liste der Förderprojekte zusammengestellt und durchgeboxt haben.

Im Ergebnis bekamen Projekte den Zuschlag, die einer inhaltlichen Prüfung hinsichtlich ihrer Kompetenz in der Antisemitsmusarbeit wohl kaum standgehalten hätten. Projekte wie etwa die „Mosaik G.C.B“, der „Future Narrative Fund“ oder das „Zera Institute“ haben kaum oder keine bisherige Arbeit vorzuweisen und fallen vor allem durch KI-Websites und personelle Verbindungen – auch mit Christian Goiny – auf.

Maral Salmassi, Goinys Kollegin im CDU-Kreisvorstand Lichterfelde, deren „Zera Institute“ mit 390.000 Euro bezuschusst wurde, fällt in den sozialen Medien durch islamfeindliche, verschwörungstheoretische und extrem rechte Inhalte auf. Für förderfähig hält sie die CDU, die Antisemitismus vor allem als linkes Problem verortet, dennoch.

Jury gekippt

Wer dagegen ein breiteres Verständnis von Antisemitismuskritik vertritt und diesen nicht mit kompromisslosen, pro-israelischen Positionen verbindet, ist zum Abschuss freigegeben, wie neue Enthüllungen zeigen. Christian Goiny und Joe Chialo nahmen demnach nicht nur Einfluss auf die Vergabe von Fördermitteln aus dem besagten Sondertopf. Ebenso mischten sie sich in die reguläre Mittelvergabe aus dem „Aktionsfonds gegen Antisemitismus“ ein, für die eine Fachjury verantwortlich ist.

Wie aus einer der taz vorliegenden Akteneinsicht der Grünen-Abgeordneten Susanna Kahlefeld und Daniel Wesener hervorgeht, sorgten Goiny und Chialo dafür, die Jury-Mitglieder auszutauschen: „Zu links, zu woke, zu BDS-nah“ seien die bis dato vorgesehenen Expert*innen, so fasste ein Mitarbeiter der Verwaltung in einer Mail Mitte Februar an einen Kollegen die Vorbehalte der CDU zusammen. Anderthalb Monate später schrieb Chialo in einer Mail an seinen Staatssekretär: „Gleichzeitig wurde verabredet, dass eine neue Jurybesetzung für den Aktionsfonds gegen Antisemitismus erfolgen soll.“

Shai Hoffman, jüdischer Sozialaktivist, ist einer der als „zu links“ abservierten Jury-Mitglieder. „Die CDUler wollen darüber entscheiden, wer die guten und wer die schlechten Juden sind“, sagt er im Gespräch mit der taz. Die Praxis, Jü­d*in­nen mit unliebsamen Ansichten auf diese Weise „zu denunzieren“, erinnere ihn an dunklere Zeiten der deutschen Geschichte. Goiny ist für ihn ein Politiker, der aus „einem deutschen Schuldkomplex heraus“ ein bestimmtes Bild von Jü­d*in­nen habe, in das er nicht passe.

„Was heißt eigentlich zu links?“, fragt er. „Wenn man darauf besteht, dass Menschenrechte nicht selektiv, sondern universell gelten?“. Hoffmann ist der CDU wohl deshalb lästig – er übt scharfe Kritik an dem „Zerstörungsfeldzug einer teils faschistischen Regierung Israels“, sowie der deutschen Staatsräson. In seiner Antisemitismusarbeit sei es ihm wichtig, sich gegen alle Formen von Diskriminierung zu stellen – auch anti-palästinensischen Rassismus.

CDu hat keine Ahnung

Auch die Professorin Christina Brüning gehört zu den Geschassten. Sie habe erst durch einen Bericht der Berliner Morgenpost am Samstag davon erfahren, dass sie überhaupt als Jury-Mitglied im Gespräch war, sagt sie der taz. Sie selbst versteht sich als sehr kritisch gegenüber der BDS-Bewegung und findet: „Leuten pauschal BDS-Nähe zu unterstellen, zeigt, dass die CDUler keine Ahnung von dem Feld haben.“

„Die CDU missbraucht Antisemitismuskritk als Mittel zur Spaltung der Gesellschaft und reproduziert dabei antimuslimischen Rassismus“, so Brüning. Es müsse darum gehen, Antisemitismus auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu benennen und nicht nur auf „Muslime und linke Studis“ zu projizieren, sagt sie.

Die von der CDU neu zusammengestellte Jury vergab schließlich 2 Millionen Euro Fördergelder an 27 Projekte. Die Entscheidung wurde von der Kulturverwaltung Ende Mai verkündet, ebenso die letztendlichen Jury-Mitglieder. Ihnen gehören der taz-Journalist Nicholas Potter als Juryvorsitzender an, dazu Franziska Göpner vom Anne Frank Zentrum, Shila Erlbaum vom Zentralrat der Juden, Friederike Lorenz-Sinai von der Fachhochschule Potsdam, Marina Chernivsky vom OFEK e. V. und Samuel Salzborn, Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus.

Kritik an der CDU kommt nun auch aus der neuen Jury, deren Mitglieder bislang nichts von den Vorgängen vor ihrer Nominierung wussten. Chernivsky, Potter und Lorenz-Sinai drücken in einem Statement gegenüber der taz ihre Unterstützung für die gecancelten Jury-Mitglieder aus und distanzieren sich von Ausschlüssen von Fach­kol­le­g*in­nen entlang rufschädigender Ettikettierungen: „Die mutmaßlichen Diffammierungen sind unwissenschaftlich und demokratiegefährdend, denn sie tragen dazu bei, die Bekämpfung von Antisemitismus in seiner gesamtgesellschaftlichen Einbettung zu polarisieren und nachhaltig zu beschädigen.“

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3 Kommentare

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  • Der Hass auf Islam und Muslime in der CDU steht dem der AfD in nichts nach, das ist auch übrigens Ihr verbindendes Element, der Kampf gegen Islam, muslimische Migration und Normalisierung der Hetze gegen eine religiöse Minderheit im nie wieder Deutschland, sogar mit staatlicher Finanzierung, weil gewollt! Wie gefährlich das ist, interessiert in der deutschen Wahrnehmung nicht, da die Meinung über Muslime und Islam als Feindbild von allen demokratischen Parteien, gesellschaftlichen, politischen und sozialen Diskussionen so geprägt, vergiftet und stigmatisiert wurde, dass es schon seit Jahren völlig gefestigt,etabliert und normalisiert ist. Das unter dem Deckmantel der so genannten Islamkritik (was soll das sein, eine Religion selektiv sich vornehmen, um ihr stigmatisierend alles Negative menschlicher Gesellschaften als Alleinstellungsmerkmal zuzuschreiben und,ganz unverurteilt und legitim im staatlich unterstützt und gewollt, wieder hetzen zu dürfen und wieder störts keinen. Deutsche sind in ihrer Wahrnehmung dafür weder sensibilisiert, noch gibt es kaum Interesse dafür auf Muslime, die das thematisieren wollen, anders als mit Opfernarrativ-Zuschreibungen zu reagieren.

  • Etwas arg einfach macht es sich der Kommentar mit seiner Kritik an der Neubesetzung der Jury, da er den tiefen Riss ausblendet, der sich längst durch die Antisemitismusforschung zieht. Paradigmatisch steht dafür das Berliner "Zentrum für Antisemitismusforschung", das seit Jahren schon in postkolonialen Gewässern vor sich hin dümpelt u. deshalb ein Totalausfall beim Thema linker & migrantischer Antisemitismus ist. Politisch fällt seine Leitung v. a. dadurch auf, dass sich - selbst nach dem 7.10. - ihre Namen regelmäßig unter - sehr freundlich formuliert - "israelkritischen" offenen Briefen findet, hingegen man Solidarisierungen mit der Lupe suchen muss. Nicht ohne Grund haben daher jüngst Studenten der TU Berlin eine Neubesetzung der Stelle des Antisemitismusbeauftragten gefordert; der von Geraldine Rauch installierte Uffa Jensen ist zugleich Vizedirektor des Zentrums taz.de/Nahost-Deba...hschulen/!6124407/



    Auf dieser Linie liegt auch die zitierte Christina Brüning. Sie erklärt ja ganz unumwunden, dass ihr die Erforschung linken & migrantischen Antisemitismus nicht so wichtig erscheint. Allenfalls, so darf man vermuten, unter zahllosen einschränkenden Kautelen.

    • @Schalamow:

      Der "linke & migrantische Antisemitismus" ist auch grotesk überbetont. Aus Gründen!



      Und zwar aus politischen Gründen.



      Zum einen: Niemand spricht über Antisemitismus innerhalb der Mitte-Rechts Parteien, obwohl das bitter nötig wäre, dazu auch die großartige Frau Neimann:



      taz.de/Susan-Neima...-Bosheit/!6123508/



      Zum anderen wird (wie letztens wieder von Grußonkel Gauck, prinzipiell aber jede Woche von irgendeinem Grußonkel) der "migrantische", "importierte" Antisemitismus (man ahnt es bereits durch die perfide Wortwahl) ausgelagert und füttert damit sogar gleichzeitig noch das RECHTE Narrativ (Stadtbild, Paschas, ...), das sich einfach nur durch Fremdenhass und Islamfeindlichkeit auszeichnet.

      Schuld sind also Linke und Muslime.



      Who would have guessed..



      Es ist halt Rechtsruck.