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Koalitionspläne für Ukraine-FlüchtlingeDer Bund schaut mal, wer die Rechnung zahlt

Weil die Regierung Geflüchteten aus der Ukraine kein Bürgergeld mehr zahlen will, kommen Kosten auf die Kommunen zu. Aber wer zahlt dafür?

Kein Bürgergeld mehr für Geflüchtete aus der Ukraine Foto: Udo Herrmann/imago

Berlin taz | Die schwarz-rote Koalition will Flüchtlingen aus der Ukraine künftig kein Bürgergeld mehr zugestehen, sondern nur noch Asylbewerberleistungen. Für die Finanzierung wäre dann nicht mehr der Bund zuständig, sondern die Kommunen. Deren Mehrkosten sollen eigentlich ausgeglichen werden, einen Plan für die Kompensation hat die Bundesregierung bislang aber nicht. „Mit Blick auf die anstehenden Gespräche mit den Ländern kann die Bundesregierung hierzu noch keine Aussage treffen“, heißt es in der Antwort des Sozialministeriums auf eine Bundestagsanfrage der Grünen.

In den Koalitionsverhandlungen hatte die Union die Umstellung auf die niedrigeren Asylbewerberleistungen durchgesetzt. Sie soll für Ukrai­ne­r*in­nen gelten, die seit April 2025 neu nach Deutschland gekommen sind oder noch kommen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat das Sozialministerium im August vorgelegt und darin auch die Absicht erklärt, „begleitend zu diesem Gesetzgebungsverfahren“ mit den Ländern eine „eine pauschalierte Kostenentlastung“ zu vereinbaren.

Dass es nicht bei der Ankündigung bleibt und dass eine komplette Erstattung kommt, hatte zuletzt unter anderem der Deutsche Städtetag gefordert. In einem Beschluss aus dem September heißt es, der Bund müsse die zusätzlichen Kosten „vollständig und dauerhaft übernehmen“.

Angesichts der leeren Kassen in den Kommunen sei nämlich zu befürchten, dass „nicht durch den Bund refinanzierte Mehraufwände (…) gravierende Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Städten haben könnten“. Auszugleichen sei auch der höhere Verwaltungsaufwand.

Der Staat spart nichts

Unterm Strich, dass ging schon aus dem Gesetzesentwurf hervor, sind für die öffentlichen Haushalte durch die Reform keine Einsparungen zu erwarten. Ein großer Teil der Kosten verteilt sich höchstens anders zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Wie das Sozialministerium in der Antwort an den Bundestag bestätigt, rechnet es einmalig sogar mit zusätzlichen Umstellungskosten in Höhe von 1,3 Millionen Euro.

Für den laufenden Betrieb geht die Regierung dann nicht von einem höheren Verwaltungsaufwand aus. Das zweifelt man aber unter anderem in der Grünen-Fraktion an, da im Asylbewerberleistungsgesetz mehr Einzelfallprüfungen vorgesehen seien als beim Bürgergeld. Anders als im Bürgergeld sind Betroffene zum Beispiel nicht krankenversichert. Über die Kostenübernahme für Behandlungen wird in den Ämtern individuell entschieden.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Karoline Otte wirft der Bundesregierung angesichts der Pläne „rechtspopulistische Quatschpolitik“ vor. „Im besten Fall steht der Bund zu seiner Verantwortung und übernimmt die Mehrkosten bei den Kommunen, dann ist das Motto linke Tasche, rechte Tasche“, sagte sie der taz. „Im schlimmsten Fall bleiben die Städte und Gemeinden auf den Kosten sitzen.“ Ihr Fazit: „Während die überlasteten Kommunen regelmäßig als Vorwand für Verschärfungen in der Migrationspolitik herhalten müssen, werden sie nun zusätzlich belastet.“ Das beweise, dass es eben nicht um die Entlastung der Kommunen gehe.

Entlastung durch Abschottung

In der Bundestagsanfrage hatten die Grünen auch danach gefragt, wie die Regierung die Kommunen dabei unterstützt, sich auf den Worst Case vorzubereiten: einen starken Anstieg der Zuzüge aus der Ukraine wegen eines „sich verändernden Kriegsverlaufs“. Die Antwort der Regierung: Man stelle regelmäßig „Zahlen zum Migrationsgeschehen und migrationsbezogene Lageeinschätzungen“ zur Verfügung. Allgemein helfe der Bund den Kommunen schon seit Kriegsbeginn unter anderem dadurch, dass er ihnen Unterkünfte mietfrei überlasse.

Aus der Antwort an die Grünen-Fraktion geht auch hervor, dass Schwarz-Rot die Pauschale nicht erhöhen will, die der Bund den Kommunen für jede Person zahlt, die einen Asylantrag stellt. Sie wurde 2023 auf 7.500 Euro pro Jahr festgelegt und seitdem trotz der Inflation nicht erhöht. Statt durch mehr Kompensationen, so das Sozialministerium jetzt, entlaste man die Kommunen insbesondere durch eine andere Maßnahme: die „Reduzierung der Flüchtlingszahlen“.

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3 Kommentare

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  • Tumber Populismus, der im Zweifel zu mehr Bürokratie führt. Hauptsache das zu bohrende Brett ist dünn und die Betroffenen können sich nicht wehren. Aber hat irgendjemand ernsthaft etwas anderes von dieser Regierung erwartet?

  • Das ist tatsächlich eine Quatschregierung, was wir da haben. Jeder €, den der Bund täglich ausgibt, ist technisch gesehen schon ein Gelddrucken. Das BMF weist die Bundesbank an, sein Zentralbankkonto - welches ja wie jedes Konto nur ein Datensatz ist - um z.B. 100 € zu mindern und das Zentralbankkonto der Empfängerbank um 100 € zu erhöhen. Dies verpflichtet die Empfängerbank, das Girokonto des Empfängers auch um 100 € zu erhöhen. Dadurch findet eine Geldschöpfung statt. Dies hätte technisch auch mit 1 Billion € funktioniert, ohne irgendjemanden zu belasten. Wichtig ist immer nur, dass damit auch freie Ressourcen nachgefragt werden, sonst gibt es tatsächlich eine sukzessive Inflation. Steuerzahlungen gehen dann den umgekehrten Weg und stellen für sich genommen eine Geldvernichtung dar. Im Prinzip wie bei Gewährung und Tilgung eines Bankkredites. Der Steuerzahler kann somit gar keine Staatsausgaben finanzieren. Ausgeben kommt hier vor Einnehmen. Es besteht also kein Grund für den Bund, irgendwelche notwendigen Leistungen nicht wenigstens der Inflation anzupassen.

  • So würde es gehen: Die Gemeinden melden ihre Auszahlungen zzgl. Verwaltungskosten monatlich an den Bund und bekommen das Geld umgehend erstattet.

    Halthalthalt! DAS wäre viel zu einfach für Deutschland, wo kämen wir denn da hin: Keine langwierigen Palaver zum Daseinsberechtigungsnachweis der vielen damit befassten Stellen, und kein einziger Jurist ins Brot gesetzt. Ja Sie sind gut!

    So wird es werden: Die Gemeinden bleiben lange auf ihren Kosten sitzen, die endgültige Regelungen setzt dann die nächste Regierung fest. Oder die übernächste. Reicht dann ja auch noch.