Studierenden-Protest in Hamburg: Uni teurer, aber schlechter
An der Uni-Hamburg müssen alle Fakultäten mit 4,5 Prozent weniger auskommen. Das Budget ist zu gering für steigende Kosten. Asta ruft zum Protest auf.
taz | An Hamburgs Uni regiert der Rotstift. Alle Fakultäten müssen in diesem Jahr 4,5 Prozent ihres Budgets einsparen. „Das hat massive Auswirkungen auf Studium und Lehre“, sagte Asta-Referent Elias Gerstner. Tutorien und AGs würden gestrichen, Bibliothekszeiten gekürzt. „Und Studierende verlieren ihre Jobs als Tutoren. Jeder hat Angst, der nächste zu sein.“
In dieser Woche beginnt gerade der Vorlesungsbetrieb des neuen Semesters. Für Donnerstag 13.30 Uhr ruft nun der studentische Asta zu einer Kundgebung vor dem Hauptgebäude auf. Motto: „Es reicht! Laut werden gegen die Erhöhung des Semesterbeitrags und die Unterfinanzierung“.
Denn auch dieser Beitrag, den die Studierenden alle halbe Jahre zahlen müssen, stieg gerade von 335 Euro auf erstaunliche 384 Euro. „Und das, obwohl die meisten Studierenden in Armut leben“, empört sich Gerstner, im Asta zuständig für Campusdemokratie.
Die Universität befinde sich in einer „angespannten finanziellen Lage“, sagt Alexander Lemonakis, Sprecher des Uni-Präsidenten Hauke Heekeren. Ursache dafür seien neben gestiegenen Personal- und Energiekosten „der notwendige Ausbau der IT-Sicherheit und digitalen Infrastruktur für Forschung und Lehre“.
Teurer Schutz vor Cyber-Angriffen
Denn die Sicherung zukunftsfähiger Rahmenbedingungen für Studierende, Forschende und Mitarbeitende erfordere „erhebliche Investitionen“. Allein um die Uni vor Cyberangriffen zu schützen, benötige man jährlich einen „mittleren einstelligen Millionenbereich“.
Das Grundbudget der Universität beträgt laut Lemonakis für das Jahr 2025 rund 394,7 Millionen Euro und enthält einen Ausgleich von rund 15 Millionen Euro für Tarifsteigerungen. Dennoch reicht dies nicht.
Die zuständige Wissenschaftsbehörde weist die Verantwortung von sich. „Die Stadt hat keine Mittelkürzungen vorgenommen“, sagt Sprecher Christian Wöhst. Im Gegenteil, man habe bereits die gestiegenen Energiekosten ausgeglichen. Die Uni Hamburg verwalte ihr Budget im Rahmen ihrer Autonomie selbst, sagt Wöhst. „Maßnahmen einer umsichtigen Bewirtschaftung liegen somit im Ermessen der Universität Hamburg“, die diese Rolle „sehr ernst“ nehme.
Auch Lemonakis betont, dass das Uni-Präsidium wegen der Finanzierung besagter IT-Investitionen und nicht voll ausgeglichener Personalkosten „in engem Austausch mit der Wissenschaftsbehörde“ stehe und auf „vertrauensvollen Dialog“ für eine Lösung setze.
Im Vertrauen auf die Stadt alle Rücklagen verbraucht
Der Akademische Senat (AS), das oberste Gremium der Uni, übt indes in einer Stellungnahme deutliche Kritik. Die rot-grüne Koalition strebe in ihren neuen Vertrag zwar exzellente Wissenschaft für Hamburg an, doch die dafür erforderliche auskömmliche Finanzierung und Planungssicherheit, sei „aktuell nicht gegeben“.
Die Universität sei schon seit Jahren strukturell unterfinanziert und habe dieses Defizit nach Aufforderung durch die Politik und Behörde dadurch kompensiert, dass sie auf ihre Rücklagen zurückgriff. „Diese sind nun aufgebraucht“, schreibt der Akademische Senat. „Die Universität hat sich dabei auf die Zusage verlassen, dass in diesem Fall die Grundmittel bedarfsgerecht erhöht werden.“
Doch das scheint nun nicht der Fall zu sein. „Der Hamburger Senat, die Bürgerschaft und die Wissenschaftsbehörde sind in der Verantwortung, der Universität die Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie benötigt, um ihre Aufgaben zu erfüllen“, sagt AS-Mitglied Florian Muhl. Hamburg sei eine reiche Stadt. „Da ist es eine politische Entscheidung, die Hochschulen im Regen stehen zu lassen oder sie endlich auskömmlich zu finanzieren.“
Wie hart die Auswirkungen sind, da gehen die Einschätzungen auseinander. Uni-Sprecher Lemonakis räumt ein, das die Bewirtschaftungsmaßnahmen spürbare Auswirkungen auf den universitären Alltag haben. Sie würden jedoch „gezielt gesteuert, um die Kernaufgaben in Forschung und Lehre weiterhin zu gewährleisten“, sagt er. „Das Studienangebot bleibt grundsätzlich vollständig erhalten.“ Massive Ausfälle gebe es nicht.
„In der Breite fallen Studienangebote weg“, sagt hingegen Elias Gerstner. „In der Erziehungswissenschaft kann beispielsweise der Schwerpunkt Behindertenpädagogik nicht mehr angewählt werden“, sagt der angehende Mathematiklehrer. „Und in der Biologie gibt es die Sorge, dass der Bachelor-Abschluss nur durch einen Notfallplan gewährleistet werden kann, weil Geld für Labore und Exkursionen fehlt.“ Er sehe in dieser Kürzungspolitik einen „Widerspruch zum Anspruch als Exzellenzuniversität“.
CDU spricht von fatalem Signal
Auch in der Bürgerschaft sind die Einsparungen angekommen. Die CDU-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein zeigt sich besorgt und spricht von einem „fatalen Signal“ für den Wissenschaftsstandort Hamburg. „Unsere Hochschulen brauchen Planungssicherheit und eine verlässliche Grundfinanzierung.“
Und die Hochschulpolitikerin Sabine Ritter (Die Linke) sagt: „Die Exzellenzuniversität Hamburg ist mit massiven Einsparvorgaben durch die Politik der Senatsparteien konfrontiert.“ Ad hoc müssten die Fakultäten schauen, wo Kürzungen realisiert werden könnten. „So werden beispielsweise Stellen und Professuren schlicht nicht nachbesetzt. Einige Studiengänge drohen, hierdurch unstudierbar zu werden und langfristig komplett zu verschwinden.“
Ritter hat vernommen, dass der Uni Ausgaben für die IT-Sicherheit ins Haus stünden, die deren Etat „im Wert einer kleinen Fakultät belasten und bislang durch nichts aufgefangen werden“. Doch die Grundfinanzierung einer Volluniversität dürfe nicht so knapp sein, dass solche Ausgaben zu Verwerfungen führen, „gegen die die Studierenden sich völlig zu Recht stemmen“.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert